Jahresband 1908
Archiv des Vereins für die
Geschichte des Herzogthums Lauenburg
Der Darzing mit dem neuen Hause Mitgeteilt von W. Sparkuhle in Hannover.
Umgrenzt
von dem Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin erstreckt sich am
rechtsseitigen Elbufer von Wehningen bis Gülstorf das ehemals
lauenburgische Amt Neuhaus, früher „Darzing" oder Land Dersingen
geheißen. Am westlichen Ausgange des Fleckens Neuhaus (Elbe) steht
inmitten einer hohen Umwallung ein unscheinbares Gebäude, das von
der Domäne Gülze als Scheune und Kornboden benutzt wird. Dies ist
der einzige Ueberrest eines stattlichen Schlosses der Herzöge von
Sachsen-Lauenburg, in deren Besitz sich der „Darzing mit dem Neuen
Hause" von 1258 bis 1689 befand. 1908/2 - 100
hügeliger, holperiger Ort, Kühnel 1) kommt zu keinem endgiltigen
Ergebnis, vermutet aber von sl. Darcinki „die Leute im Dornenland".
Beide Deutungen sind ansprechend. Das Amt Neuhaus ist strichweise
mit Sandhügeln übersät. Für „Dornenland" müßte es aber wohl heißen
„Land (bezw. Burg) des Dorn". Die Domäne Stixe führte früher den
Namen „Stixer Dorn" 2), die Feldflur bei Zeetze heißt „der Dorn" und
die Ritter von Dorn, Dornow, Doren zeigen sich im XIII. Jahrhundert
im Gefolge der Grafen von Danneberg und waren später im
Lauenburgschen ansässig. Auf eine andere Lesart des Wortes darf
übrigens noch hingewiesen werden. Bei Berücksichtigung der frühesten
Schreibweise von 1258 ab erscheint das Wort deutsch und läßt sich
als eine Verbindung von der=Wald mit der altsächsischen Endung
„inge" 3) erklären. Der Darzing war ein Waldgebiet. Ein einziger
großer Wald, der Rens, zieht sich noch heute an der Rögnitz entlang
von Tripkau bis Neuhaus. Diese Waldungen waren früher sehr
wildreich und boten auch Wölfen und Bären Unterschlupf. Nach 1689
erhielt nach Ausweis der Amtsrechnung der Grenzschütze zu Bohldamm
2
Taler Schießgeld für einen erlegten Wolf und wenige Jahre früher
fragte der Herzog Julius Franz bei dem Amtsschreiber in Neuhaus
schriftlich an, ob Wölfe im Amte seien. 1908/2 - 101 des
unbedeichten Elbflusses war. An einer Stelle jedoch trat der Darzing
bis an die Elbe und zwar an der Heerstraße, die von Mecklenburg über
Preten nach Darchau und weiter ins Reich führte. Diese Straße befand
sich im Besitz der Bewohner des Darzing und mußte als einziger
Zugang zur Elbe festgehalten werden. Aus diesem Grunde sind die
zwischen der Krainke und der Elbe an der genannten Straße liegenden
Dörfer Haar (trotz seines deutschen Namens ein Rundling) und Darchau
seit jeher zum Darzing gerechnet worden. Im übrigen gehörte das den
Überschwemmungen stark ausgesetzte und deshalb unwohnliche Gebiet
zwischen der Elbe und der Krainke unterhalb Herder, welches später
das Elbgestade hieß, zum Gau Drawehn bezw. zur Burg Hitzacker. Die
Feldmarken der überelbischen Dörfer, z. B. Tismisland, Glienitz,
Schutschur, Drethem, Küren reichen von altersher und noch heute über
die Elbe herüber bis an die Krainke. Auch die nach 1258 hier
angelegten Dörfer gehörten zunächst lüneburgischen Adeligen und
später zum Amt Hitzacker, soweit sie nicht durch die Herzöge von S.
L. zum Darzing hinzugekauft worden sind, wie es auch mit
verschiedenen Dörfern im Gau Waninge der Fall gewesen ist. 1908/2 - 102 und die
Slaven wären auf der ganzen Linie von der Elbe abgedrängt gewesen.
Diese Besetzung des Darzings ist zweifellos von der Burg Hitzacker
aus und unter dem Schutze derselben erfolgt. Das Vorkommen des
Gaunamens unter den Sülzhäusern der Lüneburger Saline weist auf eine
frühzeitige Verbindung des Gaues mit dem Lande Lüneburg bin. Da
[nach Hammerstein] 1) die Sülzhäuser ihre Namen nach alten
lüneburgischen Geschlechtern oder ihren Sitzen erhalten haben und
die Herren Von Hitzacker seit jeher im Besitze eines Guts Dötzing
gewesen sind, so erscheint der Zusammenhang nicht zweifelhaft. Die
Lage der ersten Burg Derzing ist noch nicht einwandfrei festgestellt
worden. Manecke vermutet sie in Konau 2) an der Elbe, Lisch an der
Herzogenfurt 3) (bei Preten) Wahrscheinlich ist jedoch das älteste
Schloß Dörtzing oder, wie es in Adam Tratzigers „Cronika u.
Jahrbücher" der Stadt Hamburg 4) heißt, „Dorningk" bei Zeetze zu
suchen. In der Nähe dieses Ortes liegt an der Krainke auf erhöhtem
Lande ein Trümmerhaufen in Gestalt eines Hügels. Die Stelle heißt
„Borgstäe" und es hat auf ihr nach der Ueberlieferung in alten
Zeiten eine Burg gestanden. Die an die Borgstäe anstoßende Feldflur
ist Domänenland und heißt »der Dorn" welchen Beinamen früher auch
die benachbarte Domäne Stixe führte. (S. oben). 1908/2 - 103 giltige
Niederwerfung der Slaven, die drei Jahrhunderte hindurch mit fast
beispielloser Ausdauer um ihre heiligsten Güter gekämpft hatten. Bei
dieser Gelegenheit erfolgte die zweite Invasion in den Darzing.
Diesmal aber nicht wieder von Hitzacker aus, sondern von der
Erteneburg oder der Boyceneburg her auf dem „Sassenweg" in der
Niendorfer Feldmark bezw. über die „Herzogsfurt" in der Sude bei
Preten in den Darzing. An dieser Stelle führte die Heerstraße von
Hamburg, Lübeck, Meckenburg vorüber ins Land hinein und weiter nach
Darchau, dem uralten Elbübergangsort für die Bewohner des Darzing.
Die Herzogsfurt war der Paß in den Gau Darzing und um diesen zu
schützen, wurde in seiner Nähe eine Burg angelegt, das NEUE HAUS in
dem Darzing, NEU gegenüber der ersten Burganlage, dem „Dorning" oder
„Derzing" bei Zeetze. Hiernach ist das „Neue Haus" nicht Nachfolger
des alten, sondern gewissermaßen sein jüngerer Bruder, wenn man
will, sein Konkurrent. 1908/2 - 104
Sprengel das Ländchen gehörte, verlieh Heinrich der Löwe dem Bistum
den Zehnten und den Gerichtszwang in den Wendischen Grafschaften
1).
Ob der Graf von Danneberg diese Einkünfte bezüglich des Darzings zu
Lehen trug, ist nicht erwiesen, wenn schon, so war es nur eine Form,
da die wenigen und kleinen Dörfer des Ländchens von heidnischen
Slaven bewohnt waren, die weder den Zehnten entrichteten, noch
Gelegenheit zu Einnahmen aus dem Gerichtszwang boten. Dafür kamen
die Abgesandten des Bistums, wahrscheinlich zu Schiffe die Elbe,
Sude und Krainke herauf bis zum Stapelplatz in der Mitte des Gaus,
allwo die Einwohner die Biscogniza, den wendischen Bischofszins
bereit zu halten hatten. Das Dorf Stapel ist wahrscheinlich eine
deutsche Gründung, es war früher der Hauptort des Gaus und hat als
erster in demselben eine Kirche erhalten. 1908/2 - 105 ein
Glied der sehr alten, weitverzweigten und unter verschiedenen Namen
(Ghos, de Valva) auftretenden Familie der Herren von Hitzacker, der
ersten Besitzer der ältesten Burg Darzing, ist nicht bekannt. Aber
gleichwie zwei Burgen im Darling nachgewiesen sind, so erscheinen
auch zwei Besitzer solcher bei der ersten urkundlichen Erwähnung des
Ländchens. 1908/2 - 106 durch
Deutsche erfolgt sei, ist bezüglich des eigentlichen Darzing nicht
anzunehmen 1). Der sterile Sandboden daselbst war wenig verlockend
für fremde Einwanderer, die sich lieber auf dem fetten Marschlande
an der Elbe ansiedelten. So findet man noch heute durch das ganze
Amt Neuhaus, soweit der alte Darzing in Frage kommt, die Halbhufe,
den wendischen Haken, und die Flurnamen sind durchweg wendischen
Ursprungs. Nur Preten macht eine Ausnahme, in diesem Dorfe bestehen
zwar auch Halbhufen, doch sind die Flurnamen größtenteils deutsch
(z. B. im Hollen). Dagegen finden sich an der Elbe in den
charakteristischen Reihendörfern am Deich entlang die Vollhufe und z
T. deutsche Flurnamen, auch Darchau ist davon nicht ausgeschlossen.
Mehr als an der Vertreibung der Wenden lag dem Besitzer - der
Einkünfte wegen - wohl an der Bekehrung der heidnischen Einwohner
zum Christentum und diese machte auch so erfreuliche Fortschritte,
daß schon 1292 eine Kirche zu Stapel (s. oben) vorhanden war. Im
übrigen war es eine böse Zeit. Die Raubritter machten Wege und
Wasserstraßen unsicher, das Faustrecht regierte und in den Burgen
schmachteten die Opfer dieser Willkür als Gefangene. Der Darzing
wurde hiervon besonders stark betroffen, denn hier schaltete der
gefürchtete Hermann Ribe, der das Land angeblich vom Herzog Albrecht
II. erhalten hatte. Ribe legte auch die Burg Waninge an und legte
damit den Grund zu dem zweiten Rittergute im Amte Neuhaus. Gegen die
Straßenräuber aber wendeten sich sehr bald die Fürsten und Städte
der Umgegend. 1291 schon wurde unser Ländchen verheert, als in einem
Kriegszuge der mecklenburgischen Fürsten und der Städte Lübeck usw.
die Raubburgen des edlen Ribe zerbrochen wurden. Unter diesen werden
sich auch die Burgen des Landes Darzing befunden haben, wenngleich
sie von den Geschichtsschreibern nicht besonders 1908/2 - 107 genannt
werden. Nachdem das Schloß Hitzacker 1296 den Ribes abgenommen
worden war, hatte auch der Besitz des Darzings wenig Wert mehr für
sie. Hermann Ribe verkaufte deshalb im Jahre 1306 seine Güter in
Darzing für 1400 Mk. Pfennige den Herzogen Albrecht und Erich und
der Herzogin Margarethe von Lauenburg 1). „Im einzelnen aber und
namentlich habe ich mit dem GANZEN LANDE DARZINGHE denselben
Herzögen und der Herzogin verkauft und resigniert alle Güter, die am
Ufer der Elbe liegen mit dem Zehnten daselbst, gleicherweise ein
Dorf, welches Mansus monachorum heißt, in der Volkssprache aber die
Mönchs-Hufe, desgleichen das Dorf Willikensdorp, desgleichen das
Dorf Bonatze, die obere Insel, welche der oberste Werder heißt und
die unterste Insel, welche der niederste Werder heißt ...
Gleicherweise habe ich alle Güter, welche ich in dem Dorfe Banke
gehabt, den genannten Herren resigniert...." Die hier besonders
aufgezählten Orte gehörten zur Burg Hitzacker. 1908/2 - 108
versprochen worden „vor de Dertzhingtje, vor de redevyne un vor
weninghe", und er wurde nun mit 1200 Mk. Pfennige
abgefunden. 1) Mit den Herzogen von Obersachsen hat dagegen eine
Verständigung über den Darzing, wie sich später zeigen wird, erst
nach Krieg und Blutvergießen stattgefunden. Daß Herzog Erich nun den
Darzing verkauft oder verlehnt hätte, ist nicht bekannt, doch zeigt
die folgende Urkunde, daß von anderer Seite ein Besitz behauptet
wird. Nämlich in einer Urkunde d. d. Sternberg 1.
August 1328 2) nimmt der Fürst Heinrich von
Mecklenburg die Brüder SPRENGEL „ ... in use Vrede unde in usen
dienst, se unde ere erfenamen, met den Derstingen met Ziezte unde
met Gresse ... unde scolen en bumen en Hus to des Hertogenvorde up
use Kost ... des scolen de vir brudere antwerden Zeezte unde
Gresse ... dy slote scolen sy holden ... unde dat nye Hus also
lange wen wy us ... " Hier werden zuerst Schlösser im Darzing
genannt und zwar Zeetze und dat nye Hus an der Hertogenforde.
(Gresse liegt im Lande Boizenburg). Es sind mithin die beiden
Schlösser, deren Lage vorhin bereits bestimmt worden ist. 1908/2 - 109 mit dem
Herzog Rudolf von Sachsen gegen sie ins Feld zogen, das Land
verwüsteten und die Veste, den Dorningk 1) zerstörten. Nunmehr nahm
Herzog Erich das Land in eigene Verwaltung. Am 30. Oktober
1355
ernannte er Wasmod v. Meding zum Amtmann im Lande Darzing mit 100
Mk. Pfennigen Gehalt auf ein Jahr und überließ ihm die Brüche
(Strafgelder). Der Amtmann gelobte bezeichnender Weise OHNE DES
HERZOGS BEWILLIGUNG nicht zu rauben, auch von den Bewohnern keine
Schätzung zu erheben. 1908/2 - 110
wichtige Rolle, wahrscheinlich sehr zum Schaden seiner Bewohner. Bei
der vom Herzog Erich IV. vorsichtshalber geschehenen Verpfändung des
Lauenburger Landes an die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg wird mit
aufgeführt „ ... de Dertzinghe un dat Niehus mid alle deme dat
dar tu hort ..." 1) Es ist somit wieder ein Schloß vorhanden. 1908/2 - 111 Die
größere Bedeutung aber weckte den Uebermut der Inhaber des
Neuenhauses und sie traten gegen ihre Nachbarn sehr unfreundlich und
herausfordernd auf, namentlich gegen Bleckede, das von lüneburger
Ratsherrn verwaltet wurde. Da der Herzog selbst sich nach Ausweis
einer Bestallungsurkunde von 1488 (s. weiter unten) nur viel mal im
Jahre je 8 Tage auf dem Schlosse Neuhaus aufhielt, so hatten die
Amtleute freie Hand und verübten allerlei Unbill. In der Lüneburger
Chronik des Propstes Schomaker 1) wird 1473 bis
1479 über das
„Hofgesinde" von Nyenhuse gar bewegliche Klage geführt; die
Bleckeder Pfandinhaber wurden auf alle erdenkliche Art geschädigt,
ihre Schiffe angehalten, ihre Untersassen mißhandelt und beraubt.
Dagegen beklagt sich Herzog Johann, die Lüneburger in Bleckede
hätten ihm einige Dörfer aufgebrannt 2) Zu den Zeiten der Herzöge
Johann IV. und Magnus nahmen die Streitigkeiten und Klagen überhaupt
kein Ende. 1492 will der Herzog nicht den Zehnten im Darzing vom
Ratzeburger Bischof zu Lehn nehmen und dem Probst zu Eldena nicht
erlauben, Sendgericht im Darzing und im Kirchspiel Stapel zu halten
3). Im Jahre 1492 und nachher 1497 traten die Fürsten von
Mecklenburg mit ihren 1372 erworbenen Ansprüchen an den Darzing
hervor, sie wurden jedoch von dem Herzog Johann damit abgewiesen,
daß er seinerseits mecklenburgische Gebietsteile für sich verlangte.
In dem zuletzt genannten Jahre erfolgte übrigens auch die
Regulierung der streitigen Grenze zwischen Mecklenburg und dem
Darzing in der Kraatz 4). Inzwischen aber war das Ländchen von einer
Hand in die andere gegangen. Die ewige Geldnot der Herzöge zwang
dieselben zur Verpfändung von Teilen ihres Besitzes und manch
schönes Stück ist auf diese Weise vom Stammlande entfernt worden. 1908/2 - 112
1488 wurde das Neue Haus an Hans von Bülow unter den
folgenden Bedingungen eingetan: 1) das Schloß soll der Herzöge
offenes Haus sein, so oft sie das begehren, v. Bülow soll niemand
darauf dulden, der „Beschediger der Strathe edder Jemandes" ist, er
soll die Deiche und die Landwehren in Ordnung halten, dem Herzog
soll er einem Schreiber unterhalten und mit demselben alle Einkünfte
und die Brüche erheben. Von den Einnahmen erhält der Amtmann 70 Mark
und die Hälfte der Brüche. Ferner erhält er den Zehnten und alle
Burglieferungen, die Zölle zu Sückau, Rosien, Privelack, Darchau und
Bohnenburg. Dafür muß der Amtmann den Herzog mit seinem Hofgesinde
viermal im Jahre je acht Tage auf dem Schlosse unterhalten. Das
Ablager 2) behält sich der Herzog vor, ebenso die gemeine Bede und
alle anderen Hebungen und Aufkünfte an Dienstgeld, Flachs, Honig,
Kühen und Schweinen sowie die gemeine Landbede und die Mast in den
Wäldern. Der Gebrauch der Hölzungen ist dem Amtmann untersagt; die
Dienste der Bauern aus Dallien, Rosien und Sückau bleiben dem Herzog
für seinen Hof Barseke (bei Neuhaus, später eingegangen). 1492 wird
das Neue Haus vom Herzog Johann, der beständig in Geldnot war, an
Olrich und Hans von Bülow verpfändet. Ein Jahr später erhält Hinrich
Kroger (Krüger) vom Herzog Johann IV. das Neue Haus als Burglehen.
3) (Die Familie Krüger ist die einzige, welche das Neue Haus als
Burglehn besessen hat.) Trotz seiner Bedrängnisse hat der Herzog
doch die Gelegenheit zur Erweiterung des Gebiets des Neuen Hauses
sich nicht entgehen lassen; er hat 1473 von den v. d. Knesebeck
deren Güter in Bitter, Banke und Wilkenstorf 4) an der Elbe,
zunächst pfandweise erworben, bis Herzog Magnus sie später gekauft
hat. Im Jahre 1501 erscheint schon Herzog Magnus als Herr des
Darzings 1908/2 - 113 und
erklärt in einer Urkunde 1) von Donnerstag in hilgen Vasten, daß er
Reimer Blücher zum „Amptmann und foget thom Nyehus" eingesetzt und
ihm das Schloß mit dem Dartzinghe eingetan hat. Wenige Tage später
hat er bei seinem „Foget" schon eine beträchtliche Anleihe gemacht;
am Montag nach Palmarum 1501 verpfändet 2) er demselben wegen eines
Darlehns von 1000 Gulden die Dörfer „Dallien mit der Molen, Rossyn
und Sukow" mit allen Zubehörungen, Rechten und Gerichten hohen,
mittleren und niederen, an Hals und Hand, ferner „den tollen opp der
Sude, de ligge denn to Preten edder to Sukow". - Unter diesem
Amtmann werden die Amtsuntertanen gut daran gewesen sein; Reimer
Blücher war ein ausgezeichneter Mann und ein treuer Ratgeber seines
Fürsten, der ihm oft Beweise seines Vertrauens gegeben hat. Bei der
ersten bekannten Deichbesichtigung im Jahre 1509 fungierte Reimer
Blücher als lauenburgischer Beauftragter und der Streit zwischen den
Amtleuten in Hitzacker und in Darzing wegen eines Stacks in der Elbe
sollte laut Vertrag der Fürsten durch ihn und - von lüneburgischer
Seite - den Probst von Medingen untersucht und geschlichtet werden.
3) 1908/2 - 114
Pestilenz ein Grab geöffnet und der Leiche der Kopf abgeschnitten
worden war, durch welche Gewaltmaßregel der Aberglaube der Epidemie
ein Ziel zu setzen vermeinte. Es ist nicht ausgeschlossen, daß, wenn
nicht schon eher, zu dieser Zeit die Kirche in Caarssen, die ZWEITE
KIRCHE im Darzing, deren Entstehungsjahr unbekannt ist, errichtet
wurde. Inzwischen hatte im Neuen Hause wieder einmal das Regiment
gewechselt. Im Jahre 1507 hat Herzog Magnus Segeband Wittorf zum
Amtmann und Vogt im Neuen Hause und dem Dartzing eingesetzt. 1) Es
müssen unruhige Zeiten gewesen sein, denn der Amtmann soll
verwahren, verwachten und bestellen die Burg mit Wacht und Warnisse
und ferner „de lude im land mit nener unwitlichen unbillichheit
besweren und de in eren Gebreken nah vermoge syner und witte mit
frundscop oste recht entscheden." Das sind Worte, die dem wilden
Herzog Magnus alle Ehre machen. Daß der Herzog andererseits nicht
immer nach Recht verfuhr, zeigte die Klage gegen ihn vom Jahre
1524,
„er habe Münstersche Kaufleute bei Artlenburg aufgegriffen und halte
sie im NEUEN HAUSE gefangen." 2) 1908/2 - 115 Die
Herzogin war eine energische Frau, die ihre Rechte vertrat und sich
die Uebergriffe der benachbarten lüneburgschen Amtleute nicht
gefallen ließ. Nämlich mit dem Verfall der Macht und des Ansehens
des Herzogtums änderte sich auch das Verhältnis zu den Nachbarn.
Hatten früher die letzteren sich über die Herren des Neuen Hauses
beklagt, so finden wir jetzt Streitschriften und Klagebriefe der
Fürsten über alle möglichen Uebergriffe, sogar die Bauern in
Strachau lehnten sich auf. 1652 beklagt sich die Herzogin Katharina
bei der Braunschweig-Lüneburgschen Regierung, daß die Strachauer auf
ihrem Grund und Boden mit ihrem Vieh den „fürstlichen Haber"
abgehütet hätten. Der Strachauer Bauer Ketzsche hat sich sogar an
dem Befehlshaber der Fürstin vergriffen, ihm einen „Schaden in die
Schulter gehauen und schwerlich verwundet." Ferner weigerten sich
die Dorfschaften Nassau und Banke (unweit Zeetze, das Banker Land
grenzte an die Borgstäe daselbst an) den von alters her zum
NEWENHAUSE SCHULDIGEN Zehnten zu geben, obwohl sie dieser Pflicht
bisher stets nachgekommen waren. Die Klagen und Zwistigkeiten nahmen
so zu, daß von den beiderseitigen Regierungen ein „Tag" zur
Beilegung desselben angesetzt wurde. 1558 bevollmächtigen die
Herzogin Katharina und Herzog Franz den Hermann v. Bülow, Ulrich
Schade und Johann Schulze, sie in ihren Sachen gegen
Braunschweig-Lüneburg zu vertreten. 1908/2 - 116
gründlich Wandel geschaffen, wie zu ersehen ist aus dem Grenz Buche
des Dr. Münsinger von 1590: „Und bitte mir nicht zu verargen oder
zum Vorwitze zu deuten, daß ich hier setze, daß es zu beklagen, ja
eine große Sünde ist, daß die Dike so lange das Amt Neuhaus ist ins
Gemeine nicht in bessere Acht genommen werden, da sie ins Gemeine so
untüchtig, schwach und zerbrochen und gefährlich sein, daß man muß
erkennen, wo der liebe Gott nun ein Jahr zwey oder drey hero nicht
scheinbarl. behütet hette, wehre die Elbe eingebrochen und das
schöne Marschland mit Sand übergossen und verderbet." Diese
Befürchtung ist in der Folge mehrfach zur Tatsache geworden. 1908/2 - 117 von ihm
neu erbauten Schlosse 1), besonders nach dem Brande des lauenburger
Schlosses, und viele seiner Regierungshandlungen sind „Geschehen
auff unserer
Vehste Newenhause ..." 2) Für das Amt und seine
Bewohner hat er treu gesorgt und Recht und Ordnung in die Verwaltung
gebracht durch das Amts-Grenzbuch von 1590 und das Amtslagerbuch von
1602. Unter seiner Regierung wurde für die Bewohner der Vorburg, d.
h. der Ansiedlung vor dem Schlosse, eine Kirche erbaut (1616-1626)
und ebenso ließ Franz II. in Tribkau eine Kirche errichten, die
1620
eingeweiht worden ist. Für die „arme abgelebte" Leute im Lande
Dersingen sorgte er durch Errichtung eines Hospitals in der Vorburg
und stiftete die Mittel zum Unterhalt der Insassen, die nach der
Stiftungsurkunde von 1608 sich dafür nach ihren Kräften zum
allgemeinen Besten nützlich machen sollen, z. B. durch Pflege und
Wartung von Kranken u.s.w., was aber anscheinend heute in
Vergessenheit geraten ist. 1908/2 - 118
Pflanzen als Cypressen, Myrten, Pomeranzen, tragende Citronen-,
Granat- und Feigenbäume enthielt. So bot das Schlößchen einen sehr
angenehmen Aufenthalt und es finden sich zahlreiche Beweise, daß
auch die Kinder des Herzogs Franz II. oft hier weilten, besonders
nachdem der letztere 1619 gestorben war und seine Gemahlin Marie das
Amt bis 1626 inne hatte. Nach dem Tode dieser Fürstin ließ der
regierende Herzog August den Darzing für sich in Besitz nehmen, sehr
zum Aerger seiner anderen Brüder, die auf eine Verbesserung ihrer
Einnahmen vertröstet worden waren. Das Vorgehen des Herzogs August
verursachte viel Familienzwist und hat auch die Landstände und den
Reichshofrat beschäftigt. 1) In diese Zeit fiel der dreißigjährige
Krieg, der Weh und Unglück über das Ländchen gebracht und seine
Bewohner in den Tod oder ins Elend gejagt hat. Leider hat die
geteilte Stellungnahme der Glieder des Herzogshauses viel zu der
Ueberschwemmung des Landes mit Truppen aller Herren beigetragen.
Schon 1626 nach der Schlacht bei Lutter kamen die Dänen in den
Darzing, 1627 rückte Tilly bei Bleckede über die Elbe und nahm das
Schloß Neuhaus 2) ein. Kurze Zeit später kam auch noch Wallenstein.
Die Truppen hausten übel in dem wehrlosen Lande Darzing. Hier hielt
sich bei seiner Anwesenheit im Lande der Herzog Franz Carl auf, der
Freund des Mansfelders und der Schweden. Diesem Umstand ist auch
wohl der Besuch der Kaiserlichen unter dem Oberst Reinacker (nach
Merian Graf Pappenheim 3) zuzuschreiben, der 1630 das Schloß Neuhaus
eroberte. Unaufhörlich kamen Truppen in das Ländchen, alle Völker,
die am Kriege teilnahmen, brandschatzten mit ihren Landsknechten die
armen Bewohner. Die Kapellenrechnungen von Krusendorf (1820 mit
Sumte zum Amt Neuchaus gelegt) geben einige Aufschlüsse darüber. Im
Jahre 1629 haben dänische Soldaten die Kapelle ausgeraubt, den Kelch
mitgenommen und unterwegs ver- 1908/2 - 119 kauft.
Die Krusendorfer sind ihrem Kelche nachgegangen und haben ihn für
6
Taler eingelöst. „Weil das Kriegswesen und die Einquartierung nebst
dem daß beede Armeen allhier durch in Holstein Ao 1643 und Ao
1644
wieder herausgegangen, beharrlich kontinuiret, dahero die Leute so
noch vorhanden, AUSZERHALB HAUS UND HOF sich aufhalten müssen und
also bis incl. 1647 keine Einnahme" - „dieweil die Wischen in diesem
betrübten Kriegswesen nicht gemeyet werden können und da sie ja noch
gemeyet, ist das Heu von den Reutern verrissen oder sonsten
verdorben, seithero 1639 garnicht
gewonnen, da die Leute darüber verstorben. ..." 1908/2 - 120 Kapelle
in Haar neu herstellen lassen 1) und sich bei deren Ausstattung sehr
freigebig gezeigt 2). Als weitschauender Fürst zeigte er sich
dadurch, daß er 1664 die „geschwinde Post" von Hamburg nach Berlin
und Halle in den Darzing zog und die Einrichtung einer Posthalterei
in Tripkau bewirkte, von welcher die Posten durch das Amt befördert
wurden. Die Nachfolger des Herzogs Franz Erdmann oder ihre Amtleute
wußten aber den Vorteil dieser Einrichtung nicht zu schätzen, die
Wege und Brücken verfielen und die Post fuhr später über Lübtheen.
Leider starb der Fürst schon 1666, kurze Zeit nachdem er die
Regierung des Herzogtums angetreten hatte. Ihm folgte im Besitz des
Darzings Julius Franz, der letzte Herzog. Auch er hatte eine
Vorliebe für das Ländchen und pflegte stets in Neuhaus zu
residieren, wenn er von seinen böhmischen Besitzungen ins
lauenburger Land kam. Das Amt Neuhaus verdankte ihm die Berechtigung
zum Holzsammeln in den herrschaftlichen Wäldern, welche leider vor
einigen Jahren abgelöst wurde. Dieser Fürst verschied plötzlich am
19./29. September 1689 zu Schlackenwerth. Zahlreiche fürstliche
Personen traten mit dem Anspruche auf die Nachfolge im Besitz des
Landes hervor. Schon am 27. September erschien in Neuhaus der
Generalbevollmächtigte des Kurfürsten von Sachsen und ergriff für
seinen Herrn Besitz von dem Schlosse und dem Amte, eröffnete dies
dem Amts- und dem Kornschreiber, wie auch dem Capitain d' Armes und
ließ sich von ihnen Handgelöbnis geben. Dasselbe wiederholte er bei
der Garnison, d. h. den wenigen Soldaten, die die Schloßwache
bildeten. Außerdem machte er zum Zeichen der Besitzergreifung die
Tür der im Eingang des Schlosses belegenen Silberkammer auf und zu
und glaubte gewiß, nun alles getan zu haben, um seinem Herrn den
Besitz des Landes zu sichern. Am 28. September erging ein 1908/2 - 121
Schreiben an das Amt von Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg,
daß von Grote in besonderer Mission eintreffen werde; einen Tag
später erging schon die Verfügung, daß er als Kreis Obrister zur
Conservierung und Beruhigung des Landes Anordnungen treffen und
einen Beauftragten senden werde. Dies war der Oberhauptmann Schenk
von Winterstedt aus Dannenberg, der nun in aller Form und
Gründlichkeit Besitz ergriff. Inzwischen ging etwas post festum von
der in Ratzeburg im Namen Johann Georg III. Herzog von Sachsen,
Jülich Cleve und Berg eingesetzten Regierung an den Amtsschreiber
Eckstein die Weisung ein, den Befehl über die Soldaten in Neuhaus zu
übernehmen und sich auf dem Schlosse in Verteidigungszustand zu
setzen. Der Erfolg aller dieser Versuche und Maßnahmen ist bekannt:
Georg Wilhelm, Herzog zu Celle schickte Truppen ins Land und dieser
Beweisführung vermochte sich niemand zu entziehen. 1690 schickte
allerdings auch Dänemark Truppen, die übel hausten im Darzing und
Lauenburg brandschatzten; Neuhaus mußte liefern: 65 671 Pfund Brot,
4236 1/4 Tonnen Hafer und 858 Fuder Heu. Aber Georg Wilhelm blieb im
Besitz des Landes und schloß 1702 den bekannten Landesreceß.
Inzwischen war im Amte Neuhaus als Bevollmächtigter der Töchter des
Herzogs Julius Franz der Hofrat Kramer tätig, der die Mobilien, das
Inventar der Vorwerke und alle sonstigen Besitztümer des Herzogs
verkaufte, wohin, war ihm gleich; ein großer Teil ging an Trödler in
Hamburg; 11 Bilder erhielt die Ritterschaft als Geschenk. 1908/2 - 122
Fehlbeträge beständen zum größten Teil aus Rückständen der
Amtsuntertanen in den Abgaben. Die Ursache dieser Rückstände seien
teils die Pressuren der dänischen Truppen, teils der Umstand, daß
außer den Römer-Monaten (Türkensteuer) Kammerzielern und anderen
Auflagen zu verschiedenen Malen Contributionen von 7000 Talern im
Amte erpreßt und nach Böhmen gesandt seien (das letztere muß aber
wohl bezweifelt werden!) Außerdem hätten die „abgeteilten Herren"
mit Extraauflagen nicht zurückgehalten. Ein Kommissar berichtet im
Oktober 1689: „Wegen der Römer Monath Gelder ... in
hiesigem Amte fehlen noch bis 700 Taler und nun weiß ich kein Mittel
wie solches herauszubringen, mit Exekution ist nichts zu erlangen,
wie scharf mans auch hatte angefangen. Der Amtsschreiber sagt, er
wolte etliche die gar noch nichts ausgegeben, morgen holen und
einstecken lassen, ob aber solches würde helfen und bei diesem
eingefallenen Froste angehen können, zweifle 1908/2 - 123 dann
herrschten die Franzosen, wobei das Amt 1810 dem französischen
Kaiserreiche einverleibt wurde. 1813 besetzten die verbündeten
Truppen das Land und gaben es somit dem früheren Besitzer zurück.
Der Friede von 1815 brachte dem lauenburger Lande die Abtretung an
Dänemark durch Vertrag vom 15. Juni 1815, doch: „ ...
cependant la
baillage de Neuhaus située entre l'Elbe et Mecklenburg aussique les
villages .... Sont exclus de cette cession." 1) Von dieser Zeit an
ist das Amt Neuhaus von Lauenburg, dem es von 1258 ab fast
sechshundert Jahre angehört hatte, abgetrennt. Es bildete zunächst
einen selbständigen Bezirk, kam 1866 mit dem übrigen Hannover an das
Königreich Preußen und gehört seit 1884 zum Kreise Bleckede im
Regierungsbezirk Lüneburg. 1908/2 - 124 das Amt
an die Kammer, daß das Schloß abgebrochen und von den Steinen das
Brauhaus gebaut worden sei. Daß die größte Hälfte der Steine zum Bau
des Gutshauses in Blücher verwendet ist und daß diese Steine von den
Untertanen im HOFDIENST dorthin geschafft worden sind, wie alte
Leute nach der Ueberlieferung noch erzählen, das steht nicht in den
Akten. Das Schloß war gefallen. Die Vorburg hob sich und trat
bezüglich des Namens die Erbschaft des Schlosses an. Es heißt jetzt
im Kirchenbuche nicht mehr „in der Vorburg", sondern „in Neuhaus."
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