Da es nicht ohne Interesse für die jetzigen
Bewohner Lauenburgs zu sein schien, zu erfahren, wie ihre Väter ohne
alles Verschulden in die Französischen Revolutionskriege
hineingezogen wurden, und da weder in der v. Kobbeschen Geschichte
Lauenburgs, noch in den v. Duveschen Mittheilungen über
Lauenburgische Zustände dieser Zeit Erwähnung geschieht, so habe ich
es für zweckmäßig gehalten, einen Versuch zu machen, Alles, was
jenen Zeitabschnitt betrifft, zu sammeln und zusammenzustellen, und
damit eine Ergänzung zu den genannten Schriften zu geben. Meine
Quellen fand ich zunächst in einigen Flugschriften, deren in den
Jahren 1803 und 1804 eine überaus große Anzahl erschien, welche aber
größtentheils nur den Churstaat Hannover im Allgemeinen betrafen und
daher auf Lauenburg im Besonderen keine Beziehung nahmen. Allein
weit wichtiger und des höchsten Dankes werth wurde es bei dieser
Darstellung, daß mir die Königliche Hohe Regierung willfährig den
Zutritt zu ihrem Archive gestattete. Der Vorrath der Actenstücke aus
jener Zeit ist sehr ansehnlich, aber
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nicht geordnet, so daß die Benutzung derselben
viel Zeit und Ausdauer erforderte, um das Wesentliche vom
Unwesentlichen zu scheiden und die weitschichtige Masse in einige
Ordnung und Zusammenhang zu bringen. Denn es konnte überhaupt nur
meine Aufgabe sein, ein möglichst anschauliches Bild der
Lauenburgischen Zustände und Verhältnisse in jener trüben Zeit
aufzustellen. Es würde mich freuen, wenn mir dies nur einigermaßen
gelungen wäre.
Die Flugschriften, welche ich benutzt und auf welche ich mich hie
und da bezogen habe, sind folgende:
1) Darstellung der Lage, worin das Hannöverische Militair in den
Monaten Mai, Juni und Juli des Jahres 1803 sich
befand. (Vom Grafen von Wallmoden.)
2) Beiträge zur Geschichte Hannovers im Jahre 1803.
2 Hefte. Hamburg.
3) Historische Berichtigungen des öffentlichen Urtheils über die
durch die Französische Occupation des Churfürstenthums Hannover
daselbst veranlaßten militärischen Maßregeln. 2 Hefte.
Niedersachsen 1803.
4) Hannovers Fall durch seine Minister, von H. v. H. 1803.
5) Tagebuch der Vorfälle seit dem Ausbruche der Feindseligkeiten
zwischen dem Könige von Großbritannien und der Französischen
Republik im Hannöverschen u.s.w. October 1803.
____________________
In dem am 25. März 1802
zu Amiens zwischen Frankreich und England abgeschlossenen
Definitivfrieden war unter Anderem stipulirt, daß England die Insel
Malta innerhalb dreier Monate räumen und an den Johanniter-Orden
zurückgeben, außerdem daß sich auf der Insel weder ein Franzose noch
ein Engländer aufhalten und die Unabhängigkeit und Neutralität
derselben
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unter dem Schutze der Europäischen Großmächte
stehen sollte. Allein das Englische Volk glaubte nach der
Ratification des Friedens in jenem Artikel das Werk einer großen
Uebereilung zu erkennen, denn Malta war ein zu wichtiger Punkt für
die Behauptung der Herrschaft auf dem Mittelmeer. Diese laut
gewordene Volksstimmung bot ein unzweideutiges Zeichen dar, daß der
Friede von Amiens nicht von langer Dauer sein werde. Und in der That
wurde die Insel nach Ablauf der festgesetzten drei Monate dem Orden
nicht zurückgegeben. Reibungen und Mißverhältnisse konnten also
zwischen den beiden Regierungen nicht ausbleiben, zumal die
beiderseitigen Zeitschriften im heftigsten Tone, ja mit den
herbesten Schmähungen gegen einander auftraten und sich in
Rücksichtslosigkeit überboten. Unter solchen Umständen trugen die am
Ende des Jahres 1802 über Malta angeknüpften
Unterhandlungen natürlich keine Früchte; im Gegentheil, es wurde die
Spannung zwischen England und Frankreich zu Anfange des Jahres
1803 immer gereizter und leidenschaftlicher, und der
erste Consul Bonaparte ging in seiner Heftigkeit so weit, daß er am
13. März 1803 bei einer großen Audienz
dem Englischen Gesandten in Paris, Lord Whitworth, seine Regierung
als treubrüchig bezeichnete, - "les Anglais ne respectent pas
les traités. Il faut dorénavant les couvrir de crêpe noir,"
- und Pitt, dessen Ministerium im März 1800 dem von
Addington, welches dem Frieden geneigt war, hatte weichen müssen,
sprach es öffentlich aus, daß der Friede von Amiens nur aus dem
Zusammenflusse höchst ungünstiger Umstände hervorgegangen sei.
Da nun schon am 20. Decbr. 1802 von der
Französischen Regierung der Batavischen Republik angezeigt war, daß
der General Montrichard sein Hauptquartier in Breda nehmen werde,
und da derselbe darauf (am 31. März 1803)
mit 7000 Mann in Holland eindrang, so war es durchaus
folge-
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richtig, wenn die Englische Regierung verlangte,
daß sich der erste Consul aller willkührlichen Verfügungen in
Italien, der Schweiz und der Batavischen Republik zu enthalten habe,
weil durch den Frieden von Amiens selbstverständlich die bestehenden
Verhältnisse jener Staaten anerkannt wären. Außerdem wurde England
durch die Reise des Obersten Sebastiani im Auftrage Bonaparte's nach
Aegypten, Syrien und den Jonischen Inseln in nicht geringe Unruhe
versetzt. Zugleich aber beharrte der erste Consul in seiner
herausfordernden Stellung und in seiner anmaßenden Sprache gegen
England. Da nun alle Conferenzen zur Ausgleichung der
Mißverhältnisse vergeblich waren, so reichte der Englische Gesandte
in Paris am 26. April 1803 sein
Ultimatum ein, welches den zehnjährigen Besitz Malta's 'und die
Abtretung der Insel Lampedusa, sowie die Entfernung der
Französischen Truppen aus Holland und einige Stipulaiionen für
Sardinien und die Schweiz forderte. Zur Antwort bestimmte er eine
siebentägige Frist. Sie blieb aus, und der Gesandte verlangte am
3. Mai seine Pässe. Der erste Consul suchte nun noch den
Schein zu retten, als sei er nicht der angreifende Theil; er ließ
daher durch Talleyrand Gegenvorschläge zur Ausgleichung machen, ohne
jedoch auf das Ultimatum Whitworth's einzugehen. Da verließ der
Gesandte am 13. Mai Paris, und der Französische
Gesandte, General Andreossy, reis'te am 16. Mai aus
London ab. Am 18. erfolgte die Englische
Kriegserklärung.
Inzwischen hatte der Französische General Montrichard am 26.
April Nimwegen besetzt. Bonaparte befahl darauf dieser seiner Armee,
von Nimwegen aufzubrechen, und ernannte zugleich zum
Oberbefehlshaber derselben den General Mortier und zum Chef des
Generalstabes den General Leopold Berthier. Mortier hielt am
12. Mai bei Nimwegen Heerschau und ging am 17.
Mai über die Waal. Diese Heeresabtheilung –
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13 bis 14,000 Mann zu
Fuß und 2000 Reiter - erhielt sofort den Namen: Armee
von Hannover, womit ihre Bestimmung deutlich genug ausgesprochen
war, und vereinigte sie bei Coevorden.
So war also der Krieg wieder ausgebrochen; jedoch trat dabei die
Sonderbarkeit ein, daß sich die beiden kriegsbereiten Mächte nicht
wohl thätlich begegnen konnten, denn Frankreich hatte in demselben
Grade das Uebergewicht zu Lande, wie es England zur See behauptete;
daher konnte das letztere gegen das erstere nur durch Verbündete auf
dem Festlande seine Angriffe lenken, Frankreich aber war nicht im
Stande, mit der Britischen Seemacht den Kampf aufzunehmen. Dagegen
bot sich dem ersten Consul das Churfürstenthum Hannover als
Angriffspunkt dar, welches freilich nur dadurch mit Großbritannien
in Verbindung stand, daß der Britische König zugleich Churfürst von
Hannover war. Deshalb konnte Hannover schwerlich mit den politischen
Interessen des Englischen Volks in Verbindung stehend angesehen
werden; außerdem aber gehörte es zum Deutschen Reiche und war auch
bisher immer in allen politischen Verwickelungen als Reichsland
betrachtet und behandelt worden. Allein was war nicht im Jahre
1803 bei der notorischen Schwäche des Deutschen Reiches
von der Kühnheit Bonaparte's zu erwarten? Und in der That konnte
Niemand über die Absicht und Rücksichtslosigkeit desselben in
Zweifel sein, nachdem Talleyrand am 11. März dem
Englischen Gesandten Whitworth eine note verbale
mitgetheilt hatte, worin ausgesprochen war, daß der erste Consul,
wofern er keine genügende Auskunft über die Englischen Rüstungen
erhielte, 20,000 Mann nach Holland senden werde, und
diese Truppen würden NATÜRLICH ein Lager an den Grenzen Hannover's
beziehen. Eine solche Sprache konnte wenigstens durchaus nicht mehr
einem Mißverständnisse unter-
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worfen sein. Aber auch unumwunden sprach sich
bald darauf der Französische Gesandte in London, General Andreossy,
aus; der erste Consul, sagte er, sei gesonnen, im Falle eines
ausbrechenden Krieges das Hannöversche Land zu occupiren.
Werfen wir nun einen Blick auf die inneren Verhältnisse des
Churfürstenthums Hannover, so wurde dasselbe zu jener Zeit im Namen
des Königs Georg III. von einem Cabinetsministerium verwaltet,
welches aus folgenden Mitgliedern bestand: dem Grafen v.
Kielmannsegge, v. Lenthe, v. d. Decken, v. Arnswaldt, v. Grote und
dem geheimen Cabinetsrath Rudlof, Abt von Bursfelde. An der Spitze
des Heeres stand der Feldmarschall Graf v. Wallmoden-Gimborn,
welcher seine militärische Laufbahn im siebenjährigen Kriege unter
dem Herzoge Ferdinand von Braunschweig begonnen hatte. Das Heer
bestand zwar aus 15 Infanterie- und 11
Reiter-Regimentern, mochte aber in allen Waffengattungen zusammen
gerechnet höchstens 14 bis 15,000 Mann
zählen.
Von dem bezeichneten Ministerium befand sich der Herr v. Lenthe in
London und referirte in Hannöverschen Angelegenheiten unmittelbar an
den König. Die Verwaltung bezeichnet ein neuerer Historiker *) als
"eine patriarchale Aristokratie, die das Land nicht hart und
gewaltsam regierte, ihm nur mäßige Steuerlasten auserlegte, aber
auch alle Untugenden eines solchen Regiments an sich trug." Zu
diesen gehörten insonderheit Kastengeist, Nepotismus und
Protectionswesen. Der Bürger und Bauer blieb völlig gleichgültig
gegen das Gemeinwesen; sie freueten sich nur, bisher nicht vom
Kriege berührt zu sein, ihn aber von ihren Grenzen abzuhalten kam
ihnen nicht in den Sinn; daher wurden sie auch nicht von der dem
Lande drohenden Gefahr in Kenntniß gesetzt. In dem Mini-
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*) Häussers's Deutsche Geschichte, 2. Bd. S. 378.
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sterium hatte aber der Cabinetsrath Rudlof den
entschiedensten Einfluß, den daher später, als das Unglück über das
Land hereingebrochen war, der allgemeine Haß traf. Dieser Mann
vermochte es nicht, sich zu überzeugen, daß das Churfürstenthum mit
einer Occupation bedroht sei; er meinte, eine solche Gewaltthat sei
den Verpflichtungen des Lüneviller Vertrages (9. Febr.
1801) zuwider; zugleich würde aber der Friede des
Deutschen Reichs gestört werden, wenn Frankreich das Hannöversche
Land feindlich behandelte. So wenig kannte er die Handlungsweise des
ersten Consuls. Allein dieser hatte seinerseits keineswegs
unterlassen, den Obersten Duroc nach Berlin und den Obersten Colbert
nach St. Petersburg zu entsenden, um sich gegen diese beiden Mächte
sicher zu stellen.
Da wurde am Ende des Monats März der Major von der Decken, Adjutant
des Herzogs von Cambridge, welcher zwar nicht Mitglied des
Hannöverschen Cabinets war, aber als Generallieutenant in dem Heere
stand, nach Berlin gesandt, um den Beistand Preußens für Hannover in
Anspruch zu nehmen. Zu derselben Zeit kam man in London auf den
Gedanken, daß sich die Hannöverschen Truppen, wofern die
Unterhandlungen in Berlin erfolglos bleiben sollten, bei Stade
zusammenziehen sollten, um, wenn die Unmöglichkeit eines wirksamen
Widerstandes gegen den Feind erkannt sei, nach England eingeschifft
zu werden. Indessen scheiterte die Mission des Majors von der Decken
vollkommen. Da erließ der König unter dem 8. April
eine Note an den Grafen von Wallmoden, welche am 19.
April in Hannover eintraf, worin dem Feldmarschall die dem Churlande
drohende Occupation, wegen des Einrückens Französischer Truppen in
Holland, als sehr wahrscheinlich bezeichnet wurde. Es schien dem
Feldmarschall daher angemessen, die Frühlings-Exerzierzeit zu
benutzen, um die Beurlaubten einzuberufen und die Veranstaltungen zu
einem Uebungslager
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zu treffen, wodurch, ohne Aufsehen zu erregen,
die Zusammenziehung der Regimenter bewirkt und wenigstens vermieden
werde, daß die zerstreueten Garnisonen nicht durch Ueberfall
abgeschnitten würden. Von dieser Königlichen Note setzte indessen
der Feldmarschall am 20. April das Cabinets-Ministerium in
Kenntniß,und verlangte Entscheidung hinsichtlich der
Vertheidigungsmaßregeln. Derselbe war allerdings unmittelbar von dem
Ministerium abhängig, allein die Art und Weise, wie die Rüstung
geschehen und die Vertheidigungsmaßregeln getroffen werden konnten,
gebührte unstreitig dem Anführer der Kriegsmacht, dem es zwar nicht
an militärischem Muthe fehlte, wohl aber an Thatkraft und richtiger
Auffassung seiner Stellung. Das Ministerium erwiderte in einem
Schreiben vom 22. April: Man müsse zuvörderst Alles,
was Ombrage und Aufsehen erregen könne, vermeiden, um dadurch nicht
etwas zu attiriren; zweitens müsse man solchergestalt was möglich
und diensam sei zu veranstalten und vorzubereiten suchen, um die
Willensmeinung des Königs zu erfüllen. Sobald das Ministerium nähere
Eröffnungen zu machen im Stande sei, werde es solche dem
Feldmarschall zu erkennen geben. - Ueberträgt man diese Worte in
eine verständlichere Sprache, so sagen sie nichts anderes, als: Das
Hannöversche Hohe Ministerium wolle, ohne bei seiner engherzigen
Weisheit und seiner pedantisch-selbstsüchtigen Handlungsweise
etwas zu wagen, des Königs Majestät gütigst den Gefallen erzeigen,
sich zu stellen, als ob es etwas thun wolle.
Der Feldmarschall schrieb daher am 27. April nach
London und schilderte den keineswegs glänzenden, im Gegentheil kaum
befriedigenden Zustand des Hannöverschen Heeres; zugleich trug er
auf Verbesserung und Vermehrung der Vertheidigungsmittel an. Anstatt
also rasch und kräftig zu handeln, unterhandelte man und verthat
die kostbare Zeit mit Noten-
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schreiben, denn es sollte ja alles vermieden
werden, was Ombrage erregen könnte.
Indessen wurde zu Anfange des Mai's die drohende Gefahr immer
offenkundiger. Der Feldmarschall berichtete daher am 5.
Mai an das Ministerium und zeigte demselben an, daß ohne energische
Maßregeln und die Anwendung großer Mittel Alles verloren sein werde.
Er verlangte daher eine bedeudende Vermehrung des Heeres. Am
6. Mai erhielt er die Antwort, daß jetzt der Augenblick
gekommen sei, an die Zusammenziehung der Truppen und ein
Uebungslagcr zu denken. Allein von der Vermehrung des Heeres war
nicht die Rede; nur die INVALIDEN sollten zusammengezogen und einige
Pferde angekauft werden. *) Darauf trafen am 13. Mai
Mittheilungen aus London ein, aus welchen hervorging, daß die
Englische Kriegserklärung an Frankreich nächstens erfolgen werde.
Graf Wallmoden forderte daher am 11. Mai, bei der unvermeidlich
bevorstehenden Gefahr, eine Vermehrung der Truppen auf 25
bis 28,000 Mann. Am 13. Mai erfolgte die
Genehmigung des Staatsministeriums, die Truppenzahl in der
vorgeschlagenen Weise zu vermehren. Aber schon am Tage vorher hatte
General Mortier über die Französischen Truppen Heerschau gehalten;
ein ungesäumtes Vorrücken stand jetzt zu erwarten. Wozu konnte also
eine Aushebung noch dienen? In Hannover wurde jedoch am 16.
Mai ein Edikt proclamirt und an alle Landesbehörden versandt. In
diesem Ausschreiben hieß es folgendermaßen: Daß bei den
gegenwärtigen noch unentschiedenen Verhältnissen zwischen England
und Frankreich
____________________
*) Wie die Regenten auch damals noch dachten, erhellt aus einer
Mittheilung von Beamish (Gesch. der Deutschen Legion I., S.8.9):
Der Feldmarschall solle seiner Truppen nicht gestatten zu schießen
und nur im dringendsten Nothfall das BAJONET MIT MODERATION
gebrauchen.
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der König, als Churfürst des Deutschen Reichs,
die genaueste Neutralität sorgfältigst beobachten lassen werde;
allein da die Truppenbewegungen in Holland die MÖGLICHKEIT darböten,
daß den Churlanden eine Gefahr bevorstehen könne, so sei es
nothwendig, baldmöglichst genau zu wissen, wie groß die Zahl
derjenigen Unterthanen sei, welche im entstehenden Nothfalle zur
Vertheidigung des Vaterlandes die Waffen führen könnten. Es wurde
daher in diesem Aufrufe sämmtlichen Obrigkeiten der gemessenste
Besehl gegeben, dieses Verzeichniß der wehrhaften Mannschaft des
Landes sofort aufzunehmen und die dienstfähigen Leute feierlich zu
verpflichten, im eintretenden Nothfalle zur Rettung und
Vertheidigung des Vaterlandes auf so lange Zeit,, als dieser
Nothfall vorhanden sei und die Vertheidigung des
Vaterlandes erfordere, dahin, wozu sie zu solchem Zwecke gefordert
würden, sich unweigerlich stellen zu wollen. Es wird hinzugesetzt,
daß ein solcher, zur Zeit der Noth dem Vaterlande seine Hülfe
entziehender, Unterthan unausbleiblich und ohne alle zu hoffende
Begnadigung seines sämmtlichen Vermögens und etwa noch zu hoffenden
Erbtheils, nach vorhergegangener obrigkeitlicher Untersuchung, für
verlustig erklärt werden werde.
Dieses Edikt gab den Franzosen die erwünschte Veranlassung zu Spott
und Hohn, und der Moniteur (No. 259 des Jahres
XI) ließ sich in den beißendsten Ausdrücken nicht bloß über
den Herzog von Cambridge als General der Hannöverschen Armee,
sondern über den König Georg selbst aus, der doch nicht den
geringsten Antheil an diesem Edikte hatte, obgleich demselben: Georg
von Gottes Gnaden, vorgesetzt war.(Bonaparte soll diesen Artikel
dictirt haben). Außerdem erschien eine Schmähschrift unter dem
Titel: "Dialogue entre Mr. de Thomasy, grande-maître de Malte,
et George de Brunswick, électeur d'Hanovre," worin das ganze
Königliche
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Haus in der unanständigsten und beleidigendsten
Weise verhöhnt und beschimpft wurde. Auch Bignon kommt auf dieses
Edikt in seiner Geschichte Frankreichs seit 1799, und
bricht in die Worte aus: Ein erbärmliches Mittel, durch Furcht vor
Güterverlust den Patriotismus zu wecken!
Im Churlande selbst aber wurde das Edikt vollkommen mißverstanden.
Das Volk sah dasselbe als einen Aufruf zur Erhebung in Masse an und
sprach darüber unverhohlen sein Mißfallen aus. Dieses Mißverständniß
beweist, daß die Bevölkerung die Denk- und Handlungsweise ihrer
höchsten Beamten auch nicht im Mindesten kannte, denn diesen lag
selbst die bloße Idee von Volksehre und Volkserhebung so ferne, wie
der Himmel über der Erde steht. Daher erschien denn auch am
24. Mai ein zweites Patent, worin das Cabinetsministerium
erklärte, daß es nie ein Volksaufgebot beabsichtigt habe, und daß
nur darum ein Verzeichniß aller waffenfähigen Unterthanen des Landes
eingefordert worden wäre, damit die Auswahl der zur Completirung der
regulären Armee erforderlichen Mannschaft erleichtert würde. Was
also jetzt geschah, hätte wenigstens schon zu Aufange des Monats
April geschehen sollen.
Wir sind nach dieser Einleitung zu dem Anfangspunkt der uns
gestellten Aufgabe gelangt, zur Darstellung der Zustände oder der
Leiden und Freuden des Herzogthums Lauenburg, eines damals
integrirenden Theils des Churfürstenthums Hannover. Jenes vorher
bezeichnete Edikt wurde natürlich auch an die Regierung des
Herzogthums Lauenburg gesandt und liegt bei den Acten vor. Zugleich
findet sich auch noch im Archive das Formular für die von den
Landes-Behörden vorzunehmende Verpflichtung der dienstfähigen
Mannschaft, welches also lautet: Ihr sollt an Eides Statt geloben,
daß, wenn bei den gegenwärtigen öffentlichen Zeitumständen eure
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Beihülfe zur gemeinsamen Vertheidigung des
Vaterlandes in eintretenden Nothfällen erforderlich werden sollte,
ihr dazu, so lange dieser Nothfall dauert und die Vertheidigung des
Vaterlandes erforderlich ist, dahin, wohin ihr zu solchem Zweck
werdet erfordert werden, euch unweigerlich stellen wollet und
sollet. Getreulich und ohne Gefährde. Diesen Befehl versandte die
Lauenburgische Regierung, damals bestehend aus dem Landdrosten v.
Hake, dem geheimen Regierungsrath v. Düring und dem Regierungsrath
Böhmer, an, alle Behörden des Landes. Allein auch in diesem
Herzogthum wurde, derselbe in gleicher Weise wie in den übrigen
Theilen des Churlandes aufgenommen. Diese Stimmung der Bevölkerung
bewog die Lauenburgische Regierung am 21. Mai zu einem
erläuternden Ausschreiben an die drei Städte des
Landes, worin diese aufgefordert wurden, mit einem ruhmwürdigen
Beispiele voranzugehen, indem sie vertrauensvoll auf die
patriotische Gesinnung der Bürger rechnete, ihre Bereitwilligkeit
laut zu erkennen zu geben und sich derjenigen Verpflichtung zu
unterziehen, wozu sie ihr geleisteter Huldigungs- und Dienst-Eid
schon verbände. Weiter heißt es in diesem Ausschreiben: "Um übrigens
jedem möglichen Mißverstande vorzubeugen, sind wir beauftragt, den
Städten die feste Versicherung zu geben, daß wie überhaupt die für
jetzt angeordnete Aufzeichnung der dienstfähigen Landesunterthanen
nur etwas Vorläufiges ist, also wenn hiernächst die eintretenden
Umstände die wirkliche Einberufung eines Theils derselben erfordern
sollte, dabei, wie sich von selbst versteht, ein billiges Verhältniß
zwischen den Städten und dem platten Lande nicht aus den Augen
gesetzt werden wird." Darauf erließ dieselbe Regierung am 23.
Mai den Befehl des Hannoverschen Ministeriums vom 21.
Mai, zur eiligen Aushebung der dienstfähigen Mannschaft zum activen
Dienste. Es wurde in demselben dem Herzogthum Lauenburg aufgegeben,
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vom Lande 596 Mann, aus der Stadt
Lauenburg 18 Mann, aus Ratzeburg 10 Mann
und aus Mölln 16 Mann, zusammen 640
Mann, zu stellen, von welchen 15 Mann an das
Leibregiment zu Pferde in Lüneburg, 30 Mann an den Train der
Artillerie in Hannover, und 595 Mann an das 11.
Infanterie-Regiment zu Ratzeburg und Lüneburg unter dem
Befehl des Generalmajors v. Scheither abzuliefern seien.
Es wurde nun die Frage aufgeworfen und besprochen, wie man in
Ratzeburg die Rekruten unterbringen sollte, da der General v.
Scheither erklärte, daß durchaus nicht alle in die Casernen
eingelegt werden könnten. Es sollten nämlich vorläufig nach
Ratzeburg außer den 595 Lauenburgern auch 400
Bremer und 60 Mann von Harburg und
Wilhelmsburg gestellt werden. In den Casernen konnten nur noch
136 Mann und in der Stadt, nach Angabe des damaligen
Stadtcommissärs Walter, nur 370 Mann eingelagert
werden. Ob übrigens die Mannschaften aus dem Bremenschen und von der
Wilhelmsburg nnid von Harburg wirklich abgeliefert worden sind, wird
nicht berichtet; es ist fast zu bezweifeln.
Uebrigens war die Besorgniß, wie man die große Anzahl von Rekruten
in Ratzeburg unterbringen sollte, ziemlich überflüssig, wie sich
sehr bald erwies. Denn sowie die Proclamation vom 16.
Mai im Lande bekannt geworden war, verließen die meisten
dienstfähigen Leute ihre Heimath. Daher ging schon am 26.
Mai ein Bericht vom Amte Neuhaus ein, daß sämmtliche junge und
dienstfähige Leute, welche sich auf 300 beliefen, in's
Mecklenburgische ausgetreten seien. Dasselbe meldete am 27.
Mai das Amt Lauenburg an die Regierung, und es bat zugleich, da es
ohne allen Beistand sei, worauf es sich stützen könne, um ein
Militär-Commando, welches aber nach der Versicherung des Generals v.
Scheither nicht gestellt werden konnte. Deshalb verwies die
Regierung am
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28. Mai das Amt Lauenburg nach
Lüneburg. Das Amt stellte darauf anstatt 102 Mann nur
18 Mann, von denen auch noch 5 Mann
ausgeschossen wurden, und am 1. Juni 49
Mann, unter denen aber mehrere von 16 und 17
Jahren, andere dagegen von 30 Jahren, einer von
40 und einer sogar von 57 Jahren waren. Das
Amt Steinhorst berichtete am 4. Juni, daß die
Amtsunterthanen für Vaterlandsliebe und Anhänglichkeit an ihren
Landesherrn, besonders bei eintretenden Nothfällen, gar keinen Sinn
hätten. Von 798 dienstfähigen Leuten hatten sich dort
gegen 300 nicht gestellt, von den übrigen wurden
104 Mann als diensttüchtig ausgehoben und von diesen
sollten darauf die vom Amte Steinhorst zu stellenden 78
Mann ausgeloost werden; allein am festgesetzten Loosungstage
blieb der größte Theil der jungen Mannschaft aus, so daß nur
16 Mann genommen werden konnten. Jedoch brachte es der
entschlossene Amtsschreiber Schneider mit Hülfe eines
Militär-Commando's dahin, daß auch die fehlenden 62
Mann an das 11. Regiment abgeliefert wurden.
Auch das Amt Ratzeburg stellte am 2. Juni die
auszuhebenden 102 Mann, und als von diesen 12
Mann ausgeschossen wurden, lieferte es auch diese nach. Dagegen
zeigte das Amt Schwarzenbeck am 28. Mai der Regierung
an, daß es die befohlenen 60 Mann wegen Austretens
nicht stellen könne. Nicht anders verhielt es sich in den
Patrimonial-Gerichten; nur wenige lieferten ihre Contingente ein,
als Kl. Berkenthien und Castorf. Prethen aber stellte 4
schon verheirathete Leute und Wehningen 3 Ausländer.
Andere Gerichte, wie Bliestorf und Basthorst, berichteten, alle
jungen Leute wären ausgetreten.
Am Eigenthümlichsten wurde das Aushebungsgeschäft in der Stadt Mölln
betrieben, welche, wie bemerkt worden ist, 16 Mann zu
stellen hatte. Zuvörderst hielt der Rathmann
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Höltig im Auftrage des Mölln'schen Raths um ein
Commando von 12 Mann der Garnison zu Ratzeburg an, um
mit Hülfe desselben "DIE ENTBEHRLICHSTEN MENSCHEN" auszuheben. Das
Gesuch wurde abgeschlagen. Darauf führten am 29. Mai
die zur Uebernahme und Einstellung der Rekruten commandirten
Hauptmänner von der Beck und v. Berger bei der Regierung Beschwerde,
daß die Stadt Mölln Ausländer und Vagabonden eingeliefert habe,
welche durchaus nicht beim Regiment angenommen werden könnten, zumal
da diese Leute selbst aussagten, daß sie mit Gewalt aufgegriffen
seien. Die Militär-Commission sah sich daher genöthigt, gegen ein
solches Verfahren, welches geradezu das Gegentheil von
Vaterlandsliebe bezeuge, einzuschreiten. Die Stadt Mölln erhielt
also noch desselbigen Tages einen scharfen Verweis von der
Regierung, weil sie durchaus unbrauchbare Mannschaft gestellt habe,
welche ihr zugleich auf ihre Kosten zurückgesendet würden. Der Rath
hatte sofort bei 50
Strafe sämmtliche Bürger zusammenzurufen und ihre dienstfähigen
Söhne loosen zu lassen. Dabei wird noch besonders erwähnt, daß in
der Stadt Ratzeburg bereits eine allgemeine Ausloosung stattgefunden
habe. Allein schon am 31. Mai zeigte Hauptmann v.
Berger der Regierung an, Mölln habe wiederum 6 Leute eingeliefert,
von denen einer verstümmelt, die anderen fünf beweibt und zugleich
Ausländer seien, welche sich nebenbei über die Art ihrer Aushebung
beschwert und ausgesagt hätten, daß ihnen Geld für ihre freiwillige
Sistirung geboten sei. Die Regierung rescribirte also unter
demselben Dato, daß der Magistrat bei 50
Strafe die sämmtlichen waffenfähigen Bürgersöhne, die ausgetretenen
mit eingerechnet, loosen lassen solle; wenn indessen ein Sohn
durchaus unentbehrlich für die Familie sein sollte, so könne der
Vater an dessen Statt einen Stellvertreter, der jedoch aus Mölln
gebürtig sein müsse, stellen, müsse aber für
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dessen Desertion haften. In Folge dessen
berichtete der Magistrat am 2. Juni, daß er 6
Bürgersöhne ausgehoben habe, von denen aber 4 abwesend
wären.
Da also die anbefohlene Aushebung einen so wenig entsprechenden
Erfolg im Lande hatte, so sah sich die Regierung genöthigt, am
31. Mai an das Ministerium in Hannover darüber Bericht zu
erstatten und um Verminderung der zu stellenden Mannschaft zu
bitten, oder um die Verfügung, daß die Väter anstatt der
ausgetretenen Söhne eingestellt werden dürften. Es liegt keine
Antwort auf diese Petition vor. Es hatte sich aber in den letzten
Tagen des Monats Mai bereits im ganzen Churfürstenthum die so wenig
befriedigende Aushebung herausgestellt. Zugleich überzeugte man sich
in Hannover, daß die ausgehobene Mannschaft nicht mehr zum Dienst
gegen den Feind formirt und exerzirt, ja nicht einmal bekleidet
werden könnte. Dazu kam noch die Schwierigkeit der Herbeischaffung
der Zug- und Remonte-Pferde; man sah sich genöthigt, sie bei den
Landleuten aufzubringen. Hierzu bedurfte es aber wieder einer
zeitraubenden Untersuchung ihrer Brauchbarkeit, und waren endlich
auch brauchbare Pferde aufgefunden, so suchten die Landleute um
Befreiung von der Stellung bei den Regierungen oder den Beamten
nach. Man erhielt nun freilich in den letzten Tagen des Mai eine
Anzahl Pferde, welche aber, ohne alle Dressur, weder bei der
Artillerie, noch bei der Cavallerie zu gebrauchen waren. Indessen
begann der Kampf mit dem Feinde schon um dieselbe Zeit.
Am 16. Mai nämlich erhielt der Anführer des
Französischen Heer's, welches bei Nimwegen stand, General Mortier,
vom ersten Consul den Befehl zum Aufbruch mit diesen Worten:
"Marschirt, schlagt die Hannöversche Armee und nehmt ihr die
Waffen!" Es brach also die Armee von Hannover, wie sie bereits
benannt wurde, am 26. Mai von Coeworden in die
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Grafschaft Bentheim ein. Am 28. Mai erließ Mortier
eine Proclamation an die Hannoveraner. Als Ursache der Occupation
des Churfürstenthums wurde darin angegeben, daß der König von
England den Eid der Treue gebrochen habe, weil er sich weigere, die
Insel Malta zu räumen, wie er doch in dem Tractat von Amiens
feierlich versprochen habe. (Die Schuld des Wiederbeginns des
Krieges wurde also allein auf England gewälzt). Zugleich ermahnte
Mortier die Hannoveraner, von der Gegenwehr abzustehn, die ihnen
keinen Nutzen bringen werde, sondern sie würden nur das Opfer
derselben sein. Er aber verspreche ihnen allgemeine Sicherheit und
Schutz, wenn sie ihre Sache von der eines Königs trennen würden,
welcher sich aller Grundsätze der Treue entäußert habe.
So sprach der Anführer eines Heeres, welches schlecht ausgerüstet
war und an den nothwendigsten Bedürfnissen, besonders aber an
Artillerie, Mangel litt. Allein das war den regierenden Herren in
Hannover durchaus nicht in den Sinn gekommen, den Zustand und die
Stärke des Französischen Heeres in Holland recognosciren zu lassen.
Sie wußten daher nicht das Geringste von den feindlichen Truppen, ja
sie überschätzten aus Unwissenheit ihre Stärke; auch waren sie ohne
jegliche Kunde, welche Straße Mortier ins Hannöversche Land
eingeschlagen habe. *) Mortier rückte am 30. Mai ins
Osnabrückische ein. Man hatte also den Paß bei Lingen ganz
unbeachtet gelassen, wo die Hannöverschen Truppen,
____________________
*) Es grenzt daher an's Unglaubliche, was Pertz im Leben Stein's,
I, S. 249 mittheilt. Als der Feldmarschall
Abends einen Courier von dem Commandanten in Bentheim mit der
Nachricht vom Einbruche des Feindes erhalten hatte, forderte er die
Minister zu einer schleunigen Versammlung auf; sie aber erwiderten,
die Glocke habe bereits zehn geschlagen, die Versammlung könne erst
am folgenden Tage stattfinden.
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auch ohne alle Verstärkung, die Franzosen hätten aufhalten können.
Darauf entschloß sich der Feldmarschall Graf Wallmoden, die
WESER-POSITION defensiv zu behaupten. Er zog daher ein Corps von
ungefähr 4000
Mann bei Nienburg zusammen und stellte es unter den Befehl
des Herzogs von Cambridge. Am
1. Juni
übernahm dieser das Commando mit dem festen Entschlusse, nicht bei
der Desensive stehen zu bleiben. Er ließ daher seine Avantgarde
unter dem General v. Hammerstein gegen Suhlingen vorrücken, und
dieser ging sofort mit
1500 Mann in die Aemter Diepholz und Lemförde
vor. Die Französischen Vortruppen standen bereits an der Hunte.
Indessen hatte Hammerstein den Befehl erhalten, den Feind nicht zu
reizen. Darauf ließ Mortier eine Abtheilung seines Corps eine
Bewegung gegen Wildeshausen ausführen und zwang dadurch den
Hannoverschen General, weil er mit Umgehung bedroht wurde, sich in
der Richtung auf Nienburg wieder zurückzuziehn. Mit Ungestüm waren
aber auch schon die leichten Truppen des Feindes bis gegen Suhlingen
vorgedrungen.
In Hannover waren indessen die hohen Regenten keineswegs der
Meinung, daß man jenseits der Weser Feindseligkeiten beginnen
sollte; nur einige Schüsse, meinten sie in ihrer großen Weisheit,
könnten außerordentliche Verlegenheiten herbeiführen. *) Man war im
Gegentheil bereit, mit dem Französischen General in Unterhandlungen
zu treten, obgleich man nicht einmal wußte, wo derselbe zu finden
sei. Eine Deputation, bestehend aus dem Hofrichter v. Bremer, dem
Oberstlieutenant v. Bock und dem Commerzienrath Brandes, reis'te
____________________
Hat Tacitus (Germ. c. 36) nicht
ein wahres Wort ausgesprochen, wenn er sagt: Ita
qui olim boni aequique Cherusci, nunc inertes ac stulti vocantur.
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demnach am 29. Mai nach dem Hauptquartier des
feindlichen Generals ab. Sie fanden dasselbe endlich in Vechte.
Mortier verlangte die Kriegsgefangenschaft des gesammten
Hannöverschen Heeres und behauptete, daß er eigentlich, ohne seine
vom ersten Consul erhaltene Instruction zu überschreiten, von diesem
Punkte nicht abgehen könne; allein nach dem Dafürhalten seines
Kriegsraths würde sich vielleicht eine Modification durch den
Vortheil rechtfertigen lassen, daß ein beträchtlicher Verlust auf
beiden Seiten vermieden werden könnte. Mit dieser Aussicht kehrten
die Deputirten nach Hannover zurück und wurden alsbald beauftragt,
die Verhandlungen sogleich wieder aufzunehmen. Am 2.
Juni erschienen sie daher wieder im Französischen Hauptquartier zu
Suhlingen.
Aber gerade an diesem Tage, Nachmittags, drängten die feindlichen
Vortruppen von Suhlingen her auf der Straße nach Nienburg vor und
stießen in der Nähe des Dorfes Borstel auf ein Hannöversches
Reiter-Piket unter dem Lieutenant v. Linsingen vom 9.
Dragoner-Regiment. Der Lieutenant ritt mit einem Trompeter vor und
meldete dem Französischen Offizier, daß der General Mortier in
diesem Augenblicke mit Hannöverschen Deputirten in Unterhandlung
stehe, und er ersuchte ihn daher, die Feindseligkeiten so lange
einzustellen, bis der Ausgang der Unterhandlung bekannt sein würde.
Die Antwort des Franzosen bestand darin, daß er den Lieutenant v.
Linsingen und seinen Trompeter gefangen nahm. Darauf warfen sich die
Französischen Husaren auf das Hannöversche Piket, welches sich auf
sein Soutien unter dem Lieutenant v. Krauchenberg repliirte. Die
Husaren drangen aber von Neuem vor und gingen über die Brücke eines
Bachs vor dem Dorfe Borstel. Krauchenberg warf sie über'n Haufen und
zog sich dann wieder in seine Stellung zurück. Aber sofort machten
die Franzosen einen zweiten Versuch auf die Brücke,
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jedoch vergebens. Als sie zum drittenmal zurückgeschlagen waren,
suchten sie einen Uebergang über das Flüßchen oberhalb der Brücke.
Da erschien die Reiter-Brigade des Generals v. Hammerstein - das
9. und 10. Dragoner-Regiment - mit 2
Kanonen, der reitenden Batterie des Hauptmanns Ludewig und einer
Compagnie leichten Fußvolks auf dem Kampfplatz. Hammerstein ergriff
sogleich die Offensive und warf den Feind völlig zurück. Der
Hauptmann Ludewig richtete nur drei wohlgezielte Schüsse auf die
Feinde, welche, nach späterer Aussage eines Französischen Offiziers,
ihnen 8 Todte und bei 30 Verwundete
brachten. Der Verlust der Hannoveraner in diesem Scharmützel belief
sich auf 2 Todte, 9 Verwundete und
17 verwundete Pferde. Man sagte damals, der Chef des
Französischen Generalstabes, General Leopold Berthier, habe, weil er
mit dem Gange der Unterhandlungen in Suhlingen unzufrieden war,
selbst die Vortruppen befehligt. Dies war das einzige
Zusammentreffen der Hannoveraner mit ihren Feinden. Wenn aber der
General Berthier wirklich bei diesem Gefechte zugegen war, so ist es
nicht unwahrscheinlich, daß dasselbe auf den Abschluß der
Convention, welcher Tags darauf, am 3. Juni, zu
Suhlingen erfolgte, von Einfluß gewesen ist. Jedenfalls hatten die
Hannoveraner in diesem Gefechte den Beweis geliefert, daß sie ihre
Waffen zu gebrauchen verstanden. Es leidet also keinen Zweifel, daß
an dem unrühmlichen Ausgange der Hannöverschen Angelegenheit die das
Ganze leitenden Herren in Hannover allein die Schuld trugen.
Noch an demselben Tage der zu Suhlingen abgeschlossenen Convention
erschien der Oberstlieutenant v. Bock bei den Hannöverschen Truppen
und machte den Abschluß bekannt. Vermöge dieser Convention sollte
das Churfürstenthum Hannover von den Französischen Truppen sogleich
besetzt werden;
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die Hannöverschen Truppen sollten sich hinter die Elbe, also ins
Lauenburgische, zurückziehen und sich verpflichten, während der
Dauer des Kriegs nicht gegen die Französische Armee zu dienen, bis
sie gegen eine gleiche Anzahl Französischer Gefangener ausgewechselt
sein würden; alle Waffen und Munitions-Vorräthe sollten den
Franzosen überliefert werden; die Französische Reiterei sollte auf
Kosten Hannovers remontirt werden; endlich sollte Hannover für den
Sold, die Bekleidung und Verpflegung des Französischen Heeres Sorge
tragen. Alle Einkünfte des Landes aber sollten zur Verfügung der
Französischen Regierung gestellt werden. Der Französische General
sollte in dem Churlande solche Contributionen erheben dürfen, wie er
sie zur Befriedigung der Bedürfnisse seines Heeres für nöthig
erachten werde.
Schlimmeres als diese schmachvolle Convention konnte das Land selbst
nach einem verzweifelten, blutigen Kampfe und nach einer verlorenen
Schlacht nicht treffen. Sie war aber zugleich ein Blendwerk, weil
sie einerseits noch der Genehmigung des ersten Consuls unterworfen
war, mithin noch keine definitive Gültigkeit erhalten hatte,
andererseits aber vorauszusehen war, daß die Englische Regierung
nimmermehr wenigstens dazu ihre Einwilligung geben werde, daß die
Hannöversche Armee als eine Englische betrachtet werde, welches doch
in dem Artikel über die Auswechselung vorausgesetzt war.
Nichtsdestoweniger wurde der Vertrag auf der Stelle vollzogen, und
die Sieger ohne Schlacht stürmten mit solcher Heftigkeit vor, daß
sie schon am 4. Juni in die Hauptstadt Hannover, am
6. in Celle und am 9. in Lüneburg und Stade
einrückten.
Der Feldmarschall Graf v. Wallmoden befand sich am Tage der
Suhlinger Convention in Celle, er hatte also durchaus keinen Antheil
an der Verhandlung und ihrem Abschluß;
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unbegreiflich, daß er sich den Einfluß auf dieselben hatte entwinden
lassen. Dagegen nahm der Herzog von Cambridge auf der Stelle seinen
Abschied, begab sich eiligst auf die Reise nach England und traf
schon am 4. Juni in Lüneburg ein. An demselben Tage
erschien der Oberstlieutenant v. Bock bei dem Feldmarschall mit dem
Berichte über die Convention. Er theilte ihm aber nur die Artikel
mit, welche sich speciell auf die Armee bezogen, und verschwieg
insonderheit den Punkt, welcher die Einwilligung Bonaparte's betraf.
Wallmoden gab also sogleich Befehl zur Uebergabe der Festung Hameln
und aller Artillerie und Munitions-Vorräthe, denn nur die
Regiments-Stücke sollten dem Heere verbleiben. Zugleich zogen seine
Truppen unter vielfachen Entbehrungen - denn ihre Magazine mußten
sie an der Weser dem Feinde zurücklassen - durch die Lüneburger
Haide der Elbe zu. Die Niedergeschlagenheit und Erbitterung
derselben war so groß, daß auf diesem Marsche ganze Schaaren ihre
Fahnen verließen und sich in ihre Heimath zerstreueten. Der
Generalstab traf am 6. Juni in Lüneburg ein; der
Marsch zur Elbe wurde auf alle Weise beschleunigt.
In Lüneburg erschienen aber schon am 9. Juni 290
Französische Jäger von der 27. Halbbrigade, und zwar
zugleich mit Hannoveranern. Die Franzosen verließen die Stadt zwar
wieder, kamen aber am 13. Juni unter dem
Oberstlieutenant de Longe und dem Major Barbier wieder und lös'ten
das Hannöversche Regiment auf den Wachen ab. Am 20.
Juni rückte dann der Brigade-Chef, Oberst Dessair, mit dem ersten
Bataillon der 27. Halbbrigade leichter Truppen und der
Divisionsgeneral Montrichard in Lüneburg ein. Graf Wallmoden hatte
aber bereits am 10. Juni sein Hauptquartier in der Stadt Lauenburg
genommen, an demselben Tage, da der Uebergang des Gros der Armee
über die Elbe bewerkstelligt
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zu werden anfing. Nur noch einige Heerabtheilungen, welche im
Göttingenschen gestanden hatten, gingen am 17. Juni
über die Elbe. Die Lauenburgische Regierung erhielt daher am
18. Juni durch den General v. Hake die amtliche Anzeige, daß
sämmtliche Hannöversche Truppen ins Herzogthum Lauenburg eingerückt
wären.
So sind wir also mit der Hannöverschen Armee auf Lauenburgischem
Boden angelangt, und wir werden sehen müssen, was inzwischen in dem
Herzogthum geschehen war. Zuvörderst zeigte das Cabinets-Ministerium
unter dem 30. Mai der Lauenburgischen Regierung an,
daß es seinen Sitz von Hannover nach Lauenburg verlegen werde, nur
der Minister v. d. Decken werde in Hannover zurückbleiben. Darauf
folgten unter dem 2. Juni drei Schreiben von derselben
Behörde: 1) Es bedürfe des Aufzeichnungs- und
Rekruten-Lieferung-Geschäftes überall nicht weiter; 2)
wenn eine Besetzung des Landes durch Französische Truppen
erfolgen sollte, so würde der Sitz der mit dem Französischen General
zu pflegenden Unterhandlungen vermuthlich in der Stadt Hannover
sein; deshalb sollten 3) die sämmtlichen Landschaften
dahin einige Deputirte schicken, um gemeinschaftliche Beschlüsse zu
fassen. - Dieser Befehl beweist deutlich genug, daß das Ministerium
den Abschluß der Convention als gewiß voraussetzte; zugleich aber
leuchtet die Zaghaftigkeit und die Rathlosigkeit des Ministeriums
ein, welches sich der Verantwortlichkeit alles dessen, was durch die
Suhlinger Convention das Land treffen konnte, zu entziehen suchte.
Den Vertrag einzuleiten und unter schmählichen Bedingungen
abzuschließen, hatte man kein Bedenken getragen, und die schwere
Verantwortlichkeit, welche man gegen den König und sein Erbland
übernahm, hatte man durchaus für nichts geachtet, aber die aus
demselben nothwendig hervorgehenden Folgen wollte man nicht
vertreten. Eine größere
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Unfähigkeit und Inconsequenz kann schwerlich gedacht werden. Das
hohe Ministerium setzte sich offenbar durch jene Berufung der
Deputirten aus den Landschaften selbst ab und übertrug die
Landesverwaltung einem von ihm selbst unabhängigen
Landes-Ausschusse, zumal da dieser seinen Sitz in Hannover nehmen
sollte, das Ministerium aber im Lauenburgischen residiren wollte.
Der König Georg verwarf natürlich den ohne seine Auctorisation
geschlossenen Vertrag seiner Minister, denen er die Wohlfahrt seiner
Unterthanen anvertraut hatte; übrigens aber erklärte er, daß er, um
die Lage seines Churlandes nicht noch zu verschlimmern, sich jedes
Einschreitens gegen den Vertrag enthalten werde.
Ebenfalls unter dem 2. Juni erließ das
Cabinets-Ministerium einen Befehl an die Lauenburgische Regierung
des Inhaltes, daß 1) von der Zeit an, da die
Französischen Truppen das Hannöversche Land besetzt hätten, die
Collegia aufhören sollten, das Prädikat "Königlich" oder
"Churfürstlich" zu gebrauchen, sondern sie hätten sich in
specie "Lauenburgische Regierung" zu nennen; 2)
ein förmlicher Huldigungseid könne von den in Dienst und Pflicht
stehenden Personen der Französischen Republik nicht geleistet
werden; 3) ein Eid, welcher bloß auf die gewissenhafte
Verwaltung des Dienstes, den man bekleide, gehe, sowie auch 4)
ein Eid, der bloß dahin gerichtet sei, nichts Nachtheiliges gegen
die Französische Republik und deren Befehlshaber vornehmen zu
wollen, könne ohne Uebertretung des geleisteten Huldigungseides
geschworen werden. - Es ist empörend, von einer Regierungsbehörde,
welche von ihrem Könige zur Wahrung seiner höchsten Interessen
eingesetzt war und diesem Könige den Huldigungs- und Diensteid
geleistet hatte, solche Befehle zu vernehmen. Ein ganz einfacher
Verstand begreift die colossalen Widersprüche in jenem Ausschreiben.
Das Prädikat "Königlich" oder "Churfürstlich" soll
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nicht mehr in Anwendung kommen, ein Huldigungseid soll dem
Französischen Oberhaupte nicht geleistet werden, gleichwohl aber
sollen die Beamten, die ihrem Könige den Eid der Treue geleistet
hatten, zugleich auch der Französischen Republik einen Eid leisten,
ihr gewissenhaft zu dienen. Es hat aber noch nie jemand zweien
Herren dienen können. Hatten sich also die hohen Regenten in
Hannover bereits selbst abgesetzt, so setzten sie durch diesen Act
auch ihren König und Landesherrn ab. Sie hatten mithin nicht bloß
den Glauben an sich selbst verloren, sondern auch die Liebe zu ihrem
Herrn aufgegeben oder vielmehr nie besessen.
In Folge des Ministerial-Erlasses, wegen Verlegung der Hannöverschen
Regierung nach dem Lauenburgischen, machte die Lauenburgische
Regierung am 7. Juni folgenden Befehl bekannt: Da sich
verschiedene Mitglieder des Königlichen Regierungscollegiums und der
Königlichen Cassen hier einfinden sollen, so hat der Stadtcommissär
Walter zu Ratzeburg, vi specialis commissionis, den
Bürgern anzudeuten, daß sie die Bequartierung derselben und zwar bis
zu weiterer Bestimmung frei zu übernehmen haben. Ueber die Bezahlung
der Quartiere sollte demnächst mit dem Königlichen Staatsministerium
verhandelt werden. - Indessen begaben sich die Herren v. Arnswaldt
und v. Grote nach Hildesheim, und nur der Graf v. Kielmansegge kam
nach dem Lauenburgischen, wo er das Gut Gültzow besaß. Der Herr v.
Arnswaldt reiste in der Folge nebst dem Cabinetsrath Rudloff von
Hildesheim ins Mecklenburgische; beide sind also in Ratzeburg nicht
gewesen. Später flüchteten auch die übrigen Herren mit den Cassen
von Ratzeburg nach Schwerin. Englische Schiffe nahmen das
geflüchtete Geld auf.
Der Graf v. Wallmoden hatte, wie gesagt ist, sein Hauptquartier seit
dem 10. Juni in der Stadt Lauenburg genommen
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und von dort den Oberstlieutenant v. Bock in militärischen
Angelegenheiten nach Hannover an den General Mortier geschickt.
Zugleich wurden die eintreffenden Hannöverschen Truppen im
Herzogthum Lauenburg dislocirt. Man hat es dem Feldmarschall zum
Vorwurf gemacht, daß er seine sämmtlichen Truppen nur an der
Stecknitz und Elbe allzu concentrirt aufgestellt und dadurch diesen
Theil des Herzogthums Lauenburg unverhältnißmaßig belastet habe, -
daher erhielten die Dörfer Gültzow und Collow jedes ein ganzes
Infanterie-Regiment ins Quartier, - allein, als er diese Dislocation
vornahm, glaubte er den Bruch der Suhlinger Convention mit
Sicherheit erwarten zu dürfen; er mußte daher eine Position
einnehmen, in welcher er sein Corps schnell vereinigen konnte, um im
Stande zu sein, sich gegen einen feindlichen Angriff zu
vertheidigen. Denn es war ihm, wie er selbst berichtet, *) von der
Suhlinger Convention bis zum 14. Juni völlig unbekannt
geblieben, daß der General Mortier jene Convention mit der Clausel:
"Unter Vorbehalt der Genehmigung des ersten Consuls" unterzeichnet
hatte. Bis dahin glaubte er, man habe eine definitiv verbindliche
Convention abgeschlossen; allein man hatte ihm den wesentlichsten
Punkt verschwiegen. Erst am 17. Juni erhielt er ein
Schreiben des Oberstlieutenants v. Bock, welches am 15.
abgefaßt war, und worin ihm gemeldet wurde, daß Bonaparte die
Suhlinger Convention dem Könige Georg zur Ratification vorgelegt und
dabei erklärt habe, sobald diese erfolgt sei, werde auch er die
seinige nicht vorenthalten. **) Allerdings hatte Talleyrand die
Convention an Lord Hawkesbury übersandt und verlangt, sie zu
ratificiren. Der Lord erwiderte, daß der König in seiner Eigenschaft
als
____________________
*) Darstellung der Lage, worin sich das Hannöversche Militär in den
Monaten Mai, Juni und Juli 1803 befand.
**) Darstellung S. 38.
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Churfürst von Hannover durchaus nichts thun werde, was der
Convention entgegen sei. Und dies wurde von London aus auch sogleich
be[s]thätigt; denn obgleich bereits von der Regierung Englische
Schiffe gedungen waren, um die Hannöverschen Truppen aufzunehmen und
nach England hinüberzubringen, so wurde auf der Stelle der schon
ertheilte Befehl, unter Segel zu gehn, zurückgenommen.
Darauf verbreitete sich am 24. Juni das Gerücht,
Bonaparte wolle der Convention seine Ratification nicht ertheilen,
weil der König die seinige verweigert habe, und Mortier habe bereits
den Befehl erhalten, mit seinem ganzen Corps schleunig gegen die
Elbe vorzurücken. Wallmoden theilte diese Nachricht augenblicklich
den in Ratzeburg befindlichen Mitgliedern des Hannöverschen
Ministeriums mit und wies am 27. Juni bei einer
persönlichen Zusammenkunft in der Gegend von Mölln alles nach, was
er selbst in Erfahrung gebracht hatte. *) Tags darauf (den 28.
Juni) berichtete er aus Lauenburg an das Ministerium, daß sich
bereits 15,000 Mann feindlicher Truppen bei Lüneburg
zusammengezogen hätten, und zu vermuthen sei, daß der General
Mortier die Absicht habe, über die Elbe zu gehn und die Hannoveraner
anzugreifen. Er schickte deshalb noch an demselben Tage den
Oberstlieutenant v. Bock nach Lüneburg an den Französischen General,
um über die Absichten desselben und die Bewegungen seiner Truppen
Aufklärung zu erhalten. Während dessen arbeitete Graf Wallmoden mit
den Offizieren seines Generalstabes eine Disposition aus, behufs der
Vertheidigung der Elbe. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich das
Hannöversche Corps in jener Position selbst gegen eine überlegene
Kriegsmacht eine geraume Zeit hätte behaupten können. Auf beiden
Flügeln gedeckt, nicht bloß durch neutrales
____________________
*) Darstellung S. 76.
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Gebiet, sondern auch durch zwei zum Theil in sumpfige Niederungen
fließende Flüsse, die Delvenau und die Bille, beherrscht das steil
aufsteigende rechte Elbufer überall das linke. Es konnte daher mit
ungefähr 10,000 Mann, welche Wallmoden noch beisammen
haben mochte, und mit 8 sechspfündigen und 50
dreipfündigen Regiments-Kanonen, sowie einigen Haubitzen gegen einen
überlegenen Feind vertheidigt werden. Allein dieser Feind war nicht
einmal bedeutend überlegen, denn, wie allgemein versichert wird,
hatte Mortier damals nicht über 12 bis 13,000
Mann beisammen. Er trotzte zwar auf seine Reserve unter dem
General Dessolles, allein dieser stand damals noch im
Osnabrück'schen, mit einem Corps schlecht bekleideter und noch
schlechter ausgerüsteter, noch nicht ausgebildeter Conscribirten.
Man konnte es also immerhin auf einen Kampf ankommen lassen, wodurch
wenigstens die militärische Ehre gerettet und vielleicht ein
ungehinderter Rückzug nach England errungen worden wäre.
Da erschienen spät Abends des 28. Juni der
Landschaftsdirector v. Lenthe und der Landrath General v. Wangenheim
mit einem Schreiben des in Hannover versammelten
Landes-Deputations-Collegiums bei dem Feldmarschall in Lauenburg,
worin derselbe ersucht wurde, die Eröffnungen, welche ihm die beiden
Deputirten machen würden, nicht abgeneigt aufzunehmen. Diese hohen
Herren von der Ritterschaft, bereits unterrichtet von den Anträgen,
welche der General Mortier dem Feldmarschall machen würde, hatten
die Dreistigkeit zu verlangen, daß sich der Graf mit seinem ganzen
Corps ohne Weiteres den Franzosen ergeben solle, um durch eine
muthige Vertheidigung kein Unglück über das Land zu bringen.
Wallmoden spricht sich selbst darüber aus, *) welche "bittere
Empfindungen
____________________
*) Darstellung S. 80.
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und grausame Eindrücke die bloße Erwähnung solcher Bedingungen bei
ihm hervorgebracht habe." Es wurde daher am 29. Juni über die zu
bringenden Opfer und die zu gewinnenden Vortheile berathschlagt. Da
kam der Oberstlieutenant v. Bock von Lüneburg zu ihnen und
berichtete, daß Mortier Befehl habe, über die Elbe zu gehn und mit
den Waffen in der Hand die Auflösung des Hannöverschen Corps zu
bewirken, wenn sich dasselbe weigern würde, in die Anträge
einzugehn, welche er demselben zu machen im Begriffe sei. Wallmoden
setzte daher dem Französischen General in einer Note die Gründe
auseinander, welche er habe, die zu Suhlingen eingegangenen
Verbindlichkeiten nicht zu verletzen, und erbot sich zugleich,
dieselben auf jede, mit der Ehre der von ihm befehligten Truppen
verträgliche, Art nochmals förmlich anzuerkennen. Mit diesem
Schreiben begaben sich die Herren v. Lenthe und v. Wangenheim am 30.
Juni nach Lüneburg. Aber schon am 29. Juni, Abends, wurde der
General v. Hake nach Ratzeburg gesandt, um dem Ministerium über die
Lage der Sachen Bericht zu erstatten und zugleich zu erklären, daß
es der Feldmarschall auf das Glück der Waffen ankommen lassen werde,
wenn er nicht bessere Bedingungen für die Truppen und reelle
Vortheile für das Land erlangen könne.
Als nun am 30. Juni Wallmoden im Begriff war, sein Hauptquartier
nach dem Lauenburgischen Dorfe Gültzow, welches ungefähr in der
Mitte seiner Aufstellung lag, zu verlegen, kam der Chef des
Französischen Generalstabes, General Leopold Berthier, zu ihm nach
Lauenburg und überbrachte ein Schreiben des Generals Mortier, welche[s]
folgende Capitulalions-Bedingungen enthielt: Die Hannöverschen
Truppen legen die Waffen nieder und werden als Kriegsgefangene nach
Frankreich geführt; sie behalten ihre Bagage und die Offiziere ihre
Degen; letztere können sich auf dem Continente einen beliebigen
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Wohnort wählen, dürfen aber nicht nach England übergehen. Die
Capitulation solle gültig sein, ohne erst eine Ratification
einzuholen. - Berthier verlangte binnen 24 Stunden Resolution.
Der Feldmarschall berief daher am 1. Juli einen Kriegsrath nach
seinem Hauptquartier Gültzow und legte demselben Mortier's
Capitulations-Bedingungen vor. Alle Offiziere erklärten einmüthig,
daß man sich auf diese Anträge durchaus nicht einlassen könne, und
verlangten eine hartnäckige Gegenwehr. Auch die Truppen vernahmen
mit allgemeinem Beifall die Entscheidung des Kriegsraths und
freueten sich des nahe bevorstehenden Kampfes. Der Feldmarschall
setzte aber noch an demselben Tage den General v. Hake in Ratzeburg
von dem Beschlusse des Gültzowischen Kriegsraths in Kenntniß und
zeigte zugleich dem dort residirenden Ministerium an, daß es
vielleicht schon am 2. Juli zum offenen Kampfe kommen werde. Da nun
die Minister nicht mehr zweifelten, daß alsbald kriegerische
Auftritte auf Lauenburgischem Boden bevorständen, so begaben sie
sich unverzüglich mit den geretteten Landes-Cassen nach Schwerin.
Indessen war der Oberstlieutenant v. Bock nach Lüneburg gegangen, um
dem General Mortier die Erklärung zu überbringen, daß die
Hannöversche Armee auf die gestellten Capitulations-Bedingungen
durchaus nicht einzugehen gewilligt sei.
Am 2. Juli kehrten darauf die oben genannten landschaftlichen
Deputirten mit einem Schreiben des Französischen Obergenerals nach
Gültzow zurück, worin der Wegführung der Hannöverschen Truppen nach
Frankreich nicht mehr gedacht wurde. Es war allerdings sehr
begreiflich, daß Mortier nachzugeben anfing, da er in Lüneburg
unverholen geäußert hatte, die Position der Hannoveraner an der Elbe
wäre fast invincible, und würde ihm, wenn er sie forcieren wolle,
viele Menschen kosten.
Daraus darf man also ohne Zweifel schließen,
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daß er nicht entschlossen war, auf neutralem Gebiete den Fluß zu
überschreiten und die Hannöversche Stellung in der Flanke zu
umgehen. Uebrigens stand auch der Dänische General v. Ewald mit
einem starken Corps auf der rechten Flanke der Hannöverschen
Position und hatte bereits beiden Theilen erklärt, daß er eine
Verletzung des neutralen Gebietes nicht gestatten werde. Ob auch von
Mecklenburgischer Seite etwas ähnliches geschehen sei, liegt nicht
vor; man darf es bezweifeln.
Inzwischen drängte Mortier auf Entscheidung des Feldmarschalls und
fragte daher am 3. Juli in einem kurzgefaßten Schreiben bei
demselben an, ob er bereits einen Entschluß über die letzten
Vorschläge gefaßt habe. Wallmoden erwiderte an demselben Tage eben
so kurz, daß er bedauere, auf die vorgeschlagenen Bedingungen nicht
eingehen zu können. An jenem Tage - dem 3. Juli - war die
Kampfbegier der Hannöverschen Truppen noch unerschütterlich; alle
erwarteten muthig den Angriff des Feindes. Allein es war bereits
dafür gesorgt, den guten Geist und die Treue der Truppen zu
untergraben, und sie zur Meuterei zu verführen. Denn die
hochmögenden Landes-Deputirten, die Herren v. Lenthe und v.
Wangenheim, hatten öffentlich ausgesprochen, *) daß, wenn die
Truppen sich nicht vertheidigten, sondern die Waffen niederlegten,
Pferde und Kanonen abgäben, die Landstände dafür sorgen wollten, daß
sie ihren Unterhalt erhielten; wenn sie sich aber vertheidigten und
dadurch Unglück über das Land brächten, sie, wenn sie unterlägen,
nichts vom Lande zu erwarten hätten. Diese Erklärung der Herren
erfolgte, als sich der Kriegsrath in Gültzow am 1. Juli geweigert
hatte, sich den Franzosen unbedingt zu ergeben. Die beiden Deputirten
gingen aber darauf, wie schon oben gesagt ist, wieder nach Lüneburg
zu Mortier
____________________
*) Beiträge zur Geschichte Hannovers im J. 1803, S.
18.
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und kehrten nach Gültzow zurück, mit einem Schreiben des
Französischen Generals, worin die Wegführung der Truppen in
Kriegsgefangenschaft nicht erwähnt wurde. Jetzt galt es also, die
Kampfbegierde der Krieger völlig zu unterdrücken. *)
Zwischen
Lauenburg und Glüsingen lagerten drei Hannöversche
Reiter-Regimenter: die Leibgarde, sowie das erste und zweite
Regiment. Unter diesen Reitern kam ein anonymes Schreiben zum
Vorschein, worin dieselben geradezu zur Meuterei aufgefordert
wurden. Die Reiter versicherten, das Schreiben könne von keinem
gemeinen Soldaten abgefaßt sein; ebenso gewiß ist es, daß es von
keiner Militär-Person aufgesetzt war. Seinen Endzweck aber verfehlte
es nicht; daher geschah, daß in der Nacht vom 3. auf den
4. Juli
gerade zu der Zeit ein Tumult ausbrach, als ein feindlicher
Parlamentär von dem Feldmarschall mit der Verwerfung der gemachten
Anträge abgefertigt war. Als nämlich jene Reiter zum Satteln Befehl
erhielten, erscholl auf dem einen Flügel des Lagers und verbreitete
sich schnell bis zum anderen der Ruf: Es soll nicht gesattelt
werden! Die Offiziere suchten dem Befehle Gehorsam zu verschaffen
und brachten es in der Dunkelheit auch zum Theil dahin, daß in ihrer
Gegenwart wenigstens gesattelt wurde. Plötzlich aber hörte man die
aufrührerischen Worte: Sie seien verrathen; man habe sie in jenen
Winkel des Landes wie in eine Falle geführt; sie würden sich nicht
eher schlagen, bis sie wüßten, für wen sie sich schlügen; wer dem im
Kampfe verkrüppelten Soldaten die Pension bezahlen werde, und
dergleichen mehr. Die Offiziere mischten sich zwar unter die
Aufrührer, konnten aber in der Finsterniß die Rädelsführer nicht
erkennen; jedoch suchten sie auf alle Weise die Leute zu beruhigen
und
____________________
*) Historische Berichtigungen u.s.w, 2. Heft, S.
187. Beiträge zur
Gesch. Hannovers, S. 19.
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zu ihrer Pflicht zurückzuführen. Und wirklich hatte die Leibgarde
beinahe schon insgesammt gesattelt, als durch ein neues Ereigniß die
Gährung in helle Flammen ausbrach.
Drei Reiter des zweiten Regiments hatten sich bei dem ersten
eingefunden, um dort das schon glimmende Feuer des Aufruhrs
anzufachen. Der Cornet Janssen, ein entschlossener junger Mann,
bemerkte dies, ging auf sie zu und fragte sie: was sie dort zu
schaffen hätten? Da sie trotzig ihm nicht Rede stehen wollten, so
hieb er scharf auf sie ein und trieb sie aus dem Lager des ersten
Regiments. Sofort erhob sich das zweite Regiment zum offenen Aufruhr
und verlangte die Auslieferung des Cornet Janssen. Es gelang nun
zwar dem wackeren Obersten v. Dzierzanowsky, seine Leute durch das
Versprechen einer strengen Untersuchung für den Augenblick zu
besänftigen und einer blutigen Scene vorzubeugen, allein die
allgemeine Gährung war damit nicht unterdrückt. Deshalb erschien der
Feldmarschall am Morgen des 4. Juli im Lager und hielt eine Anrede
an die meuterischen Regimenter, welche er mit der Frage schloß: Sagt
nur, wollt ihr fechten oder nicht? Ein Reiter antwortete, davon sei
hier gar nicht die Rede; sie würden jeder Zeit ihre Pflicht
erfüllen, aber besser würde es gewesen sein, wenn der Feldmarschall
sie nicht in einen Winkel eingesperrt, sondern an die Landes-Gränze
geführt hätte, wo der Kampf von größerem Nutzen gewesen wäre. Es
wird berichtet, *) daß dem Feldmarschall, nachdem er das Lager
bereits verlassen hatte, einige Leute der empörten Regimenter
nachgeeilt wären, und ihre Reue über das Vorgefallene, sowie
Bereitwilligkeit ihre Pflicht zu thun betheuert hätten. Dasselbe
bezeugten gleich darauf einige Offiziere des zweiten Regiments dem
Feldmarschall; er aber erwiderte: Es ist zu spät! Die
____________________
*) Minerva, von v. Archenholz, 1803, Nov. S. 325.
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Capitulation ist schon so gut wie abgeschlossen. Aus diesen Worten
möchte man wohl nicht mit Unrecht schließen, daß Graf Wallmoden den
Dingen die Ansicht abgewonnen hatte, als habe er bereits das
Vertrauen seiner Truppen verloren, und daß er deshalb jede Hoffnung
auf einen erfolgreichen Widerstand aufgegeben habe. Sobald er daher
in sein Hauptquartier zurückgekehrt war, berief er einen Kriegsrath
nach dem HAIDEKRUG, wo man um 5 Uhr Nachmittags des
4. Juli zusammen
kam. Wallmoden legte der Versammlung die Lage der Dinge und dazu die
jüngst erhaltenen Capitulations-Punkte des Generals Mortier vor. Daß
diese Versammlung sich alsbald darin einigte, der Feldmarschall
möge, unter der Voraussetzung der Erhaltung jener Bedingungen, mit
dem Französischen General abschließen, wird nicht befremden. Graf
Wallmoden schrieb daher am 5. Juli frühe an Mortier und setzte ihn
von dem Beschlusse des Kriegsraths in Kenntniß. Darauf begab er sich
von Gültzow nach dem Dorfe Schnakenbeck unweit Lauenburg.
Mortier ging auf der Stelle in den Antrag Wallmoden's ein und schlug
eine persönliche Znsammenkuuft auf der Elbe bei Artlenburg vor. Es
wurde daher noch an demselben Tage ein Fahrzeug auf der Elbe
festgelegt, und auf demselben zwischen beiden Anführern folgende
Convention - gewöhnlich die Artlenburger oder die Elb-Convention
genannt - abgeschlossen: Die Hannöverschen Truppen legen die Waffen
nieder, welche der Französischen Armee überliefert werden. Das
Hannöversche Corps wird aufgelöst; die Leute kehren in ihre Heimath
zurück, verpflichten sich aber, so lange nicht gegen Frankreich zu
dienen, bis sie gegen Französische Gefangene ausgewechselt sind; die
Offiziere behalten ihre Degen, Pferde und Gepäck; den Truppen soll
bis zur Ankunft in ihrer Heimath die nöthige Subsistenz geliefert
werden. Die Franzö-
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sischen Truppen werden sofort das Lauenburgische Gebiet besetzen.
Bignon *) führt an, Mortier habe in seinem Berichte über die
Artlenburger Convention sich der Worte bedient: Der Graf Wallmoden
hat mit blutendem Herzen unterschrieben. - Das war wohl sehr
natürlich, welcher ehrliebende Soldat würde das nicht gethan haben!
Allein, daß der Feldmarschall erst durch das meuterische Betragen
der drei Reiter-Regimenter zu jener Capitulation bestimmt sein soll,
wie noch in neuester Zeit wieder behauptet worden ist, **) ist
jedenfalls sehr zu bezweifeln, theils weil, wie schon oben bemerkt
worden ist, die Reiter in der That am 4. Juli reuig zu ihrer Pflicht
zurückgekehrt waren, theils weil die in der Nähe der Reiter lagernde
Artillerie sich bereit erklärt hatte, die meuterischen Reiter
anzugreifen und mit Kartätschen niederzuschießen, theils weil schon
vor dieser Meuterei die Urlaubspässe für die zu entlassenden Truppen
in Lauenburg dem Drucke übergeben waren. ***) Es war nichts weiter,
als die allgemeine Kopf-, Rath- und Hoffnungslosigkeit, welche sich
hier, wie im Jahre 1806, der leitenden Häupter bemächtigt hatte.
Deswegen kann es durchaus nicht Gegenstand einer Untersuchung sein,
wie lange der Widerstand an der Elbe hätte fortgesetzt werden
können; ebenso wenig, wohin auch nur ein kleiner von den
Hannöverschen Truppen errungener Vortheil hätte führen und welche
____________________
*) Geschichte Frankreichs von 1799 bis 1807, Cap.
29.
**) Niedersächs. Archiv 1846, S. 56 ff. Es tritt uns hier dieselbe
Erscheinung entgegen, wie drei Jahre später bei Prenzlau. Und wenn
man daher alle Schuld auf die Meuterei, welche doch nur durch eine
unfähige Regierung verschuldet war, zu werfen bemüht ist, so bedenkt
man nicht, daß sich dieselben Leute bald nachher in der
Englisch-Deutschen Legion auf's Rühmlichste auszeichneten.
***) Minerva 1803, S. 337.
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Wendung der Verhältnisse ein entschlossener Widerstand hätte
herbeiführen können, ob Preußen dann, ob England seinen Arm erhoben
haben würde, und ob eine zweite Varus-Schlacht hätte erfolgen
können; *) sondern es ist nur die Annahme gestattet, daß durch einen
herzhaften und tapferen Widerstand die Waffenehre der Hannöverschen
Truppen, welche sich nur wenige Jahre vorher in Belgien so rühmlich
ausgezeichnet hatten, gerettet wäre; außerdem aber ist es anerkannt,
daß das Hannöversche Churland durch die schmachvolle Artlenburger
Capitulation auch nicht das Geringste gewonnen hat, wie sich eine
kurzsichtige Klugheit vorspiegelte, sondern daß es in nicht minderem
Grade der feindlichen Ausbeutung und Erpressung unterlegen ist, als
wenn es nach einem offenen ehrenhaften Kampfe in Feindes-Hand
übergegangen wäre. Man kann daher mit Recht gegen die Tirade der
beiden guten Landschafts-Deputirten: "Wenn die Hannöverschen Truppen
sich vertheidigten und dadurch Unglück über das Land brächten",
einwenden und fragen, welches Unglück denn noch größer sein konnte,
als das, welches nach der Capitulation das Land traf, da es von den
Franzosen systematisch ausgesogen wurde. Schlimmer hätte es nimmer
werden können, vielleicht aber wäre dem Feinde durch eine feste
Haltung und tapfere Gegenwehr stark imponirt worden.
Am 6. Juli wurde den Truppen im Allgemeinen ihr Schicksal durch
einen General-Befehl aus dem Hauptquartier Gültzow bekannt gemacht.
Es scheint, als ob man Widersetzlichkeit der Truppen besorgte, denn
es hieß in dem Befehle, die Soldaten sollten mit URLAUBSPÄSSEN in
ihre Heimath entlassen werden, wodurch gewissermaßen die
militärische Existenz des Corps, freilich mit bedingter Freiheit,
anerkannt wurde; auch sollten
____________________
*) Beamish, Gesch. der Engl.-Deutsch. Legion, Th. I, S.
67.
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sie die Waffen, Pferde und Armaturstücke an die landschaftlichen
Deputirten abliefern, unstreitig, um die Zartheit des militärischen
Ehrgefühls zu schonen, indem die demüthigende Zumuthung, im
Angesicht eines triumphirenden Feindes das Gewehr zu strecken, den
Truppen erlassen wurde. *) Aus den Händen der Deputirten empfingen
dann Französische Commissäre die Waffen. Indessen war aber auch
schon an demselben Tage die Französische 48. Halbbrigade nach
Lauenburg übergesetzt und verbreitete sich in der Umgegend der
Stadt. Der Feldmarschall verlegte daher am 7. Juli sein
Hauptquartier von Gültzow nach Mölln. In Zeit von fünf bis sechs
Tagen waren alle Regimenter aufgelös't, und am 11. Juli erließ der
Feldmarschall aus Mölln den Abschiedsgruß an das aufgelöste Corps.
Es wurden aber viele Waffen von den Einwohnern Lauenburgs in der
allgemeinen Verwirrung auf die Seite gebracht, namentlich die
schönen Englischen Jäger-Büchsen, womit im Jahre 1813 die ersten
Freiwilligen ausgerüstet wurden. **)
____________________
Das Churfürstenthum Hannover wurde seitdem von dem Französischen
Obergeneral Mortier verwaltet, welcher schon am 22. Juni befahl, daß
eine EXECUTIV-COMMISSION eingesetzt werden solle. Dieselbe bestand
aus dem Hofrath Patje, Hofrichter v. Bremer, Landrath v. Meding,
Postdirector v. Hinüber und Landesöconomierath Meyer. Dieser
Commission wurde aufgegeben, alle Befehle und Beschlüsse des
commandirenden Generals zu vollziehen. Außerdem wurde der
Französische Bürger Dürbach, Schwager Mortier's, als Commissär des
Gouvernements bestellt, welcher alle Befehle des Generals
____________________
*) Historische Berichtigung. 2, Heft S. 172.
**) Mündliche Mittheilung des verstorbenen Pastors Focke zu St.
Georg.
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an die Executiv-Comission gelangen ließ und ihr die Anweisungen
ertheilte, welche zu deren Ausführung nöthig waren. Alle Ausgaben
jeglicher Art wurden durch denselben nach Genehmigung des Generals
autorisirt; er halte die Befugniß, so oft es ihm beliebte, den
Sitzungen der Commission beizuwohnen, und dann führte er den
Vorsitz. Außerdem hatte ein Landes-Deputations-Collegium - wie oben
bemerkt ist, am 2. Juni von der Churfürstlichen Regierung eingesetzt
- seinen Sitz in Hannover, welches aus sechzehn Mitgliedern bestand
und alle inneren Angelegenheiten des Landes leitete. Wie sodann die
Französische Regierung des Churlandes verfuhr, welche Erpressungen
sie sich erlaubte, soll in dem Folgenden nur an dem Herzogthum
Lauenburg nachgewiesen werden, und zwar nach den reichhaltigen
Aufschlüssen, welche die Acten aus jener Zeit darbieten. Das
gesammte Churland aber berechnete die erpreßten Gelder für
Besoldung, Bekleidung und Ausrüstung der immer vermehrten und wieder
erneuten Französischen Truppen vom Juni bis December 1803 auf
siebzehn bis achtzehn Millionen Franken, da die jährlichen Einkünfte
des Staats kaum fünf Millionen Thaler betrugen. *) Dazu kam die
drückende Einquartierung, sowie die Raubgier und schamlose
Verschwendung der Offiziere überhaupt und der Generäle insonderheit,
unter denen sich nur der General Dessolles in Osnabrück und der
General Desair in Lüneburg durch biederen Charakter,
Uneigennützigkeit und Schonung der Einwohner auszeichneten. Man kann
sich jedoch über jenes Erpressungs-System der Franzosen wahrlich
nicht wundern, wenn man bei Bignon die Worte lies’t **): "Diese
Besitznahme Hannovers
____________________
*) Das Churfürstenthum Hannover unter den Franzosen 1803-5. S.
45.
**) Geschichte Frankreichs von 1799 bis 1807. III. Cap.
29.
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hat trotz der Mängel ihre entschiedenen Vortheile gewährt, und wenn
man von dem rechten Gesichtspunkte ausgeht, daß das NEUE FRANKREICH
SICH NUR DURCH GEWALT GEGEN DAS ÜBRIGE EUROPA in Ansehn zu erhalten
im Stande war, so war die Ansicht des ersten Consuls ebenso treffend
als großartig, indem er mit einem Male die Kraft seines Staates in
ihrer möglichsten Ausdehnung und Entfaltung anzuwenden sich
bestrebte. Dieser ausgesprochene Grundsatz wird zehn Jahre ohne
Widerrede bleiben, ja er wird nie aufhören, seine Anerkennung zu
finden." Das neue Frankreich unter Bonaparte hat also nicht bloß
nothwendig, sondern sogar mit Recht ein System der Gewalt und des
Druckes durchführen müssen, das ist Bignon's Ansicht.
____________________
Kehren wir also jetzt zurück zu der Occupation des Herzogthums
Lauenburg durch Französische Truppen. Die 48. Halbbrigade unter
Commando des Generals Drouet und des Obersten Arnaud (bald darauf
zum General ernannt) blieb einige Tage, so lange die Auflösung der
Hannoveraner betrieben wurde, in und um Lauenburg stehen. Der
General Drouet erklärte darauf am 12. Juli dem Landesdeputirten
Herrn v. Bülow auf Wehningen, daß er seine 400 Mann Cavallerie
(zweites Husaren-Regiment) in Mölln zusammen zu haben wünsche; den
größten Theil der Infanterie wolle er in dem ganzen Herzogthum
vertheilen, und zwar, um Unordnungen zu verhüten, Compagnieweise. Er
verlangte deswegen ein Verzeichniß von allen Häusern in den Städten,
Aemtern und adlichen Gütern, welche bequartiert werden könnten, auch
begehrte er, daß ihm das von den Hannoveranern in Mölln angelegte
Lazareth überwiesen werde. Die Ritter- und Landschaft wandte sich
daher an die Regierung und bat um Autorisation, fragte aber zugleich
an, da in den übrigen Fürsten-
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thümern und Städten des Churlandes den Französischen Commandanten
Geschenke an Pferden gemacht werden müßten, ob dasselbe auf den
General Drouet Anwendung finden dürfte. Auch müßte wohl eine
Vorkehrung wegen der Tafel des Generals getroffen werden. Zugleich
wurde vorgeschlagen, die Casernen in Ratzeburg für die Französischen
Truppen in Stand zu setzen. Die Regierung rescribirte am 13.
Juli,
und committirte den Herrn v. Bülow und den Regierungssecretär
Schubert zur Untersuchung, auf welche Weise 400 Husaren in Mölln
untergebracht werden könnten. Man fand, daß es durchaus an Stallraum
fehlte. Weil nun der General Drouet durchaus nicht von seiner
Forderung abließ, so wurde der Oberförster v. Uslar zu Hahnenburg
mit dem Bau eines genügenden Stalles für 450 Husaren-Pferde
beauftragt. Derselbe berichtete am 19. Juli, wie ein solcher Stall
auf dem Stadthauptmanns-Hofe erbaut werden könnte; zugleich legte er
Riß und Anschlag bei, welcher sich auf 3000 Rthlr. belief. Die
Regierung genehmigte in Uebereinstimmung mit der Ritter- und
Landschaft den Bau am 30. Juli, und befahl, denselben in größter
Eile auszuführen.
Ebenfalls war dem Regierungssecretär Schubert aufgegeben worden,
wegen des verlangten Lazareths mit den Hannöverschen Offizieren in
Unterhandlung zu treten. Der Oberst Löw v. Steinfurt, Flügeladjutant
des Feldmarschalls, gab die Versicherung, daß das Gesuch der
Regierung und der Landschaft, die Hannöverschen
Hospital-Geräthschaften für ein Französisches Hospital zu verwenden,
bei der Hannöverschen Behörde keinen Anstoß finde. Es wurde daher
der landschaftliche Secretär Elten beauftragt, das
Hospital-Inventarium in Empfang zu nehmen. In Folge dessen übergab
ihm der Hannöversche Hospital-Chirurg Taberger das Magazin des
Lazareths, worüber Elten am 15. Juli an die Regierung mit dem
Bemerken
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berichtete, daß vieles von dem Geräthe defect sei. Darauf verlangte
der Französische Kriegscommissär Jovène, daß das Hospital für
hundert Kranke eingerichtet werden müsse. Man erkannte aus dieser
Forderung leicht, daß damit nur eine Geld-Prellerei beabsichtigt
werde, denn das Hospital war für das Hannöversche Corps, welches
notorisch viel stärker gewesen war, als die dermaligen Französischen
Besatzungtruppen im Herzogthum Lauenburg diesseits der Elbe,
hinreichend gewesen. Die Regierung nahm daher am 24. Juli die
Lazareth-Angelegenheit in Berathung, zu welcher sie auch den
Landsyndicus Walter einlud. In dieser Sitzung wurde Folgendes
beschlossen:
1) daß Mölln der geeignetste Ort zu einem Hospital sei;
2) daß dem
Französischen Commissär das Hospital-Magazin, mit Ausschluß der
chirurgischen Instrumente, welche in vier Kasten verpackt waren, zu
überliefern sei; 3) solle der Regierungssecretär Schubert nach Mölln
gehen, um mit dem dortigen Magistrat und dem Französischen Commissär
in Unterhandlung zu treten, wobei er zugleich dem ersteren die
Versicherung zu geben habe, daß die Regierung über die Kosten,
welche die Einrichtung des Hospitals verursachen werde, mit der
Ritter- und Landschaft Verabredungen einleiten werde; 4) solle der
Mölln'sche Magistrat autorisirt werden, die entstehenden Kosten,
sowie ein don gratuit an den Commissär Jovène, einstweilen aus der
Cämmerei-Casse vorzuschießen. Darauf schlug auch noch der
ritterschaftliche Deputirte, Baron v. Hammerstein, der Regierung
vor, dem General Drouet dringende Vorstellungen zu machen, daß der
von dem Commissär verlangte Umfang des Hospitals, im Verhältniß zu
der Anzahl der ins Lauenburgische verlegten Truppen, durchaus
übertrieben sei, und daß dem Magistrat in Mölln mitzutheilen sei,
daß die Stadt auf die zu verwendenden Kosten eine Vergütung vom
ganzen Lande zu erwarten habe.
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Der Regierungssecretär Schubert berichtete dann unterm 26. Juli an
die Regierung über seine Unterhandlungen mit dem Mölln'schen
Magistrate wegen der Hospital-Angelegenheit. Man hatte es angemessen
gefunden, die Stadthauptmanns-Wohnung, sowie ein gegenüberliegendes
unbewohntes Haus, wenn jene etwa nicht zureichend gefunden werden
möchte, zur Errichtung des Hospitals zu verwenden; das an der
Einrichtung noch fehlende Material könne vielleicht um einen mäßigen
Preis in Lüneburg, wo ein fliegendes Hospital gewesen sei, angekauft
werden. Dem Commissär Jovène sei, um ihn von seiner übertriebenen
Forderung herabzustimmen, ein don gratuit von etwa
20 Pistolen zu
geben. Zugleich versprach der Magistrat, alle Vorschüsse aus der
Cämmerei-Casse zu leisten und die Rechnung über die erwachsenden
Kosten zu führen. In einem zweiten Berichte vom 28. Juli erklärte
Schubert, daß der Französische Commissär mit der
Stadthauptmanns-Wohnung nicht zufrieden sei; er behaupte, sie sei zu
klein, und wenn auch das gegenüberliegende Haus hinzugenommen werde,
so fehle noch der Raum für mehr als 30 Kranke. Schubert erkannte nun
zur Genüge, worauf es Jovène abgesehen habe, und fing deshalb über
ein don gratuit mit ihm zu unterhandeln an. Da erklärte aber dieser,
daß er noch mehrere andere Personen für den bezeichneten Zweck, d.
h. den geringeren Umfang des Hospitals, in sein Interesse ziehen
müsse, und daß dies nicht ohne Opfer geschehen könne. Schubert bot
also 20 Pistolen an. Mit affectirtem Erstaunen verwarf Jovène eine
so geringfügige Summe und versicherte, daß man denjenigen, welche
für den vorliegenden Zweck zunächst zu stimmen wären, schon mehr als
diese Summe werde anbieten müssen. Er setzte noch hinzu, daß seine
Erkenntlichkeit auch davon abhängen werde, welche Forderungen er in
Absicht des Hospital-Geräthes machen werde. Auf eine solche Unver-
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schämtheit sich weiter einzulassen, sah sich Schubert außer Stande.
Er fragte daher bei seiner Regierung an, ob man sich nicht an den
Französischen Ordonnateur Michaud und allenfalls an den General
Mortier selbst wenden wolle. Uebrigens hatte Jovène erklärt, er
werde selbst nach Ratzeburg gehen und dort die Verhandlung weiter
führen. Deswegen lud Schubert den Rathmann Dahm ein, ebenfalls nach
Ratzeburg zu kommen, gab ihm aber zugleich auf, 40 bis
50 Louisd'ors
mitzubringen.
Die Regierung beauftragte indessen am 29. Juli den Commissär v.
Reiche, welcher zu jener Zeit die Landes-Casse verwaltete, nach
Mölln zu gehen, theils um mit dem Französischen Commissär in der
Hospital-Angelegenheit zu verhandeln und nöthigenfalls ihn durch Geld
zu billigeren Forderungen herabzustimmen, theils um sichere
Nachrichten über die Prätensionen des Französischen Militärs
überhaupt einzuziehen. Außerdem sollte er dem Magistrat die Befugniß
ertheilen, wofern kein Geld mehr in der Cämmerei-Casse vorräthig
sei, eine Anleihe zu machen, denn das Hospital werde dem ganzen
Lande gemeinschaftlich zur Last fallen. Es wurde aber auch dieser
Kostenpunkt am 6. August mit der Ritter- und Landschaft definitiv
abgeschlossen. Inzwischen berichtete der Commissär v. Reiche am
4.
August, daß er mit dem Juden Nachmann Meyer einen Contract über
Lieferung der Französischen Hospital-Requisite abgeschlossen habe.
Und dieser Contract wurde am 5. August von der Regierung ratifizirt.
Zugleich wurde dem Commissär v. Reiche aufgegeben, dem Jovène
Vorstellung zu machen, daß er selbst sich bei der Landschaft
verwenden werde, ihm ihre Erkenntlichkeit im Verhältniß mit der
Billigkeit seiner Forderungen zu bringen. Seitdem ist nur noch die
Rede von vierzig Betten, jedoch mit dem Zusatz - also Grund zu neuen
Erpressungen, - wenn noch zwanzig Betten nöthig sein sollten,
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so müsse man auch dazu Rath schaffen. Daß aber Jovène die 50
Louisd'ors wirklich erhalten hat, wird sich später ergeben.
Nach solchen Vorgängen erhielt die Lauenburgische Regierung über die
Hospital-Angelegenheit Aufschluß aus Hannover. Sie schrieb daher am
15. August an v. Reiche nach Mölln:
"Wir haben zu unserem Befremden
aus einem heute von den landständischen Deputirten zu Hannover
eingegangenen Berichte ersehen, daß des Generals Mortier Absicht gar
nicht sein soll, ein Lazareth in Mölln anzulegen, und Ihr werdet aus
dem Anschluß ersehen, daß kein Lazareth eher eingerichtet werden
darf, als bis über die damit verknüpften Kosten ein Anschlag
aufgestellt und dem commissaire du gouvernement (Dürbach) vorgelegt
und von ihm ratifizirt worden ist. Es muß also sofort mit der
Einrichtung des Hospitals eingehalten und der Jovène aufgefordert
werden, seine Vollmacht zu produziren." Das Letztere muß dann in der
That geschehen sein, denn Herr v. Reiche sandte am 20. August die
Originalbefehle von den Ordonnateurs Michaur und Bourdon, auf
Veranlassung des Generals Drouet, zur Errichtung eines Hospitals in
Mölln ein. Es war nicht die Art jener verhungerten und beutegierigen
Republikaner, sich einander im Stiche zu lassen. Das Hospital wurde
daher auch aufs Kostspieligste angelegt und besetzt. Deshalb waren
bereits am 3. August drei Aerzte vom Militär-Hospital in Lüneburg
nach Mölln beordert, Namens Bonnot, d'Hudnoy und Mallet; dazu wurde
ein chirurgien en chef Migbot und ein pharmacien en chef
Juerette, sowie
ein Directeur des Hospitals Delamarre und dessen Adjoint Ferrino
angestellt; Zahl und Namen ihrer Unterbeamten kommen nicht vor. Alle
diese Angestellten mußten nicht bloß besoldet, sondern auch noch
beschenkt werden, um sie bei guter Laune zu erhalten. Es ist daher
sehr begreiflich, daß der Mölln'sche Magistrat unterm 18. August bei
der
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Regierung Klage erhob über zu große Belastung der Stadt, wobei
zugleich erwähnt wird, daß man zur Verminderung der angedrohten
Forderungen dem Directeur Delamarre, sowie seinem Adjoint Ferrino,
ein Douceur von 30 Rthlr. nothwendig hätte geben müssen.
Gleicherweise berichtete Herr v. Reiche über die vom Apotheker
Schröder an das Hospital geleistete Arzenei-Lieferung, deren
Rechnung sich bis zur Mitte des Monats August schon auf 438 Rthlr.
belief. Alles der Art mußte von dem Magistrat herbeigeschafft und
ausbezahlt werden. Es wird also nicht überraschen, daß der Commissär
v. Reiche am 23. September an die Regierung schrieb, der Magistrat
könne ferner keine Vorschüsse für das Hospital übernehmen, weil er
keinen Credit mehr habe; die Regierung werde also ersucht, dem
Magistrat die Zusicherung zu ertheilen, daß demselben die bereits
vorgeschossenen und etwa noch vorzuschießenden Gelder sobald als
möglich wiedererstattet würden. Dieser Antrag wurde von der
Regierung bewilligt, allein die Anweisung wurde erst am 5. Januar
1804 ertheilt.
Während dieser traurigen Verhältnisse verlangte der Französische
Commissär Challer, nach einem Berichte des Herrn v. Reiche vom
26.
November, ein separirtes Hospital für Soldaten, welche mit der
Krätze und sonstigen ansteckenden Krankheiten behaftet wären, und
requirirte dazu das Haus des Amtsvogts Heinemann, und Tags darauf
sogar auch das Rathhaus. Herr v. Reiche brachte den Challer endlich
dahin, sich das Haus des jüngeren Bäckers Heuer gefallen zu lassen,
und sandte den Anschlag über die Einrichtung desselben an die
Regierung ein, bemerkte aber dabei, daß der Magistrat kein Geld
weiter vorschießen wolle. Herr v. Reiche wandte sich deshalb an das
Landes-Deputations-Collegium in Hannover. Ueber die gepflogenen
Verhandlungen liegt nichts vor; wir erfahren nur, daß das
Landes-Deputations-Collegium
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mit dem Kaufmann Hans Haase und dem Citoyen Louvin einen Contract
über die Verpflegung der in den Hospitälern hiesigen Landes
aufzunehmenden Kranken abgeschlossen hat. Daß aber das Heuersche
Haus wirklich zu einem Hospital verwandt und eingerichtet worden
ist, geht aus der Klage des Besitzers auf Entschädigung, als im
folgenden Jahre 1804 die Hospitäler in Mölln aufgehoben waren,
hervor.
Da sich das Landes-Deputations-Collegium in Hannover, auf Antrag des
Herrn v. Reiche, der Hospital-Angelegenheit angenommen hatte, so
hielt es der Mölln'sche Magistrat für räthlich, sich am 19. October
an dasselbe Collegium mit einer Erläuterung der durch die
Französische Occupation der Stadt bis zum 12. September erwachsenen
Kriegskosten zu wenden. Dazu wurde aber gerechnet, was der Stadt
allein zur Last gefallen sei, nämlich die Speisung der Französischen
Offiziere im Gasthause, weil sie eben nur in Gesellschaft hätten
speisen wollen; ferner die häufigen Douceurs, unter denen 50
Ld'ors.
für Jovène aufgeführt wurden; dazu habe man an den Obersten Serret
zehn Ellen blaues Tuch zur Kleidung geben müssen, im Betrage von
95
Mark; ferner gehörten dahin 500 Rthlr. für die Pflasterung des
Pferdestalls für die Husaren; dazu 216 Rthlr. für Hufbeschlag,
endlich das für das Hospital gelieferte Brennholz; überhaupt habe
die Cämmerei bereits 8000 Rthlr. aufgenommen und darunter
4500
Rthlr. in Lübeck zu 6 pCt. - Ueber die Kosten der Stallpflasterung
und des Hufbeschlags hatte der Magistrat sich schon am 3.
September
bei der Regierung in Ratzeburg beschwert und hatte am 6. September
den Vorwurf entgegennehmen müssen, daß derselbe deswegen nicht
angefragt, sondern sich der Requisition des Oberstlieutenants Chygny
unterworfen habe, da doch der General Drouet die Pflasterung gar
nicht verlange und Hufbeschläge von den Husaren-Compagnien selbst
beschafft werden
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müßten. Demungeachtet berechnete der Magistrat der Landes-Deputation
bis zum 12. September 1803 eine Ausgabe von
13,890 Mark. Der Erfolg
dieser Beschwerdeführung ist unbekannt. Es liegt aber eine gedruckte
Verordnung der Lauenburgischen Regierung vom 29. October vor, welche
vielleicht aus jener Mölln'schen Beschwerde über die Beköstigung der
Offiziere hervorgegangen ist, wenigstens scheint das nachherige
Benehmen der Offiziere davon Zeugniß zu geben. Die Verordnung lautet
also: Auf die dem General Arnaud gemachten Vorstellungen über den
kostbaren Unterhalt der Französischen Offiziere habe er an
sämmtliche unter seinem Commando im Herzogthum stehenden Offiziere
nachstehenden Befehl erlassen: Die Subaltern-Offiziere dürften
täglich fordern, zum Frühstück: Kaffee oder Thee, Butter und Brod;
zum Mittagessen: Suppe, Gemüse mit Fleisch, eine Fleischschüssel
oder Fische; zum Abendessen: zwei Gerichte. Ferner eine Flasche
ordinären Wein des Mittags und eine des Abends, wöchentlich aber
eine Flasche Branntwein. Alle übrigen Requisitionen der Offiziere
oder deren Frauen und Bedienten sind aufs Strengste verboten, auch
sollen sie keine fremde Offiziere zu sich einladen und Gastmahle
geben. Allein von militärischer Subordination und Disciplin scheinen
in dem republikanischen Heere gar sonderbare Begriffe geherrscht zu
haben, denn die Offiziere kümmerten sich nicht im Mindesten um den
Befehl ihres Generals, im Gegentheil, sie gingen in ihrem Uebermuthe
noch weiter. Es berichtet nämlich der Mölln'sche Magistrat am 28.
November nach Ratzeburg, wie er sich keineswegs bei der
Offiziers-Beköstigung auf den erlassenen Befehl berufen könne; die
Herren behaupteten, daß sie sich in Feindes Land befänden, wo sich
der Offizier auf diese Weise nicht abspeisen lasse, sondern mehr als
in seinem eigenen Lande verlange; sie weigerten sich daher, ihre
Speiserechnungen zu unterschreiben, und verlangten jetzt
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auch noch, nach aufgehobener Mittagstafel, im Gasthause Kaffee und
Pfeifen nebst Taback. Bei dieser Gelegenheit wird zugleich erwähnt,
daß Ratzeburg darin glücklich sei, durch die Regierung eine kräftige
Unterstützung gegen feindliche Gewaltthätigkeit zu haben. Mölln
scheint überhaupt hart mitgenommen zu sein, wie sich aus einem
Berichte an die Regierung vom 17. December 1803 entnehmen läßt, in
welchem nachgewiesen wird, daß die Stadt bis dahin schon 47 Faden
Holz an das Hospital geliefert habe, und sich die seit dem 1.
August
aufgenommenen Capitalien bereits auf 33,100 Mark beliefen.
Es scheint hier der Ort zu sein, noch einige Belege aufzuführen, aus
welchen ersichtlich ist, wie groß der Mangel an Disciplin in der
Französischen Occupations-Armee gewesen ist. Am 6. Juli berichtete
der Pastor Block zu Hittbergen an das Consistorium, es habe am
3.
Juli das erste Bataillon der 100. Halbbrigade in Hittbergen Quartier
genommen; die Kirche habe zum Wachthause eingeräumt werden müssen.
Bei dieser Gelegenheit sei der Gotteskasten erbrochen und der
Klingebeutel, woran eine silberne Schelle gewesen, geraubt worden.
Des Pastors Klage bei dem Obersten Delessard sei durchaus vergeblich
gewesen. Ferner zeigt die Dorfschaft Breitenfelde am 24. Juli an, es
wäre am 20. Juli eine Compagnie Fußvolk bei ihr eingerückt, deren
Hauptmann am 22. dem Dorfe befohlen habe, für ihn
280
zusammenzubringen; er habe die Summe erhalten, allein nicht quitiren
wollen. Am 26. Juli wird aus Woltersdorf gemeldet, daß der Capitain
Dumas von der 48. Halbbrigade Tages zuvor angekündigt habe, er sei
beordert, 40 Mann nach Woltersdorf zu verlegen. Es sei ihm darauf
entgegnet, der Ort bestehe nur aus sechs Wohnungen und
daher wären 40 Mann nicht unterzubringen; er habe sich jedoch auf
15
Mann herabstimmen lassen, wenn ihm sogleich 25 Paar Schuhe oder
anstatt dieser, das Paar zu
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2 Gulden gerechnet, 100
Mark N. 2/3 ausbezahlt würden; das Geld sei ihm
bezahlt, aber eine Quitung sei nicht zu erhalten gewesen. Dumas
hatte also wenigstens noch eine Form für seine Erpressung zu finden
gewußt. Und solche Gewaltthätigkeiten konnten ungestraft geschehen,
obgleich am 15. Juni vom Landes-Deputations-Collegium
ein Schreiben zur Mittheilung an alle Obrigkeiten des Landes
eingegangen war, wornach alle Beamte bei persönlicher
Verantwortlichkeit angewiesen waren, überall keine Requisitionen
anzuerkennen und zu befolgen, welche nicht vom General Berthier oder
dem commissaire ordonnateur de l’armée unterzeichnet
und approbirt worden wären. Sogar noch am 4. August
1804 gelangte eine dringende Beschwerde an die Regierung.
Ein Husaren-Offizier trieb in den Dörfern am Schallsee eigenmächtige
Requisitionen ein und hatte unter anderem von der Frau Schulte auf
Niendorf unter argen Mißhandlungen 80 Ld'ors erpreßt.
Die Regierung wandte sich an die Generäle Drouet und Marisy um
Beistand, ob aber mit Erfolg, ist nicht bekannt.
Dies führt uns nun zu den Leistungen, welche von dem Herzogthum
Lauenburg als Bestandtheil des Churstaats gefordert wurden. Schon am
20. Juni 1803 erklärte die
Landes-Deputation in Hannover der Lauenburgischen Regierung, daß sie
wünsche, es möchten nur die Städte mit Einquartierung belegt werden,
damit der Landmann in seinen Geschäften keine Störung erleide. Die
Regierung führte dagegen an, daß in den drei kleinen Lauenburgischen
Städten höchstens 1000 Mann untergebracht werden
könnten, es dürften also die Landbewohner durchaus nicht zu
verschonen bleiben. Daher waren auch schon die Hannöverschen Truppen
nach ihrem Elbübergange zum größeren Theile in den Dörfern des
südlichen Theiles des Landes untergebracht; nur die Artillerie und
Cavallerie standen in Lagern. Als dann immer gewisser wurde, daß die
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Französischen Truppen auch das Lauenburgische Gebiet diesseits der
Elbe occupiren würden, schrieb die Regierung am 2.
Juli an die Ritter- und Landschaft, daß sie am Tage zuvor an das
damals noch in der Stadt Ratzeburg verweilende Königliche
Staatsministerium einen Antrag wegen der obschwebenden
Landes-Verhältnisse gestellt, aber keine Antwort erhalten habe,
woraus zu schließen sei, daß die Angelegenheiten des Landes von nun
an ihrer Pflicht und ihrem Gewissen anheimgestellt seien. Sie
genehmigte daher, daß eine Deputation aus der Ritter- und Landschaft
an den Französischen General geschickt werde, um ihn um möglichste
Schonung des Landes anzugehn. Es scheint, als ob der Baron v.
Hammerstein auf Castorf zu dieser Mission erwählt wurde; ob ihn aber
noch andere Deputirte begleitet haben, ist nicht nachzuweisen, und
scheint auch nicht der Fall gewesen zu sein, denn er allein theilte
am 12. Juli aus Hannover der Regierung einige Notizen
über die Aufnahme und Verpflegung der Französischen Truppen mit.
Darunter findet sich auch die Bemerkung, daß alle größeren Städte
des Churlandes ihren Commandanten oder die Landschaften den in
denselben commandirenden Generälen Geschenke gemacht hätten. Sollte
dies Benehmen auch auf den General Drouet, welcher zu der Zeit sein
Hauptquartier in Ratzeburg hatte, eine Anwendung finden, so müßte
sich das Geschenk wenigstens auf 1000 bis 2000
Rthlr. erstrecken. Zugleich berichtet der Baron, daß das
Landes-Deputations-Collegium bis jetzt schon 500,000
Rthlr. Gold zur Deckung der Ausgaben, welche für die Aufnahme der
Französischen Truppen erforderlich gewesen wären, ausgeschrieben
habe, welche Summe von den sämmtlichen Landschaften aufgebracht
werden müßte. Es würden aber für den laufenden Monat noch
300,000 Rthlr. erforderlich werden, deren Aufbringung von
den Landschaften zu erwarten sei. Die Landes-Deputation habe alsdann
das
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Geld aufnehmen wollen, allein von dem Französischen Gouvernement zur
Antwort erhalten, es solle das Geld ausbezahlt werden, und zwar
unter der Bedingung, daß sämmtliche Landschaften des Churstaats
solidarisch hafteten. Die Hoya'sche Landschaft habe dieses Ansinnen
abgelehnt, und auch er (der Herr v. Hammerstein) habe erklärt,
Lauenburg würde sich ausschließen, weil man das betreffende Quantum
dort unter annehmlicheren Bedingungen werde anleihen können.
Dieser Antrag wurde auf dem am 2. Sept. zu Hannover
eröffneten Landtage erneuert. Die Executiv-Commission ließ nämlich
durch den Hofrichter v. Bremer dem Landtage eröffnen, daß der
Regierungs-Commissär Dürbach erklärt habe, es gehe die Absicht dcs
Obergenerals Mortier dahin, daß sämmtliche Abgeordnete der Stände
dem Landes-Deputations-Collegium eine unbeschränkte Generalvollmacht
ertheilen möchten, diejenigen Summen, welche die Bedürfnisse der
Occupations-Armee erfordern würden, auf Landes-Credit aufzunehmen.
Diesem Verlangen hätten sich bereits sämmtliche Landschaften mit
Ausnahme der Lauenburgischen unterworfen. Die Lauenburgischen
Abgeordneten hätten dagegen erklärt, daß sie nach eingeholter
Instruction ihrer Landschaft nach Hannover zurückkehren würden.
Deswegen hielt die Lauenburgische Ritter- und Landschaft am
20. Sept. einen Convent, dessen Majorität sich dahin
erklärte, daß die Vollziehung der geforderten Vollmacht nicht
verweigert werden dürfte und könnte, ohne das Herzogthum den
nachtheiligsten Verfügungen des Französischen Gouvernements bloß zu
stellen. Der Landmarschall v. Bülow werde daher mit dieser Erklärung
am 23. Sept. nach Hannover zurückzugehen haben.
Inzwischen ersuchte die Ritter- und Landschaft die Regierung, sich
in Betreff des Beitritts Lauenburgs zu dem Hannöverschen
Anleihe-Geschäfte beistimmend zu erklären oder der Ritter- und
Landschaft sonstige Eröffnungen zu machen.
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Hierauf erwiderte die Regierung am 22. Sept., daß sie
einsehe, es könne sich die Lauenburgische Ritter- und Landschaft der
von den übrigen Landschaften bereits eingegangenen Verbindlichkeit
nicht entziehen.
Indessen war schon früher, unterm 6. Juli, ein
Schreiben von der Executiv-Commission in Hannover bei der
Lauenburgischen Regierung eingegangen, worin es hieß, auf Anlaß des
Regierungscommissärs Dürbach werde in Hannover eine Generalcasse
angeordnet werden, worüber der Commissär Eisendecher zum
Rechnungsführer provisorisch bestellt sei. In diese Casse solle jede
landschaftliche, sowie die Cammercasse, auf besondere Anweisung der
Executiv-Commission ihre Ueberschußgelder abliefern. Außerdem
sollten in diese Casse alle Gelder fließen, welche bisher von den
Landes-Intraden an die Kriegscasse geliefert worden wären. Aus
dieser Generalcasse werde Eisendecher nichts auszahlen, als was von
der Executiv-Kommission mit Genehmigung Dürbachs angewiesen sei.
Diese Casse solle der Rechnungsführer jeden Abend abschließen und am
folgenden Morgen vor zehn Uhr der Executiv-Commission den
Cassenbestand melden. Darnach verlangte unterm 13.
Juli diese Commission auf Andringen Dürbachs einen detaillirten Etat
von sämmtlichen Einnahmen und Ausgaben; außerdem müsse jede Woche
ein Extract über Einnahme und Ausgabe eingesandt werden; endlich
sollten schleunigst neue, sehr erhöhete, Steuern im Lande
ausgeschrieben werden. Zufolge dieses Befehls beauftragte die
Regierung Lauenburgs den Commissär v. Reiche, einen solchen Etat der
Einnahme und Ausgabe zu entwerfen. Dieser berichtete dann am
18. Juli, daß die monätliche ordinäre Einnahme sich auf
1413 Rthlr. 31 Mgg. 1 Pfg.
belaufe, davon gingen ab an monatlichen Ausgaben 517
Rthr. 2 Mgg. 2 Pfg., es bleibe also
monatlich ein Ueberschuß von 896 Rthlr. 28
Mgg. 7 Pfg. Am Schlusse des Jahres gingen
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bei der Receptur an ertraordinärer Contribution 2597
Rthlr. 32 Mgg. 3 Pfg. ein, davon gingen
ab an Ausgaben 158 Rthlr. 7 Mgg. 3
Pfg., mithin bleibe ein Ueberschuß von 2439 Rthlr.
25 Mgg. Alle Kräfte des Landes wurden durch systematisch
vertheilten Druck in Anspruch genommen, um die Befehlshaber zu
bereichern und ihnen zu einem wollüstigen Leben zu verhelfen, das
immer erneute Occupations-Heer zu nähren, zu besolden, zu bekleiden
und auszurüsten, denn anstatt der ausgerüsteten Soldaten rückten
stets wieder abgerissene und verhungerte ins Land ein. Diese
finanzielle Ausbeutung legte einen unendlichen Druck auf das Land,
weshalb am Ende des ersten Jahres die Herren v. Ramdohr und v.
Hinüber als Deputirte mit Klagen an den Consul Bonaparte gesendet,
aber nur mit den schön klingenden Worten abgefertigt wurden: "Ich
will nicht, daß das Hannöversche Volk gedrückt werde; ich will, daß
der Name Franzosen in ihrem Lande geliebt sei;" - denn es trat keine
Aenderung ein. Aber noch schlimmer als dieser finanzielle Druck war
das vergiftende Beispiel und der Einfluß der ruchlosen Republikaner
auf die altväterischen Sitten und die Unverdorbenheit des Volks,
welches die frivolen Eindringlinge mit frechen Händen zu civilisiren
bemüht waren.
Wenn oben gezeigt ist, mit welchem Uebermuth sich die Französischen
subalternen Offiziere im Lande betrugen, so ist dies nicht zu
verwundern, wenn man die Anmaßungen der höheren Befehlshaber kennen
lernt; und doch hatte Lauenburg das Glück, nicht den General Pactod
zu beherbergen. Am 11. Juli 1803 Abends
erschien bei dem Amtmann Hornbostel in Lauenburg ein Französischer
Offizier und kündigte den General Drouet, Commandirenden im
Lauenburgischen, nebst seinem Stabe bei ihm an. Er verlangte eine
Tafel für 15 Personen, welche gut besetzt sein müßte,
desgleichen für sämmtliche Bedienten und Aufwärter Bewirthung. Der
General traf am
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12. Juli mit seinem Gefolge ein; zugleich erschien
eine Stabswache von achtzehn Grenadieren und nahm förmlich Besitz
von dem Amtshause. Der Amtmann nahm indessen Rücksprache mit dem
Magistrat über die Herbeischaffung der Lebensmittel; es wurden daher
für kleine Ausgaben sogleich 200 Rthlr. angeliehen und
beschlossen, die übrigen Erfordernisse zur Verpflegung des Generals
auf Rechnung zu nehmen. Darnach erfolgte am 12. Sept.
ein Bericht des Amtmanns Hornbostel an die Regierung folgenden
Inhalts: Der General Drouet sei zum Divisionsgeneral ernannt und
habe am 6. Sept. sein Hauptquartier von Lauenburg nach
Celle verlegt. Anstatt seiner sei der Oberst Arnaud Brigadegeneral
und Commandirender im Lauenburgischen geworden. Zugleich führt der
Amtmann an, des Generals Drouet Tafel habe täglich ungefähr 22
Thlr. gekostet, allein die des Generals Arnaud werde noch höher zu
stehen kommen, da er auch noch Frau, Tochter und Sohn mitgebracht
habe. Auch habe er seinen eigenen Koch, welcher das Mittagsmahl auf
sieben Schüsseln und Dessert, das Abendessen auf fünf bis sechs
Schüsseln anrichten werde. Auf Veranlassung der Regierung schickte
das Amt Lauenburg am 21. Sept. die Kosten-Rechnung der
Verpflegung des Generals Drouet ein, welche für den 57tägigen
Aufenthalt 1518 Rthlr. 35 Schill. N.
2/3 ergab. Außerdem wurde bemerklich gemacht, daß die
häufigen Wäschen von Tisch-, Bett- und Handtüchern große Kosten
verursacht hätten, daß viel Porcellain zerbrochen, Silbergeräth und
Leinenzeug gestohlen sei, so daß dieser Verlust auf mehrere hundert
Thaler anzuschlagen sei. Aehnliche Beschwerden und Klagen reichte
der Amtmann Fortmann zu Lauenburg am 13. Juli über den
General Marisy und seine Umgebung ein. Auf diese Berichte
rescribirte die Regierung am 19. Juli an das Amt
Lauenburg, von den durch die Anwesenheit der Französischen Generale
veranlaßten Kosten ein
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detaillirtes, wo möglich von einem der Generale oder einem
Stabsoffizier attestirtes, Verzeichniß an die Ritter- und Landschaft
einzusenden. Der Ausgang dieser Angelegenheit ist unbekannt.
Ist nun über das Benehmen der Französischen Offiziere im hiesigen
Lande mitgetheilt worden, was sich aus den uns erhaltenen Quellen
ergiebt, so wird es nicht unangemessen sein, einen Bericht über die
Stärke der Französischen Occupations- Truppen folgen zu lassen. Am
13. Juli 1803 wandte sich die
Lauenburgische Regierung an den bisherigen Minister v. d. Decken und
theilte ihm mit, daß der General Drouet Tags zuvor sein Quartier in
der Stadt Lauenburg genommen und einen Befehl des Generals Mortier
überreicht habe, nach welchem 2000 Mann in das
Herzogthum verlegt werden sollten. Die Regierung bat daher den
Minister, eine Verringerung dieser Truppenzahl zu bewirken, da das
Land eine solche Last zu tragen nicht im Stande sei. Dieses Gesuch
wurde dadurch motivirt, daß die drei Städte zusammen etwa 600
Häuser hätten, daß die unbemittelten Bürger sich kümmerlich
von ihren Handwerken und einigen Ländereien ernährten. Von den fünf
Aemtern hätten Schwarzenbeck und Lauenburg schon durch die dort
concentrirte Aufstellung der Hannöverschen Truppen stark gelitten
und müßten deshalb geschont werden. Das Amt Neuhaus werde
wahrscheinlich seiner Lage wegen gar nicht belegt werden, mithin
blieben nur die Aemter Ratzeburg und Steinhorst übrig, welche aber
auch schon durch die Hannöverschen Kriegs-Fuhren gelitten hätten. Es
sei also ersichtlich, daß die Französischen Truppen bei einer
unverhältnißmäßigen Einlagerung an ihrer Verpflegung würden leiden
müssen. Es wurden daher 1200 Mann in Antrag gebracht.
Indessen hatte der General Drouet zugleich von den Landständen ein
Verzeichniß der sämmtlichen quartierfähigen Häuser in den
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Städten und auf dem Lande verlangt und es erhalten. Darauf bezieht
sich unstreitig das im Rathsarchiv aus jener Zeit befindliche
Verzeichniß aller Häuser der Stadt Ratzeburg mit dem Bemerken, wie
viel Mann in jedem Hause untergebracht werden könnten. Die Regierung
wandte sich daher auch an den Oekonomierath Meyer in Lauenburg mit
dem Antrage, er möge bewirken, daß so wenig Truppen als möglich in
das Land verlegt würden, und daß der General einen Commissär,
welcher der Deutschen Sprache mächtig sei, schicken möge, um mit den
Landesbehörden das Einlagerungs-Geschäft zu besorgen. Meyer
antwortete am 15. Juli, seine überhäuften Geschäfte
erlaubten ihn nicht, in dieser Angelegenheit etwas zu thun, er habe
daher die Papiere dem Justizrath v. Bülow, welcher damals Lauenburg
in dem Landes-Deputations-Collegium vertrat, übergeben. Da nun
inzwischen von der Französischen Behörde angekündigt wurde, daß die
Truppen am 20. und 21. Juli in die
Quartiere einrücken sollten, so ernannte die Regierung den Amtmann
Brauns zum Commissär und gab ihm auf, sich sogleich nach Lauenburg
zum General Drouet zu begeben. Allein Brauns lehnte am 18.
Juli diesen Auftrag ab und entschuldigte sich mit der
bedenklichen Erkrankung des Amtsschreibers Vogt. An demselben Tage
erhielt die Regierung ein Schreiben des Ministers v. d. Decken,
worin er meldete, seine Vorstellungen bei dem General Mortier hätten
eine günstige Aufnahme gefunden, deshalb sei zu erwarten, daß das
Herzogthum die gewünschte Erleichterung erhalten werde. Auch sei die
Executiv-Commission damit beschäftigt, desfalls eine genügende
Entschließung zu bewirken, und werde die Regierung darüber baldigst
nähere Auskunft erhalten. Es scheint aber ungeachtet aller dieser
Anträge und Bemühungen der Regierung keine günstige Entschließung
erfolgt zu sein, denn nach den wiederholten Beschwerden der
Bequartierten
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des Landes erließ die Regierung am 10. Sept.
1803 einen Befehl an sämmtliche Obrigkeiten, binnen acht
Tagen über die Zahl der einquartierten Französischen Truppen zu
berichten. Aus den darauf eingegangenen Listen ergiebt sich, daß in
den Aemtern 880 Mann eingelagert waren, in den Städten
609 Mann und in den adlichen Gerichten 503
Mann, zusammen 1992 Mann, oder 96
Offiziere, 1822 Mann und 74 Frauen und
Kinder. Ungewiß bleibt es aber, ob zu dieser Summe auch die
300 Husaren, welche nach dem 24. Sept., und
die 112 Mann Infanterie, welche zu derselben Zeit ins
Gericht Wotersen einrückten, gehört haben. Darnach würde sich die
Gesammtzahl der eingelegten Truppen auf 2404 Mann
belaufen. So viel geht aber aus den eingesandten Berichten hervor,
daß Rondeshagen, Bliestorf, Castorf, Dalldorf, Gudow, Grinau, beide
Niendorf, Schenkenberg, Stintenburg, Thurow, Prethen und Wehningen
völlig verschont waren. Diese Truppen bestanden aus der 48.
Halbbrigade (3 Bataillons) unter dem Obersten
Glachant, der 76. Halbbrigade unter dem Obersten
Lorivis, der 27. Halbbrigade leichter Infanterie, und
dem 2. Husaren-Regiment, dazu die Artillerie unter dem
Obersten Rey.
An sich betrachtet scheint diese Truppenzahl keine übertriebene Last
für das Herzogthum gewesen zu sein, zumal wenn man bedenkt, daß zu
demselben damals noch das Amt Neuhaus und die reichen Districte
jenseits der Elbe gehörten. Allein mochte es entweder eine
ungleichmäßige *) Vertheilung sein, oder konnte man sich durchaus
noch nicht in eine so
____________________
*) Diese ungleiche Vertheilung scheint nicht sowohl von den
Landesbehörden, als von den Militär-Befehlshabern ausgegangen zu
sein. So z. B. zeigte das Amt Schwarzenbeck am 27.
März 1804 der Regierung an, dass der Oberstlieutenant
La Ferriere L'Eveque vom 2. Husaren-Regiment dem
Amtmann Compe zu der bisherigen
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ungewohnte Belästigung hineinfinden, genug, bei der Regierung gingen
unzählige Beschwerden über die Einquartierung ein, und zwar
großentheils völlig unbegründete, so daß sie mit Recht von der
Regierung zurückgewiesen wurden. Unstreitig waren aber die drei
Städte, und unter diesen hauptsächlich Mölln, am meisten belastet.
Daher beschwerten sich die kleineren Bürger der Stadt Mölln am
2. Sept. 1803 über die ungleichmäßige
Vertheilung der Einquartierungslast, und namentlich darüber, daß die
Offiziere, welche bei den größeren Bürgern untergebracht wären, aus
der Stadtcasse gespeis't würden, während sie die Husaren aus ihren
eigenen Mitteln beköstigen müßten; es komme ihnen aber die
Beköstigung eines einzelnen Mannes täglich auf 24
zu stehen; Bäcker, Brauer und Brenner zögen durch die größere
Consumtion sogar noch Vortheil aus der Einquartierung. Außerdem
führten sie darüber Klage, daß bei der Versteigerung des übrig
gebliebenen Proviantkornes (wahrscheinlich von dem Hannöverschen
Magazin) dieses nicht, wie Anfangs beabsichtigt gewesen sei, in
Quantitäten zu 100 Pfund verkauft worden sei, woran
sich auch die kleineren Bürger hätten betheiligen können, sondern
daß es in Massen von 10 bis 15,000 Pfund
versteigert worden wäre. Daher sei es geschehen, daß die
wohlhabenderen Bürger allein jenes Getreide für einen äußerst
geringen Preis an sich gebracht hätten. Sie gingen in ihrer
Beschwerde weiter und behaupteten, das Grundübel ihrer städtischen
Commüne liege darin, daß zu der Achtmannschaft nie kleinere Bürger
zugelassen würden, mithin wären diese durchaus nicht vertreten. -
____________________
Einquartierung noch zwei Compagnien Husaren angekündigt habe. Alle
Klagen wegen Ueberquartierung des Amtes wären vergeblich gewesen.
Der Oberstlieutenant habe zum Trost angeführt, daß auch die Gerichte
Lanken und Wotersen stärker belegt werden sollten.
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Die Regierung forderte über diese Klagen Bericht von dem Magistrat.
Dieser erfolgte am 15. Sept. Wegen der ungleichmäßigen
Vertheilung der Einquartierung stützte sich die Rechtfertigung
hauptsächlich darauf, daß der Commandant in der Regel die
Einlagerung selbst besorge und ganz nach seiner Willkühr die Häuser
belege. Was die Offiziere anlange, so waren sie, wenngleich sie
außer den Häusern gespeis't würden, damit bei Weitem noch nicht
abgefunden. Indessen scheint die Beschwerde der kleineren Bürger
nicht ohne allen Grund gewesen zu sein, da diese am 28.
Sept. wieder an die Regierung berichten, die Achtmannschaft habe
ihnen erklärt, es solle zu ihrer Erleichterung eine angemessenere
Vertheilung der Einquartierungslast bewirkt werden.
Nichtsdestoweniger beklagten sich dieselben Bürger Mölln's am
3. Januar 1804 von Neuem, daß, als vor einigen
Tagen ungefähr 70 Husaren auf die Dörfer verlegt
wären, ihnen von den Zurückgebliebenen der größere Theil von denen,
welche bisher bei den größeren Bürgern einquartiert gewesen wären,
eingelegt sei; die Erleichterung sei also nicht ihnen, sondern jenen
Bürgern zu Theil geworden. Sie baten daher die Regierung, zu
verfügen, daß regelmäßig nach vierzehn Tagen eine Umquartierung
stattfinden möge. Auf ergangenen Regierungsbefehl berichtete der
Magistrat, jedoch erst am 23. Januar, es seien zwar am
22. Januar von dort 86 Husaren
aufgebrochen, aber an demselben Tage wieder 162 Mann
mit 7 Offizieren von der 27. Halbbrigade
eingerückt. Das war doch offenbar keine Antwort auf die Beschwerde
vom 3. Januar.
Weniger berechtigt erscheint das Gesuch der Mölln'schen Bürger vom
24. Januar 1804 wegen Lieferung des
benöthigten Brennholzes aus der städtischen Forst für ihre
Einquartierten. Der Magistrat berichtet darüber an die Regierung
unterm 8. Februar folgendermaßen: Die Unzufriedenen
häuften
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Forderung auf Forderung und nähmen die Cämmerei- Güter als eine
unversiegbare Quelle in Anspruch, obgleich die Stadtcasse schon in
den wenigen Monaten eine große Schuldenlast auf sich geladen habe.
Allerdings habe man die Bürger mit Brennholz unterstützt, jedoch bei
der Vertheilung nach Pflicht und Gewissen mit Zuziehung der
Achtmänner einen Unterschied beobachtet. Daher habe man an die
kleineren Bürger bereits einen halben Faden gegeben; es sei also
kein Grund zur Beschwerde vorhanden. - Allein die Einwohner hatten
die eigenthümliche Idee aufgefaßt, daß der Staat die Einquartierung
zu tragen habe, mithin ihnen alle aus derselben erwachsenen Kosten
erstattet werden müßten; leider begriffen sie aber nicht, daß der
Staat aus den Bürgern bestehe und diese solidarisch die
Erhaltungskosten zu tragen haben. Daher gingen auch die gewöhnlichen
Steuern nicht einmal regelmäßig ein, weshalb die Regierung sich
genöthigt sah, am 2. August 1803 den
Befehl ergehen zu lassen, daß die Contribution und Defensions-Steuer
unweigerlich entrichtet werden müßten bei Vermeidung der
gesetzlichen Zwangsmittel.
Fast unglaublich ist es aber, wenn der Achtmann Rabe in Mölln am
29. Sept. 1804 von der Regierung verlangte,
daß ihm 75
2
für seine Ställe, in welchen
vom 25. Juni bis 16. Novbr. 1803
24 Husaren-Pferde untergebracht waren, aus der
Stadtcasse bezahlt würden. Mit Recht berichtete der Magistrat über
diese Forderung am 14. Octbr. an die Regierung, daß in
jener Zeit, als man die Pferde von vier Compagnien Husaren hätte
unterbringen müssen, alle Ställe hätten besetzt werden müssen,
mithin würde jeder Bürger dasselbe Recht haben, eine Entschädigung
zu fordern, welche zu leisten die Stadtcasse nicht im Stande sei. -
Ganz in gleicher Weise erhob auch der Achtmann Reinicke in Mölln am
22. Decbr. 1804 bei der Regierung
folgende Beschwerde: Er habe im
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vorigen Jahre den Hospital-Offizianten Niellon im Quartier gehabt,
welcher wie die Offiziere auf Kosten der Stadtcasse gespeis't worden
sei; allein am 11. Decbr. habe der General Arnaud
befohlen, daß dergleichen Offizianten von ihren Wirthen beköstigt
werden sollten. Dieser Verfügung habe er sich vom 12.
Decbr. 1803 bis 27. Jan. 1804
unterziehen müssen; sein Antrag um Vergütung (er forderte 175
8
sei vom Magistrate
zurückgewiesen. Indessen hätten der Cantor Ruprecht, der Organist
Holdmann und der Pastor Dräsecke, welcher letztere den
Oberstlieutenant Chygny im Quartier gehabt, Vergütung erhalten. Zum
Berichte aufgefordert, erwiderte der Magistrat am 24.
Febr. 1804: Reinicke erkenne selbst, daß er bei der
Einquartierungslast begünstigt sei. Allerdings habe ihn sowie viele
andere Einwohner später auch die Beköstigung des Niellon getroffen,
ohne daß es jemandem eingefallen sei, einen Ersatz zu prätendiren;
allein er sei auch dann wieder bevorzugt worden, denn als am
21. Januar 1804 die Stadt eine so starke
Besatzung erhalten habe und alle Einwohner stärker bequartiert
worden wären, habe er nur seinen Chirurgien behalten. Die Berufung
auf Dräsecke u.s.w. sei grundlos, weil die Geistlichen, wenn sie in
Nothfällen bequartiert werden müßten, nach dem Gesetz auf eine
billige Entschädigung Anspruch hätten. Die Regierung verwies daher
den Mann zur Ruhe.
Einquartierungs-Verhältnisse des Amtes Lauenburg: Das Amt, die Stadt
und die Vorstädte Lauenburg hatten vom Anfange der Occupation an
unstreitig von Einlagerungen außerordentlich gelitten. Im Verlaufe
der Zeit, als die Bewegung der Truppen mehr und mehr aufhörte, waren
eine Anzahl Amts-Dörfer jenseits und diesseits der Elbe von
Einquartierung befreit worden, dagegen andere, besonders die an den
großen Straßen gelegenen, sowie die Fährdörfer Hohnstorf und Artlen-
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burg nicht nur fortwährend belegt, sondern sie hatten auch noch dazu
alle Durchmärsche zu erleiden gehabt. Das Amt Lauenburg hatte daher
eine gewiß sehr zweckmäßige Einrichtung getroffen, nämlich, daß die
nicht belegten Dörfer Hülfsgelder aufzubringen hatten zur
Unterstützung der bequartierten Amts-Dörfer, denn auf diese Weise
wurde die Last einigermaßen auf das ganze Amt vertheilt. Diese
Verfügung war auch zuerst für die Dörfer Hittbergen und Barförde,
darauf bei der Unterberger Gemeinde von der Regierung genehmigt
worden; aber auch die Executiv-Commission in Hannover hatte eine
billige Beisteuer von den nicht belegten Ortschaften zur
Erleichterung der Last, insonderheit der Stadt Lauenburg, gebilligt.
In Folge dessen hatte das Amt mit den nicht belegten Dorfschaften
eine Uebereinkunft getroffen, nach welcher von jeder Vollhufe, so
lange sie nicht bequartiert wäre, täglich 4
bezahlt werden sollten. Aus der aufgebrachten Steuer erhielt die
Stadt Lauenburg einen Antheil zur Feuerung, Artlenburg 100
Rthlr., Büchen, welches immer stark besetzt war, wöchentlich 1
Rthlr. für jeden Einquartierten, die Dörfer aber, welche nur von
Durchmärschen betroffen waren, 8
für jeden Mann. Diese
Einrichtung bestand noch während des Jahres 1804, dann
aber gerieth sie ins Stocken, weil die unbelegten Dörfer aufhörten
zu bezahlen. Es beklagten sich nämlich die Dorfschaften Hittbergen,
Barförde und Sassendorf zu gleicher Zeit, sie hätten zur
Unterstützung der Fährdörfer, die Hittberger bis Ende Februar
148 Rthlr[.], die Barförder 70 Rthlr. bezahlt.
Sie fänden, daß dieser Zuschuß überhaupt zu hoch sei, und verlangten
daher, daß die Hohnstorfer, welche am meisten mitgenommen würden,
vom ganzen Lande unterstützt werden möchten. Auch wären die
Unterstützungs-Ansätze: 8
für einen bleibenden
oder durchmarschirenden Mann, und 32
für einen
Reiter oder Offizier, zu hoch, es müßte also eine Verminderung der
Ansätze eintreten.
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Das Amt berichtete auf die mitgetheilte Klage am 3.
Mai 1804 an die Regierung, daß sich die Dorfschaften
jenseits der Elbe als ein für sich bestehendes Ganze betrachteten,
und deshalb habe es mit dieser Vogtei einen Vergleichs-Termin
abgehalten und dabei 12
für eine
vierundzwanzigstündige Verpflegung vorgeschlagen; damit wären die
Hittberger u.s.w. auch zufrieden gewesen, die Hohnstorfer aber
nicht, jetzt sei der umgekehrte Fall eingetreten. Indessen wies das
Amt die Nothwendigkeit einer solchen Unterstützung von Neuem nach
und verordnete am 1. Juni 1805, daß
jeder Vollhufner täglich 4
, die Halbhufner aber
und Käthner nach diesem Verhältnisse eine geringere Beisteuer zu
entrichten hätten. Von dieser Einnahme sollte jeder Bequartierte
täglich für jeden Mann 12
erhalten. Die vier
Amtsvögte sollten aber von nun an in ihren Vogteien jeden Sonnabend
diese Beisteuer erheben und den belegten Dörfern ihre Quoten wieder
ausbezahlen, die Berechnung aber und die etwanigen Ueberschüsse
wöchentlich an den Rechnungsführer abgeben; auch sollte die
Beisteuer, sobald es die auf solche Weise entstehende Casse
vermöchte, herabgesetzt werden. Allein am 5. Juli
1805 kamen die Hittberger und Consorten von Neuem bei der
Regierung ein und erklärten, daß sie in dem Zeitraum, da sie selbst
von Einquartierung befreit gewesen seien, d. h. vom 15.
Decbr. 1803 bis 25. Mai 1804
für die Standquartiere bezahlen wollten, aber für durchgehende
Ordonnanzen und ähnliche Nachtquartiere keineswegs, weil sie keine
Remission von anderen Landesabgaben genössen und von baarem Gelde
entblößt wären; die geleistete Unterstützung belaufe sich schon auf
241 1/2
.
- Die Regierung ertheilte darauf am 7. Juli 1805
den Bescheid, daß es bei der einmal eingeführten Bestimmung sein
Bewenden haben sollte.
Allein gleich darauf verweigerten die Dorfschaften Lantze und
Basedow die Bezahlung und erhielten daher im Monat
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Juli Execution. Damit trat denn der Anfang der Beschwerden bei der
Regierung ein, welche sich vom 4. August an, dem Tage,
an welchem Lantze und Basedow einkamen, mit jedem Tage mehrten, als
von Fitzen, Witzentze, Krützen. Die Regierung erließ daher unterm
12. August 1805 ein Rescript, worin sie die
vom Amte getroffene Einrichtung zur Erleichterung der Bequartierten
von Neuem bestätigte, jedoch bemerkte, daß der Beitrag von 4
täglich von manchem Bauern, der schon Lasten getragen habe,
schwer aufzubringen sein möchte, deshalb sei diese Abgabe, wenn
irgend möglich, herabzusetzen, zumal da die jetzige strengere
Mannszucht bei den Occupations-Truppen die Einquartierungslast sehr
erleichtert habe. Auch sollten die Dorfschaften, welche fortwährend
Durchmärsche zu ertragen hätten, keine Beihülfe weiter geben, wie es
auch im Cellischen und Lüneburgischen bereits eingeführt sei.
Dergleichen Beschwerden führten natürlich auch zu anderen
Weiterungen und Consequenzen. Dahin gehört die Anfrage des Amts
Lauenburg bei der Regierung am 30. Januar 1805:
nach welchem Verhältnisse die Pächter und die Verpächter die
Einquartierungslast tragen sollten. Bei den herrschaftlichen
Vorwerks-Pächtern habe das Cammercollegium bei der Fourage-Lieferung
den Grundsatz angenommen, daß der Pächter Zwei Drittheile vergütet
erhalte, ebenso bei den Hausbesitzern und Miethsleuten. Die
Regierung erwiderte am 9. Februar 1805,
daß, eine solche Bestimmung eintreten zu lassen, jetzt um so
bedenklicher sei, als solche nicht ohne Genehmigung der
allerhöchsten Landesherrschaft geschehen könne; man solle also bei
vorkommenden Streitigkeiten eine gütliche Vereinbarung, allenfalls
unter Vorbehalt der gegenseitigen Rechte bis zur hergestellten Ruhe,
eintreten lassen.
So wie hieraus schon einleuchtet, daß die Lauenburgische Regierung
mit großer Besonnenheit und Festigkeit die Rechte
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des legitimen Landesherrn zu wahren beflissen war, zugleich aber
auch die drückenden Lasten der Unterthanen möglichst zu erleichtern
suchte, so zeigte sie sich beständig stark und kräftig, den
bestehenden Rechtszustand und die Jurisdiction des Landes in den
bestehenden Formen aufrecht zu erhalten. Dieses Bestreben zeigt sich
zuvörderst bei einer Angelegenheit des Amtes Lauenburg im hellsten
und befriedigendsten Lichte. Es war nämlich von dem
Landes-Deputations-Collegium in Hannover am 13. Juli
1803 eine Verfügung an alle Aemter, Städte und
Gerichte des Churstaats über die Verpflegung der Französischen
Occupations-Truppen ergangen, nach welcher eine Portion bestehen
sollte aus 1 1/2 Pfund Brod, 1/2 Pfund
Fleisch, 2 Loth Reis oder 4 Loth
trockenes Gemüse und 1/2 Quartier Bier; eine Ration
aber sollte bestehen aus 7 Pfund Heu, 6
Pfund Stroh und 10 Pfund Hafer oder 12
Pfund Bohnen. Darauf las man im Hamburgischen Correspondenten vom
29. Juli 1803 ein Schreiben aus Lauenburg
vom 27. Juli folgenden Inhalts: Nach einer vom General
Berthier unterzeichneten Ordre (8. Juni 1803)
erhalten die Französischen Truppen im Churlande Folgendes (folgen
die vorher angegebenen Bestimmungen); Feuerung, Salz, Licht und die
nöthigen Geräthschaften geben die Wirthe, und die Soldaten kochen in
Cameradschaften (escouades = 11 Mann)
oder in ihnen dazu angewiesenen Häusern ihre Speisen. Mit Vorwissen
und auf Befehl des Generals Arnaud, Chef der 48.
Brigade und Commandanten hieselbst (Lauenburg), wird aber den
sämmtlichen Einwohnern sowohl der Stadt als des Amts Lauenburg
folgendes bekannt gemacht und befohlen: "Wenn der Soldat auch gleich
nach den Worten des Generalbefehls sich mit dem begnügen muß, was
darin bestimmt worden, so ist es doch leicht einzusehen, daß er
damit nicht auskommen kann und die Wirthe selbst durch das Kochen
der Soldaten
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eine große Last und Kosten haben würden. Von Obrigkeitswegen muß man
es daher am Angemessensten halten, daß die Wirthe ihren
Einquartierten das diesen aus den Magazinen zu liefernde Fleisch und
Reis kochen und ihnen dazu noch etwas an Gemüse geben. Ebenso würde
es billig sein, daß die Wirthe ihren Einquartierten zu dem wenigen
Bier, welches sie erhalten, etwas zugeben. Auf die Art wird
gegenseitige Harmonie und Einigkeit zwischen Soldaten und Wirthen
herrschen, die auf jede mögliche Art zu befördern ist. Der Herr
Commandant hat sich äußerst bereitwillig erklärt, stets jede
etwanige gegründete Klage über Soldaten abzuhelfen, dagegen aber
auch zugleich ernstlich erklärt, jede Beleidigung eines Soldaten und
zumal, wenn sie sogar mit Tätlichkeiten verbunden sein sollte, auf
das Allerernstlichste zu bestrafen. Wir warnen und gebieten daher
allen Einwohnern sowohl der Stadt als des Amtes Lauenburg auf das
Ernstlichste, sich in jeder Hinsicht so zu betragen, als oben
vorgeschrieben ist, so lieb es einem Jeden sein muß, Ruhe zu haben
und unangenehme Folgen zu vermeiden. Lauenburg, den 22.
Juli 1803." Die Beamte und der Magistrat. - Daran
schloß sich noch folgendes: "Der Brigade-Chef will, daß der Inhalt
von Obigem genau befolgt werden soll, sowohl von den Einwohnern als
Soldaten, und daß gute Eintracht stets unter ihnen herrsche.
Arnaud."
Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieses Abkommen von Seiten der
Stadt und des Amtes im schroffen Widerspruch mit der Stellung der
Landesregierung stand, denn jedenfalls konnte dieselbe fordern, daß
ihr eine solche Verfügung zur Prüfung und etwanigen Genehmigung
vorgelegt worden sei, und dies um so mehr, als mit derselben die von
dem Obercommando in Hannover getroffene Einrichtung abgeändert
wurde; insonderheit aber konnte die Regierung nimmermehr dem
Französischen Commandanten eine Jurisdiction und ein
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Strafrecht über Landes-Unterthanen zugestehen, wie dies doch in der
Bekanntmachung ausgesprochen war. Die Regierung erließ daher am
1. August ein Rescript an das Amt und den Magistrat zu
Lauenburg, worin es hieß: Sie hätte in öffentlichen Blättern eine
erlassene Verordnung vom 22. Juli gefunden; sie wolle nun zwar
glauben, daß der Drang der jetzigen Umstände die schleunige
Verfügung wegen des Unterhalts des Militärs und des Benehmens der
Unterthanen es nöthig gemacht habe, hätte jedoch erwarten dürfen,
daß man an die Regierung zu gleicher Zeit über diese interimistische
Verfügung berichtet hätte, indem es dem Amte u.s.w. nicht unbekannt
sein könne, daß die Landes-Regierung von der Französischen
Generalität und der Executiv-Commission, bei welcher der
administrateur général Dürbach den Vorsitz führe, anerkannt
worden sei, daher denn auch der Gang der hiesigen Geschäfte in
keinem Stücke geändert worden, sondern eben darum die Verfügungen
der Executiv-Commission stets an die Regierung zur weiteren
Ausführung gelangten. Wichtiger hingegen in ihren Folgen sei die von
dem Brigade-Chef, mithin nicht einmal von dem im Herzogthum
Lauenburg commandirenden General eingerückte Drohung, daß er jede an
einem Soldaten begangene Thätlichkeit auf das Strengste strafen
werde. Die Regierung hätte daher erwartet, daß das Amt u.s.w. über
dergleichen Anträge eines subordinirten Commandeurs, bevor solche
bekannt gemacht worden, an sie berichtet hätten, und da sie mit
Grund vermuthe, daß sich die militärische Gewalt nicht bis dahin,
zum noch größeren Drucke der Unterthanen, erstrecke, so werde sie
sich dieserhalb an die Behörde in Hannover wenden. Ueberhaupt aber
bemerke die Regierung, daß zwar ein den Umständen angemessenes
vorsichtiges Nachgeben manche Last und Unannehmlichkeit leichter
machen könne, daß aber auch auf der anderen Seite Festigkeit
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gegen ungerechte Anmaßungen und Verweigerung der Regierungs-Mithülfe
zur Ausführung jedweder fremden Pläne die Auctorität der Regierung
sichere, welche die Französischen Machthaber selbst nicht die
Absicht hätten ihr zu nehmen. Auch lehre die Erfahrung bereits, daß
ernstliche Vorstellungen oft von dem größten Nutzen gewesen wären,
die Regierung sich aber in dringenden Fällen unmittelbar an die
Behörde wenden werde. Endlich habe sie wohl zu erwägen, daß sie bei
doch endlich zu hoffenden ruhigen Zeiten dem Landesherrn und dem
Lande für ihre Handlungen verantwortlich sei."
Jedermann muß hocherfreut sein über diese ebenso humane als würdige
Haltung des Regierungs-Rescriptes. Eine solche Handlungsweise der
obersten Behörde des Landes gewährt tathsächlich einen Lichtpunkt in
der damaligen trüben Zeit des Herzogthums, wenn man dieselbe mit
Weisheit und Energie die eigene Auctorität aufrecht zu erhalten und
das Wohl der Landesunterthanen zu sichern bestrebt sieht. Allein die
Regierung ließ es bei diesem Rescript an ihre Untergebenen nicht
bewenden, sondern sie wandte sich auch am 6. August an
den Justizrath v. Bülow, welcher bei der Landesdeputation in
Hannover zugegen war und Lauenburg vertrat, und theilte ihm ihren
Erlaß mit. Zugleich forderte sie ihn auf, anzufragen, ob die
Französische Generalität die Befugniß habe, Landesunterthanen zu
richten und zu bestrafen, eine Frage, welche für die Regierung um
so wichtiger sei, als sie in ihren Functionen bisher anerkannt sei.
Die Folgen einer solchen Verfügung, wie sie vom Amte Lauenburg
ausgegangen sei, würden gar nicht zu berechnen sein.
Unterdessen suchten sich der Magistrat zu Lauenburg und der
Oberforstmeister v. Düring wegen ihres Verfahrens in einem Schreiben
an die Regierung vom 4. August zu vertheidigen, weil
sie zu demselben berechtigt gewesen zu sein ver-
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meinten, und deshalb baten sie ehrerbietigst um Zurücknahme jenes
Verweises. Allein die Regierung erhielt unterm 9.
August eine Erwiderung von dem Landes-Deputations-Collegium in
Hannover, nach welcher dieselbe in die Ansicht der Regierung
durchaus einging "über die eigenmächtig erlassene Verfügung in
Hinsicht der Bewirthung der Französischen Einquartierten und das
gegen selbige zu beobachtende Benehmen." Zugleich legte sie eine
Abschrift bei von dem, was sie an die Stadt und das Amt Lauenburg
erlassen hatte. Darin heißt es unter Anderem: Es habe Amt und Stadt
Lauenburg theils in Ansehung der Beköstigung der Einquartierten,
theils in Ansehung ihres Betragens gegen dieselben, gewisse
Vorschriften und Anweisungen ertheilt, von denen die des
Generalbefehls vom 13. Juli gänzlich abwichen, diese
hingegen mit Drohungen verbunden seien, welche besonders in Betreff
der Gerichtsbarkeit für die der Französischen Sprache und Gesetze
unkundigen Einwohner die nachtheiligsten Folgen haben könnten. Die
Landesdeputation verlangte daher einen pflichtmäßigen Bericht über
die Gründe, welche Amt und Stadt Lauenburg zu dieser Bekanntmachung
veranlaßt hätten. Die Landesdeputation wandte sich aber zugleich
auch an die Executiv-Commission und legte einen besonderen Nachdruck
darauf, daß am 21. Juni von dem Französischen
Gouvernement in einem arrêté alle Civil-Obrigkeiten
des Landes in ihrer Auctorität bestätigt seien; sie sah sich daher
durch diesen Vorfall veranlaßt darauf anzutragen, daß die Cognition
und Bestrafung der von Landesunterthanen begangenen Excesse, auch
wenn Französisches Militär dabei betheiligt sei, den
Civil-Obrigkeiten überlassen bleibe, daß diese aber die darüber
verhandelten Acten auf Erfordern des commandirenden Offiziers
jedesmal an das Gouvernement einzusenden hätten (den 9.
August 1803). In solcher Art wurde die ganze Sache
erledigt.
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Es ward also damals den Civil-Obrigkeiten die Jurisdiction über die
Einwohner gesichert, allein die Französischen Besehlshaber suchten
neue Veranlassungen auf, um die Landeseinwohner vor ihr Forum zu
ziehen. Daher erschien am 8. August 1804
ein Befehl des Divisions-Generals Drouet aus Lüneburg, wodurch allen
Einwohnern und Militär-Personen im Lauenburgischen die Jagd verboten
wurde, wenn sie dazu nicht die Erlaubniß vom General Drouet oder dem
General Marisy oder dem Chef des Generalstabes der Division Noizet
erhalten hätten. Es hieß in diesem Befehle weiter: Der
Oberforstmeister v. Düring wäre bevollmächtigt, den Forst- und
Jagdbedienten des Landes eine solche Erlaubniß zu ertheilen, jedoch
müßten die Erlaubniß-Scheine vom Chef des Generalstabes visirt sein;
die Gensdarmen aber und die Militär-Posten sollten auf die Befolgung
dieses Befehls halten und die Contravenienten arretiren und an den
Generalstab der Division abliefern. - Waren also die Scheine des
Oberforstmeisters allein nicht mehr ausreichend, sondern wurden sie
einer Vision der Französischen Behörde unterworfen, so maßte sich
diese auch noch in Uebertretungsfällen die Bestrafung an. Die
Regierung trat allerdings auch gegen diesen Uebergriff mit
nachdrücklichen Gegenvorstellungen auf, allein alle ihre Bemühungen
blieben diesmal ohne Wirkung und Erfolg.
Bald nachher ergriff der General Drouet eine neue Gelegenheit, seine
Jurisdiction auch auf die Einwohner des Landes auszudehnen. Er
theilte nämlich unterm 5. October 1804
der Regierung einen an seine Truppen erlassenen Befehl mit, des
Inhalts: Da die ihm zugekommenen Beschwerden die Gewißheit gäben,
daß Offiziere in den Canntonnements ohne Rücksicht der Personen sich
erlaubten, Contracte oder Abreden mit den Obrigkeiten oder
Bauervögten wegen Bequartierungs-Freiheiten eines oder des anderen
Dorfes zu treffen und sogar
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dafür Geld zu ihrem Vortheil zu nehmen, endlich diejenigen
Obrigkeiten und Bauervögte, welche ihren Verpflichtungen getreu
blieben und das Verlangen nicht erfüllen wollten, durch üble
Behandlung oder Vermehrung der Einquartierten zum Eingehen in ihre
Absichten zu zwingen suchten; ferner da die Husaren des zweiten
Regiments, sowohl Gemeine als auch Unteroffiziere, ihre Wirthe
zwängen, sie vollständig zu unterhalten, ohne von den ihnen
gelieferten Rationen Gebrauch zu machen, sondern statt dessen mit
den Lieferanten wegen derselben ein Abkommen träfen: so sei er
entschlossen, diesen Unordnungen nicht weiter nachzusehen, welche
den Truppen wie dem occupirten Lande gleich nachtheilig wären. Er
werde also auf diese Ausschreitungen ein genaues Augenmerk haben und
bei der ersten Klage Befehl geben, JEDEN; WER ER AUCH SEIN MÖGE, zu
arretiren und ins Hauptquartier zur Bestrafung abzuliefern. - Die
Regierung ließ sich diese Maßregel ohne Einrede gefallen, weil sie
wohl wußte, daß dergleichen Excesse lediglich von dem Französischen
Militär ausgingen, und der strenge Befehl daher nur das Beste des
Landes fördern konnte.
Eine andere Bedrückung durch die Franzosen traf das Land im Jahre
1804 dadurch, daß der Handelsverkehr ungemein erschwert
wurde. Zuerst erhoben die Ratzeburgischen Böther am 9.
Januar 1804 bei der Regierung Klage, daß sie bei ihren
Waaren-Transporten von Lübeck (während des Winters bekanntlich zu
Wagen), ungeachtet eines Passes des Commandanten, zu Grönau von den
Französischen Posten angehalten und ihnen ein Paß von dem
Französischen Consul in Lübeck abgefordert würde, der ihnen große
Kosten verursache. Die Regierung beauftragte den Regierungssecretär
Schubert, sich desfalls mit dem Commandanten Dejardin in
Unterhandlung zu setzen. Schubert brachte es dahin, daß ein Paß des
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Commandanten fortan genügen sollte. Darauf zeigte der Landsyndicus
Walter am 14. Juni der Regierung an, daß der im Amte
Steinhorst commandirende Französische Offizier dem Herrn v.
Hammerstein auf Castorf den ihm zugekommenen General-Befehl
vorgelegt habe, alle Frachtwagen auf der Straße von Lübeck nach
Hamburg, welche Gewehre, Kanonen, Pulver oder sonstige
Kriegsbedürfnisse geladen hätten, anzuhalten. Er habe daher behufs
der Untersuchung zu Labenz und Schönberg Militär-Posten aufgestellt.
Um also die Fuhrleute jeder Verzögerung zu überheben und sie gegen
Arretirung zu schützen, sollten dieselben mit genauen Frachtbriefen
versehen sein, damit sie keiner Belästigung durch die Militär-Posten
ausgesetzt wären. - Die Regierung sah sich genöthigt, diese
Verfügung des Generalcommando's zur Kenntniß der beiden Städte
Lübeck und Hamburg zu bringen.
Allein schon am 9. Februar 1804 beklagte
sich der Amtsvogt Heinemann zu Mölln beim Amte Ratzeburg über den
Mölln'schen Platzcommandanten Mortreux, daß er keine Frachtwagen
ohne viele Schwierigkeiten den Ort passiren lasse. Deswegen
scheueten sich die Fuhrleute Mölln zu berühren und umführen den Ort.
Auch die Durchfuhr von Mecklenburgischem Getreide werde sehr
behindert, und es sei daher zu besorgen, daß die Mecklenburger eine
andere Straße suchen würden, woraus dem Lande ein großer Nachtheil
erwachsen werde. Als Beweis führte der Amtsvogt an, daß der Amtmann
Compe in Schwarzenbeck nur mit großen Schwierigkeiten die für seine
Brauerei aufgekaufte Gerste habe durchbringen können. Das Amt
Ratzeburg wandte sich am 10. Febr. um Hülfe an die
Regierung. Diese schrieb an den Brigade-General Dessair in Lüneburg
und erhielt am 17. Febr. eine Erwiderung, worin er die
Versicherung gab, daß er den angegebenen Mißbräuchen, welche den
inneren Verkehr des Landes
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hemmten, ein Ende machen werde. Allein, was auch der General verfügt
haben mag, die Fuhrleute aus Artlenburg, welche mit Pässen aus
Lübeck und Hamburg, von den dortigen Französischen Consuln, ja sogar
von Dessair selbst unterzeichnet, versehen waren, wurden
demungeachtet von den Militär-Posten angehalten und von ihnen Geld
erpreßt. Dies liefert einen neuen Beweis von der schlechten
Disciplin in den republikanischen Heeren. Heinemann führte daher
neue Beschwende bei der Regierung, und diese wandte sich darauf an
den Commandanten in Mölln, Mortreux, selbst. Dadurch erreichte die
Regierung soviel, daß Mortreux am 2. März die
Versicherung gab, er werde diesen Verationen von Seiten des Militärs
durch Zahlungen für Durchfuhr ein Ende machen, und bat, ihm jedesmal
den Tag, an welchem dergleichen Unzuträglichkeiten zu gerechten
Klagen Anlaß gegeben hätten, anzuzeigen, um strenge Bestrafung
eintreten zu lassen. Nach dieser Aeußerung gingen also die
Uebertretungen bestimmter Verbote nur von den Militär-Posten aus.
EINQUARTIERUNGS-VERHÄLTNISSE DER STADT RATZEBURG. Am 21.
Juli 1803 rückten die ersten Franzosen in Ratzeburg
ein. Ueber die Stärke der Besatzung finden sich im Jahre 1803
keine bestimmte Angaben; wohl aber werden am 14. Juni
1804 6 Offiziere, 17
Unteroffiziere und 197 Gemeine von der 48.
Halbbrigade angegeben; am 19. September 6
Offiziere, 4 Frauen, 130 Mann und
5 Husaren; am Ende des September 179 Mann und
8 Pferde; im Anfange des Jahrs 1805
6 Offiziere, 15 Unteroffiziere und
180 Mann, später 7 Offiziere, 9
Unteroffiziere und 119 Mann. Jedoch ist dabei zu
bemerken, daß diese Besatzung lediglich die Stadt betraf; außerdem
war die Vorstadt, der Dermin, im Jahre 1804 mit
42 Mann und 62 Pferden, und im Jahre
1805 mit 30 Mann und 38 Pferden
von der Artillerie belegt. Demnach läßt
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sich also vermuthen, daß sich die Garnison so ziemlich in gleicher
Stärke gehalten habe. Zum Commandanten bekam die Stadt im Jahre
1803 den Capitain Boissy mit seiner Umgebung, welcher
sich im Allgemeinen die Achtung der Bürger Ratzeburgs in dem Grade
erwarb, daß, als es am Ende des Jahres verlautete, er werde
abgelös’t werden, die Regierung sich an den General Mortier mit der
Bitte wandte, denselben auf seinem Posten zu lassen. Allein diesem
Gesuch wurde keine Folge gegeben, sondern beim Anfange des Jahrs
1804 traf der Capitain Dejardin als Commandant des
Platzes ein. Indessen hatte die Stadt auch zuweilen die
commandirenden Generäle, wahrscheinlich auf ihren
Inspections-Reisen, aufzunehmen. So war der General Drouet vom
29. August bis 5. Septbr. 1803
mit seiner Begleitung und 11 Pferden, und vom
26. bis 30. Septbr. der General Arnaud mit der
Frau, drei Offizieren und Bedienung im Orte.
Der Magistrat setzte inzwischen noch vor dem Einrücken der
Besatzungstruppen voraus, daß die von der Hannöverschen Garnison -
ein Bataillon des II. Regiments Infanterie -
verlassenen Casernen den Französischen Truppen wieder angewiesen
werden könnten, und zeigte daher am 17. Juli
1803 der Regierung an, daß er zwar für Schüssel und Teller
in den Casernen bereits Sorge getragen habe, allein es fehlten noch
die zum Kochen nöthigen Kessel. Er bat daher die Regierung um ihre
Vermittelung bei dem General v. Scheither, Chef des II.
Regiments, daß die Hannöverschen Feldkessel dem Magistrat zur
Verfügung gestellt werden möchten. Der General erklärte sich dazu
bereit, jedoch nur gegen Bezahlung von 3
für jeden Kessel, und verlangte die Bezahlung binnen Jahresfrist,
denn die Zurückgabe in natura würde vielfache Inconvenienzen mit
sich führen. Die Regierung lehnte aber am 19. Juli
diesen Antrag mit dem Bemerken ab, daß sie
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von den übrigen Corps die Feldkessel unentgeldlich würde erhalten
können. Daher geschah, daß die eingerückten Französischen Truppen
wirklich in den Casernen untergebracht wurden. Allein am 20.
August zeigte der Platzcommandant Boissy dem Regierungssecretär
Schubert an, daß die in den Kasernen einquartierten Soldaten dort
durchaus nicht länger bleiben wollten und deshalb in völliger
Insurrection wären. Namentlich wären ihnen die Matratzen zu hart und
verbreiteten außerdem einen gar üblen Geruch; jedenfalls müßte daher
für andere Matratzen gesorgt werden. Schubert trug diese Klagen dem
Magistrat vor, welcher darauf den Bauvogt Duhme und den Sattler Ley
mit der Besichtigung der Matratzen beauftragte. Beide reichten ihren
Bericht ein, daß die mit Krollhaaren gestopften Matratzen natürlich
durch den längeren Gebrauch zusammengedrückt, jedenfalls aber noch
viel besser als Strohsäcke wären. Sie hätten indeß den Soldaten die
von den Hannoveranern gebrauchten wollenen Decken angeboten, aber
dieselben wären mit Verachtung zurückgewiesen worden. Der üble
Geruch sei lediglich daher zu erklären, daß theils die Fenster
niemals geöffnet, theils die Matratzen nicht an die Luft gebracht
würden. Aus allen Umständen war ersichtlich, daß die Soldaten nur
Gelegenheit suchten, aus den Casernen zu kommen, um bei den Bürgern
einquartiert zu werden. Alle Vorstellungen blieben ohne Erfolg. Man
sah sich also endlich genöthigt, die Soldaten bei den Bürgern
einzulegen, jedoch zugleich mit der Verfügung, eine vierzehntägige
Umquartierung eintreten zu lassen. Außerdem sollten die Waschweiber
in den Casernen bleiben und dort ihre Wäschen besorgen, die Soldaten
aber sollten ebenfalls dort ihre aus dem Magazin gelieferten
Portionen selbst kochen. Der Commandant ging auf diese Einrichtung
ein, und die Regierung genehmigte sie. Es unterlag keinem Zweifel,
daß den Bürgern auf diese
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Weise eine große Erleichterung der Einquartierungslast zu Theil
wurde.
Um dieselbe Zeit - den 18. August - trat der Magistrat
bei der Regierung mit einer Vorstellung wegen der Speisung der
Offiziere hervor. Es waren nämlich diese zur Beköstigung bei dem
Rathskellerwirth Glüer verdungen, und zwar jeder zu 6
monatlich, wofür Glüer auch die Hannöverschen Offiziere gespeis’t
hatte. Allein die Franzosen forderten zum Mittagsessen vier
Schüsseln, und Abends ebenfalls warme Speisen; außerdem verlangten
sie Mittags und Abends anstatt einer halben jedesmal eine ganze
Flasche Wein, und zwar sogenannten Langkork, den der Wirth nicht
unter 24
liefern konnte. Zugleich mußten auch
den Bedienten und den fünf Ordonnanz-Husaren täglich sechs Flaschen
Wein vorgesetzt werden. Dazu kamen noch die häufigen Besuche von
Offizieren aus der Nachbarschaft, welche ebenso beköstigt werden
mußten. Der Magistrat legte zugleich die Rechnung des Gastwirths
bei, welche für die Beköstigung vom 21. Juli bis
20. August 1485
11
betrug. Es wurde zugleich die Bemerkung hinzugesetzt, daß
der General in Lüneburg ein Regulativ für die Verpflegung der
Offziere eingeführt habe, und deshalb wurde die Regierung ersucht,
ein solches auch für Ratzeburg zu erwirken. In Folge dieses
Schreibens wandte sich die Regierung am 23. Aug. an
die Ritter- und Landschaft und gab ihr auf, entweder mit dem
Commandanten Boissy oder mit dem General Drouet eine Unterhandlung
wegen eines Regulativs anzuknüpfen, denn sonst würde die Stadt vom
Lande unterstützt werden müssen, weil die Kosten der Verpflegung
ihre Kräfte unstreitig überschritten. Die Ritter- und Landschaft
erklärte dagegen am 6. September, daß die Verpflegung
der Offiziere jeder Ortsobrigkeit obliege; sollte jedoch die Stadt
Ratzeburg durch Einquartierung prägravirt
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sein, was freilich bisher noch nicht der Fall gewesen zu sein
scheine, so sei die Ritter- und Landschaft zu einer Entschädigung
bereit. Schließlich behauptete dieselbe, ihrerseits sei die
Intervention schon darum nicht mehr erforderlich, weil sich der
Magistrat in dieser Angelegenheit schon an den General Drouet
gewandt habe. Wir erfahren nun zwar den Ausgang dieses Antrags
nicht, allein aus einem Rescripte der Regierung an die Städte und
Aemter des Landes scheint hervorzugehen, daß dieselbe die
Vorstellung des Magistrats bei dem General unterstützt habe. Sie
schrieb nämlich unterm 27. Septbr. 1803
an die Städte und Aemter, der General Arnaud habe die Bemerkung
gemacht, daß von denjenigen, welche die Speisung der Offiziere
übernommen hätten, zum Theil ungleich mehr in den Rechnungen
angesetzt werde, als diese empfangen hätten; er trage daher darauf
an, daß den Commandeurs und Offizieren die Tafel-Rechnungen vor der
Bezahlung zur Unterschrift vorgelegt werden möchten. Allein wie
dergleichen Verordnungen der Behörden von den Untergebenen
aufgenommen wurden, ist schon oben bei denselben Beschwerden der
Stadt Mölln nachgewiesen worden. Die Stadt Ratzeburg wurde daher in
dieser Beziehung in keine bessere Lage versetzt, als die beiden
anderen Städte.
Außerdem wurde in Ratzeburg über den bedeutenden Verbrauch von
Brennholz für die Besatzungstruppen Beschwerde geführt, weshalb sich
die Regierung am 1. October 1803 an das
Landes-Deputations-Collegium in Hannover wandte und es erreichte,
daß dem Oberforstmeister v. Düring die Anweisung zuging, das nöthige
Holz zur Heizung der Offizier-Zimmer, der Wachen, der Gefängnisse
und der Wäschen aus den herrschaftlichen Forsten zu liefern. In der
Folge wurden die der Stadt bewilligten 26 Faden Holz
durch sogenannte Kriegsfuhren herbeigeschafft.
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Es ist oben bereits angeführt, daß Ratzeburg im Januar 1804
an dem Capitain Dejardin einen neuen Platzcommandanten erhielt.
Dieser verlangte darauf im Monat Mai von dem Magistrat die
monatliche Einlieferung der Einquartierungslisten. Was er damit
bezweckte, wird nicht angegeben. Der Magistrat ließ diese Forderung
auf sich beruhen. Darauf erhob Dejardin am 26. Mai
Klage bei der Regierung. Diese befahl noch an demselben Tage dem
Magistrat, dem Commandanten die Liste monatlich einzuliefern, und
verlangte zugleich ein Verzeichniß derjenigen Häuser, in denen
Offiziere untergebracht werden könnten, jedoch mit Ausschluß der
canzeleisässigen Häuser, deren Belegung nicht dem Magistrat, sondern
der Regierung gemeinschaftlich mit dem Commandanten zustehe; auch
könnten die Besitzer der Häuser, welche Militär-Personen für Geld
logirten oder Zimmer an Inquilinen vermiethet hätten, deshalb nicht
mit Einquartierung übersehen werden, sondern müßten zur allgemeinen
Last verhältnißmäßig beitragen. Zugleich ertheilte die Regierung den
drei Städten den guten Rath, das Ausmiethen der Soldaten, welches
besonders von den wohlhabenderen Bürgern ausginge, zu beschränken,
und bemerkte dabei zugleich, daß die Lieferanten in den Städten,
wenn sie dort ansässig wären, keinen Anspruch auf ein freies
Quartier hätten. Ungeachtet des Regierungsbefehls verweigerte der
Magistrat dem Commandanten Dejardin die Auslieferung der
Einquartierungslisten, sondern schrieb am 14. Juni
1804 an die Regierung, es habe jenes Rescript bei ihm
Bedenklichkeiten erregt; man fürchte, daß der Commandant über die
Quartiere eigenwillig disponiren, sie nach Gutdünken belegen oder
befreien werde. Auch halte man ihn zu einer solchen Forderung
durchaus nicht befugt, denn der Magistrat sei nur verpflichtet, für
anständige Quartiere Sorge zu tragen. Insonderheit aber ließ
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sich der Magistrat über die canzeleisässigen Häuser *) aus und fand
die ihm abgesprochene Bequartierung derselben nicht mit seinen
Rechten vereinbarlich. Alle Einquartierungs-Sachen gehörten der
Localobrigkeit an, mithin auch die Befugniß, die canzeleisässigen
Häuser zu belegen. Der Regierung stehe nur die Beaufsichtigung der
Prägravation zu. Den Einwohnern, welche ihre etwaigen
Offiziers-Quartiere vermiethet hätten, könne man nicht zumuthen,
Offiziere einzunehmen, wozu sie eben keinen Platz hätten, wohl aber
könne man von ihnen einen Beitrag zu den Unterhaltungskosten der
Offiziere fordern. Zugleich wußte es sich der Magistrat nicht zu
erklären, aus welchem Grunde ihm die Erhebung und Berechnung der
Beiträge für die Unterhaltung der Offiziere entzogen sei. - Es
hatten sich nämlich die sämmtlichen Königlichen Beamten, so wie die
wohlhabenderen Bürger freiwillig entschlossen, monatliche Beiträge
zu der kostspieligen Verpflegung der Offiziere einzuliefern.
Auf diese Weise entspann sich eine Meinungsverschiedenheit zwischen
der Regierung und dem Magistrat. Die erstere erließ nämlich am
22. Juni eine zweite Erklärung an den Magistrat, worin
sie die Befugniß des Commandanten, die Einquartierungslisten zu
fordern, auseinandersetzte. In Rücksicht auf die canzeleisässigen
Häuser erwiderte die Regierung, daß die Behauptung des Magistrats
jedes Grundes entbehre; nur die Regierung sei befugt, diese Häuser
im Nothfall zu belegen, und es verrathe eine gänzliche Unkunde der
Verfassung, wenn der Magistrat das Gegentheil behaupte. Sie werde
____________________
*) Canzeleisässig waren die Wohnungen des Landdrosten und der beiden
Regierungsräthe, ferner die Häuser der Regierungssecretäre Kaufmann
und Schubert, des Apothekers Siedenburg, des Commissärs Lamprecht,
des Generals v. Scheither und das Posthaus.
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die Liste der canzeleisässigen Häuser dem Commandanten zustellen und
gemeinsam mit ihm darüber disponiren. Die dem Magistrat noch weit
weniger zustehende Belegung Königlicher Gebäude (des Landdrosten und der
Regierungsräthe) müsse sie dem Magistrate alles Ernstes untersagen,
denn wenn die Regierungsbeamten bisher stets gezeigt hätten, daß sie
sich in der traurigen Lage des Landes der allgemeinen Last nicht
entzogen hätten, so wären sie doch nicht geneigt, ihre Wohnungen der
Disposition des Magistrats zu überlassen. Die Speisung der Offiziere
für Geld anlangend, so hätte dem Magistrat aus den Acten bekannt
sein können, daß in dieser Sache nichts ohne seinen Beirath und
Einwirkung geschehen sei, und daß diese ganze Einrichtung durch
keine gesetzliche Vorschrift, sondern durch gütliche Uebereinkunft
zu Stande gebracht sei. Unzuträglichkeiten mancherlei Art bei dem
Einquartierungs-Geschäft scheinen überhaupt die Ursache gewesen zu
sein, weshalb der Magistrat dem Commandanten die Einlieferung der
Quartierlisten verweigerte; denn anders möchte es wohl nicht zu
erklären sein, wenn die Regierung am 4. August dem
Magistrat zu erkennen gab, daß auf die Anzeige des Achtmanns Scheel
die getroffene Verfügung wegen des Einquartierungs-Geschäftes noch
nicht zur Ausführung gebracht sei, nach welcher dem Senator Witte
der Senator Nölting und der Achtmann Scheel beigeordnet werden
sollten. Der letztere nämlich hatte von Witte die Quartierliste aus
dem Grunde verlangt, weil manchem Einquartierten sogar drei
Quartiere angewiesen sein sollten, von denen sie das eine wirklich
benutzten, von den Inhabern der beiden anderen sich aber Geld
bezahlen ließen. Allein er so wenig als Nölting hatten die
Quartierliste erhalten können. Die Regierung befahl daher die
Auslieferung derselben an die beiden betreffenden Männer, und
zugleich, daß dieselben in Gemeinschaft mit Witte das
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Einquartierungs-Geschäfte besorgen sollten; zugleich erwartet sie
nach Ablauf jedes Monats die von allen dreien unterschriebenen
Listen, von Witte aber sofort die Verantwortung wegen der
Nichtbefolgung des Befehls. Damit scheint die Angelegenheit erledigt
worden zu sein, denn seitdem finden sich die Listen in der
vorgeschriebenen Form bei den Acten, und wir erfahren, wie schon
oben angeführt ist, die Stärke der Besatzungs-Truppen in Ratzeburg.
Indessen hatte bald nach der Occupation des Landes die in Ratzeburg
wohnhafte Hannöversche Offizier-Wittwe, Frau v. d. Decken, Befreiung
von der Einquartierung beansprucht. Die Sache wurde an die
Executiv-Commission in Hannover berichtet, welche am 10.
Decbr. 1803 folgendes erkannte: 1)
es sollten die den Hannöverschen Offizieren und deren Ehefrauen
eigenthümlich zugehörigen Häuser, wenn sie solche selbst bewohnten,
gänzlich befreit bleiben; 2) auch solche Häuser,
welche von Hannöverschen Offizieren ganz in Miethe genommen wären,
sollten von Natural- Einquartierung freigelassen werden; 3)
diese Freiheit sollte aber den Eigenthümern der Hänser keinen
Vortheil gewähren; 4) auch sollten die Eigenthümer zur
Einquartierung verpflichtet sein, wenn nur einzelne Zimmer eines
Hauses von Hannöverschen Offizieren miethweise oder bei Verwandten
bewohnt würden; 5) pensionirte Offiziere und
Offizier-Wittwen sollten an der Befreiung keinen Antheil haben.
Vorzügliche Beschwerden veranlaßten die ansehnlichen Summen, welche
von den Städten an ihre Commandanten unter dem Namen von
Bureau-Kosten und Tafelgeldern ausbezahlt werden mußten. So erhielt
der Commandant der Stadt Lauenburg, zuerst Oberstlieutenant de
Longe, darnach Oberstlieutenant Albertini, täglich 1
Ld'or, und der Ratzeburgische Commandant Dejardin monatlich
130 bis 140 Rthlr.
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Das Landes-Deputations-Collegium veranlaßte daher endlich die
Executiv-Commission, diese Beschwerden dem Obergeneral vorzutragen.
Dies geschah, und die Commission schrieb unterm 4.
Juni 1804 an die Ritter- und Landschaft, daß der
General Mortier, welcher im Begriffe stehe, das Commando abzugeben,
jede Entscheidung in dieser Angelegenheit zurückweise; man müsse
also die Ankunft des Marschalls Bernadotte erwarten, und deshalb
rathe sie, sich mit den Commandanten der drei Städte in eine
gütliche Vereinbarung einzulassen. Dies scheint ohne Erfolg
geblieben zu sein. Daher wandte sich die Executiv-Commission an den
Marschall Bernadotte, welcher am 17. Juni das Commando
übernahm, und alsbald eine strengere Disciplin unter den Truppen
einzuführen geneigt schien. Allein unterm 27. Novbr.
berichtete die Commission wieder, sie habe bei dem Marschall zwar
dringende Vorstellungen gemacht, es sei jedoch noch immer kein
Entschluß zu einem Regulativ erfolgt; man möchte also einstweilen
die Auszahlung der erwähnten Gelder einstellen und den Commandanten
nur die gebührende Beköstigung zu Theil werden lassen, es ihnen
selbst aber überlassen, das, was sie sonst zu fordern berechtigt
wären, bei dem Obergeneral auszuwirken. Die Ritter- und Landschaft
hielt aber in einem Schreiben an die Regierung vom 17.
Decbr. die Einziehung dieser Gelder ohne höhere Autorisation für
sehr bedenklich; und daher scheint keine Aenderung eingetreten zu
sein, wenigstens liegt nichts weiter vor. Dagegen aber theilte das
Hannöversche Cammer-Collegium unterm 21. Juli der
Landesregierung den Befehl des Marschalls Bernadotte mit, daß
sämmtliche Cammer-Rechnungsführer ihre Cassenvorräthe binnen
24 Stunden einzusenden und alle bisher genehmigten Ausgaben
aus ihren Cassen mit Ausnahme derjenigen, welche die Französische
Armee beträfen, einzustellen hätten.
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Wenn nun schon alle diese Bedrückungen und Quälereien die Gemüther
der Lauenburger tief erschüttert hatten, so wurde ihnen auch noch
zugemuthet, das aufgelegte Joch mit Freude und Jubel zu begrüßen. Am
18. Mai 1804 war bekanntlich der
bisherige erste Consul Bonaparte durch ein Senatsconsult zum Kaiser
der Franzosen erhoben. In Folge dieses Ereignisses theilte der
Platzcommandant Dejardin am 27. Juni, nachdem er
bereits ein Festmahl zur Verherrlichung des neuen Kaisers auf dem
Rathskeller gegeben hatte, der Regierung den Befehl des Generals
Marisy mit, daß am nächsten Sonntage (es war der fünfte Sonntag nach
Trinitatis) ein Tedeum ALLENFALLS IN DEUTSCHER SPRACHE gesungen
werden sollte. Die Regierung sah sich daher gezwungen, dem Magistrat
davon Anzeige zu machen und ihm aufzugeben, daß er, da die
Stadtkirche nun einmal zu diesem Zwecke hergegeben werden müsse, die
erforderlichen Maßregeln treffen und insonderheit den Bürgern, die
noch immer mit unerschütterter Liebe an ihrem legitimen Könige und
Landesherrn hingen, um ihres eigenen Besten willen die größte Ruhe
und Ordnung anempfehlen möge. Zugleich aber forderte die Regierung
auch den Commandanten auf, an seine Truppen die gemessensten und
zweckdienlichsten Befehle ergehen zu lassen, damit nicht an heiliger
Stätte Tumult und Brutalität vorkommen möchten. In der trübsten
Stimmung freilich und größten Niedergeschlagenheit verhielten sich
die Bürger gesetzmäßig und ruhig bei der ihnen fremden Feier, welche
ihre Dränger in ihrem Gotteshause anstellten, ohne zu ahnen, daß sie
nach wenigen Jahren dem Französischen Departement der Elbmündungen
einverleibt werden sollten.
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(Zweite Abtheilung folgt im nächsten Heft)
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[Heft 1: 1861]
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