Wenn in den folgenden Zeilen
Ereignisse, die in der kurzen Form eines Vortrages schon einmal in
diesem Archiv behandelt worden sind, noch einmal in ausführlicher
Weise dargestellt werden, so ist das daraus zu erklären, daß durch
Berichte von Zeitgenossen, vor allem aber durch eine ganze Reihe von
Akten eine weit breitere Grundlage der Erzählung gewonnen ist. Jene
Zeitgenossen sind einmal der Justizrat Kielmann, der lange Jahre das
Zollwesen in Lauenburg leitete und 1849
stellvertretender Vorsitzender der Landesversammlung war, und dann
der in seiner Vaterstadt Mölln hochangesehene Achtmann Chr. Dahm;
die Akten aber, welche mir durch die Güte des Herrn Amtsgerichtsrat
Dührsen zur Verfügung gestellt sind, stammen aus dem Nachlaß des
Justizrates Walter, der von 1848 bis 1850
selbst Mitglied der Stadthalterschaft Lauenburgs war und daher einen
ganz hervorragenden Anteil an den damaligen Ereignissen nahm.
Die Nachrichten von der Februarrevolution in Frankreich übten auf
alle Deutschen eine fast bezaubernde Wirkung aus, denn die liberalen
Forderungen, die schon seit Jahrzehnten erhoben, aber nur in
einzelnen Staaten, und auch da nur teilweise bewilligt waren,
schienen im Nachbarlande sämtlich erfüllt zu sein und traten deshalb
auch bei uns mit unwiderstehlicher Gewalt wieder in
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den Vordergrund. Aber neben dem Streben nach einer Mitwirkung des
Volkes bei der Gesetzgebung, nach Preßfreiheit und Vereinsrecht,
nach Volksbewaffnung u. a. regte sich auch das nationale Gefühl des
deutschen Volkes, und in unseren Grenzmarken, die unter einem
fremden Könige standen, trat dieses in dem Streben hervor, nur durch
Personalunion mit Dänemark verbunden zu sein und einen deutschen
Herzog zu haben.
Im Monat März 1848, so schreibt Kielmann, stand ganz
Deutschland mitten in der Revolution, und auch unser Herzogtum
Lauenburg machte diese Krankheit durch, so daß auch ich Gelegenheit
nehmen mußte, auf einer Lauenburger Versammlung das Wort zu
ergreifen und zur Besonnenheit zu ermahnen. Von den Berliner
Barrikaden kamen die Freischarenzüge auf der Eisenbahn durch unser
Ländchen, um in Schleswig-Holstein sich an dem Kriege gegen Dänemark
zu beteiligen, durch welches Beispiel denn auch bei uns eine solche
Aufregung entstand, daß Schlimmes zu befürchten war, weshalb wir
eine Art Bürgerwehr errichteten, die allabendlich die Wache bezog
und einen Patrouillendienst bis in die Nacht hinein ausführte, um
größere Ausschweifungen fernzuhalten, und hierbei habe ich längerere
Zeit mitgewirkt. Doch bald gingen die Sturmeswellen weniger hoch.
Die Bewaffnung der Bürgerwehr, von der Kielmann hier spricht, wurde
von der Königlichen Regierung am 25. März 1848
angeordnet. In der betreffenden Verfügung an die Magistrate der
Städte heißt es: Wenn auch erhofft wird, daß im Herzogtum Lauenburg
keine Veranlassung zu Auftritten gegeben werde, deren Unterdrückung
im Interesse der allgemeinen Sicherheit geboten werden müßte, so
wollen wir Euch doch autorisiert haben unverzüglich die gesamte
Bürgerschaft sich bewaffnen und unter Eurer, des Magistrats, Leitung
zu einer Sicherheitsbehörde bilden zu lassen, welche nötigenfalls
sofort zur Sicherung bedrohter Persönlichkeiten oder
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gefährdeten Eigentums einschreiten könnte. Den Stamm kann füglich
die Schützengilde der Stadt abgeben. Und wie nach Kielmanns Bericht
damals eine Volksversammlung in Lauenburg stattfand, so hören wir
auch von einer solchen in Ratzeburg, die am 27. März
1848 abgehalten wurde. Die Beschlüsse dieser sind
übrigens gemäßigt und haben einen erfreulichen nationalen Charakter.
Da unser Herzog, so heißt es, unfrei und die Organe der
Lauenburgischen Regierung inmitten einer bewegten Bevölkerung der
dänischen Hauptstadt dem Andringen derselben unterliegen müssen, so
erachtet sich die Regierung für verpflichtet, im Namen des
Landesherrn und der allseitigen Interessen das Regiment
fortzuführen, erklärt sich jedoch provisorisch für selbständig und
wird alle Maßregeln ergreifen, welche im Interesse des deutschen
Herzogtums Lauenburg sich unter den gegenwärtigen politischen
Verhältnissen als notwendig und unausbleiblich darstellen. Die
Regierung setzt sich zu diesem Zwecke in Verbindung mit einem
Ausschusse, welcher aus zwei von der Ritter- und Landschaft zu
designierenden Mitgliedern und einigen anderen Männern, die das
Vertrauen der Stände haben, besteht, und wirkt mit demselben
gemeinsam bei allen Fragen, welche das nationale Interesse des
Landes angehen. Als solche Männer sind von der Versammlung
bezeichnet: Advokat Ro[h]rdantz aus Mölln, Justizrat Höchstädt aus
Ratzeburg und Landschaftssekretär Hornbostel, ebenfalls aus
Ratzeburg. Vorbehalten wird noch ein von Bürgern und Vorbürgern in
Lauenburg zu wählendes Mitglied. Die Regierung verhielt sich diesen
Beschlüssen gegenüber im ganzen entgegenkommend. In ihrer Erklärung
vom 27. März 1848 spricht sie ihre
Billigung aus, sie führt nur provisorisch das Regiment fort und
verpflichtet sich, die Mittel des Landes nicht zu Zwecken zu
verwenden, welche den Interessen des dem Vaterlande angehörenden
deutschen Herzogtums widerstreiten. In dem Kampfe zwischen
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Dänemark und Schleswig-Holstein, welcher auszubrechen droht, will
die Regierung vollständige Neutralität in Anspruch nehmen. Wenn die
Eigenschaft des Herzogtums Lauenburg als deutscher Bundesstaat in
der Beziehung Konflikte herbeiführt, dann soll dieser unverhoffte
Fall als eine das ganze Nationalinteresse des Landes angehende Sache
von der Regierung in Verbindung mit einem Ausschusse beraten werden,
der nach dem Vorschlage der Volksversammlung aus zwei von der
Ritter- und Landschaft zu designierenden Mitgliedern und einigen
anderen Männern, die das Vertrauen des Landes haben und mit der
Ritter- und Landschaftlichen Deputation eine „Committee" bilden
werden, bestehen wird. Dieser Ausschuß soll in allen und jeden
Fragen, welche die Nationalinteressen des Landes angehen werden,
sich mit der Regierung in Verbindung setzen; er ist also als ein
Zugeständnis an die liberalen und nationalen Forderungen der
Volksversammlung zu betrachten.
Im weiteren Verlaufe der Ereignisse sagte sich Lauenburg von
Dänemark los; und dieses mußte bei der Erhebung Schleswig-Holsteins
notgedrungen eine unmittelbare Einwirkung auf die Regierung unseres
Landes aufgeben. Allerdings suchten die dänischen Behörden noch eine
gewisse Autorität aufrecht zu erhalten. Durch eine königliche
Verfügung vom 30. März bekam die Regierung in
Ratzeburg die Vollmacht, alle das Herzogtum Lauenburg oder einzelne
Distrikte, Korporationen und Bewohner desselben betreffenden Sachen,
welche bisher an die Schleswig-Holstein-Lauenburgische Kanzlei in
Kopenhagen gelangt waren, entgegenzunehmen, und soweit diese Sachen
von diesem Immediatkollegio durch kollegialische Resolutionen,
Bescheide oder Schreiben oder ohne vorgängige Allerhöchste
Resolution durch Rescripte und Resolutionen im Auftrage erledigt
worden sind, soll sie die Regierung in Ratzeburg nach ihrem
verantwortlichen Ermessen erledigen; soweit es aber zur
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Erledigung nach bisherigem Brauch einer allerhöchsten Resolution
bedarf, soll an den dänischen Minister des Auswärtigen, den Grafen
Knuth, berichtet werden, und in diesen Sachen darf die Regierung in
Ratzeburg nur diejenigen einstweiligen Verfügungen treffen, die zur
Sicherung der Wohlfahrt der lieben und getreuen Untertanen im
Herzogtum Lauenburg und zur Aufrechterhaltung eines regelmäßigen
Geschäftsganges bei den dortigen Behörden erforderlich erscheinen.
Außerdem verspricht der König, wie er das auch schon dem Herzogtum
Holstein in Aussicht gestellt hat, eine freie Verfassung, worin
namentlich auch Volksbewaffnung, Preßfreiheit und Vereinsrecht ihre
Geltung finden werden. Daneben wird sich der König den Bestrebungen
für Errichtung eines kräftigen und volkstümlichen deutschen
Parlamentes offen anschließen. Endlich hat die
Schleswig-Holstein-Lauenburgische Kanzlei bemerkt, daß für den
Augenblick nicht definitive Beschlüsse, sondern nur provisorische
Maßregeln von der hiesigen Regierung zu treffen seien, indem die
endliche Ordnung aller öffentlichen Verhältnisse des Herzogtums
Lauenburg einer gemeinsamen Erwägung in ruhigeren Zeiten vorbehalten
sein werde.
Die Ansprüche, die trotz der faktischen Loslösung Lauenburgs immer
noch von Dänemark gemacht wurden, führten sogar zu einem
Kompetenzkonflikt mit dem deutschen Bunde wegen des Lauenburgischen
Kontingentes.
Am 20. April 1848 hatte
der Bund beschlossen, daß dieses Kontingent gestellt werden müßte,
und der Bundesfeldherr General von Wrangel hatte infolgedessen die
Lauenburgische Regierung aufgefordert, dieses ohne Säumen zu tun.
Unter dem 8. Mai hatte die Regierung darauf
geantwortet und auch die Mannschaft einberufen. Indessen gibt sie in
einem Schreiben vom 13. Mai davon Nachricht, daß die
einberufene Mannschaft nur teilweise den ergangenen Befehlen
Gehorsam geleistet hat und daß
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ihr dagegen von der Schlesig-Holstein-Lauenburgischen Kanzlei in
Kopenhagen eröffnet sei, wie Se. Majestät der König als Herzog von
Lauenburg der Bundesversammlung das Recht nicht zugestehe, irgend
welche das Herzogtum Lauenburg betreffende Anordnungen einseitig und
eigenmächtig zu treffen.
In einem Berichte vom 17. Mai machte dann der General
von Wrangel dem preußischen Ministerium der auswärtigen
Angelegenheiten Anzeige von der Renitenz der Lauenburgischen
Regierung und beantragte die Besetzung des Landes durch preußische
Truppen und Anordnung einer Bundessequestration. Dieses wurde dem
politischen Ausschusse des Bundestage am 21. Mai durch
das Preußische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten
angezeigt. Aber schon vorher hatte der Lauenburgische Landesausschuß
am 15. Mai einen Ausweg aus dieser schwierigen und
gefährlichen Stellung mitten zwischen der dänischen Regierung und
dem Bundestage gefunden. Dieser Ausweg bestand darin, daß die
Mitglieder der Lauenburgischen Regierung zu Ratzeburg ihr
Entlassungsgesuch einreichten, denn erst jetzt konnte eine
provisorische Landesregierung unter Berücksichtigung der Wünsche der
Landesvertretung bis zur definitiven Regulierung der Verhältnisse
des Landesherrn zum deutschen Bunde vorgeschlagen werden, und dieser
provisorischen Regierung sollte die im Lande befindliche
Bundes-Militärmacht zu Gebote gestellt werden. Zur Ausführung dieser
Maßregel sollte auf eine von seiten des Landesausschusses ergehende
Anforderung eine benachbarte Bundesregierung beauftragt werden,
einen Kommissarius namens des Bundes nach Lauenburg zu entsenden.
Am 2. Juni überreichte dann der Holsteinische
Bundestagsgesandte die Abschrift eines Schreibens der
Lauenburgischen Regierung an die provisorische Regierung zu
Rendsburg vom 13. Mai, worin es abgelehnt wird in
Gemäßheit des Bundesbeschlusses vom 6. Mai wegen
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Auseinandersetzung von Holstein und Lauenburg in Beziehung auf ihre
Vertretung beim Bunde und ihr gegenseitiges Beitragsverhältnis zu
den matrikularmäßig veranlagten Bundeslasten mit der provisorischen
Regierung in Rendsburg in Verhandlung zu treten. Außerdem begab sich
aber eine Deputation der Lauenburgischen Stände, bestehend aus dem
Grafen Kielmannsegge von Gülzow, dem Gutsbesitzer Berkemeyer von
Groß-Thurow und dem Senator Meyer aus Lauenburg, nach Frankfurt, um
mündlich die am 15. Mai von dem Landesausschuß
schriftlich vorgetragenen Wünsche zu wiederholen, auf die Anordnung
einer interimistischen Verwaltung von seiten des Bundes anzutragen
und zugleich um eine gehörige Berücksichtigung der Verhältnisse des
Herzogtums Lauenburg beim demnächstigen Friedensschlusse mit
Dänemark zu bitten.
Am 16. Juni fand dann eine Bundestagssitzung statt, in
der von dem Hannoverschen Gesandten im Namen des politischen
Ausschusses auf Grund der vorstehenden Eingaben Bericht erstattet
wurde. Es wurde von diesem Ausschuß der Antrag gestellt auf folgende
Beschlußnahme der hohen Bundesversammlung. Da der König von Dänemark
die Erfüllung seiner Bundespflicht verweigert und dadurch die
Abdankung der Lauenburgischen Regierung herbeigeführt hat, da er
ferner diese Abdankung nicht angenommen hat, so droht eine
Verwirrung der Landesverhältnisse, und da die verfassungsmäßigen
Organe des Herzogtums zur Abwendung dieser Gefahr die
Dazwischenkunft des deutschen Bundes angesprochen haben, soll eine
interimistische Verwaltung des Herzogtums Lauenburg eintreten. Daher
wird dieses unbeschadet der Rechte des Königs von Dänemark bis zur
Einstellung der von Dänemark gegen den deutschen Bund verübten
Feindseligkeiten und bis zur Herstellung des Friedens von seiten des
deutschen Bundes in Administration genommen und wird vom Bunde ein
Kom[m]issarius ins
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Herzogtum Lauenburg entsandt, um eine interimistische Verwaltung
einzurichten und darüber demnächst Bericht zu erstatten.
Bei der hierauf vorgenommenen Wahl wurde „der Herr Gesandte von
Baden" zu dieser Sendung ausersehen und erklärte sich auch dazu
bereit. Daher wurde das Präsidium ersucht, diesem Gesandten, dem
Herrn Geheimrat Dr. Welcker, die entsprechenden
Vollmachten und Instruktionen auszufertigen, außerdem aber auch den
nötigen, seiner Zeit zu verrechnenden Reisevorschuß auf die
Bundesmatrikularkasse anzuweisen. Unterzeichnet ist dieser Beschluß
des Bundestages von sechzehn Gesandten der deutschen Staaten, an
erster Stelle von dem Präsidenten von Schmerling.
Am 10. Juli fand dann die Versammlung in Ratzeburg
statt, in der Welcker auf Grund einer besonderen Vollmacht vom 30.
Juni eine Administration des Herzogtums Lauenburg einsetzt. Zum
Direktor dieser Administration wurde der Graf Kielmannsegge und zu
Administrationsräten die Justizräte Walther und Höchstedt gewählt.
Alle drei wurden sofort in Eid genommen, insbesondere auch darauf,
jede Einmischung Königlich Dänischer Behörden in die
Landesverwaltung und jede Verfügung über die von nun an der namens
des deutschen Bundes regierenden Landesadministration unterstehenden
öffentlichen Gelder aller Art verhindern und für die Erfüllung der
dem Herzogtum aufliegenden Bundespflichten getreulich Sorge tragen
zu wollen.
Die Eidesformel wurde von Welckers Sekretär, dem berühmten Dichter
Scheffel, verlesen. Darauf forderte der Immediatkommissar Welcker
die drei Administratoren auf, mit diesem Augenblick ihre Function
anzutreten und sicherte zu, daß er das Land durch ein Manifest von
dem heutigen Akte in Kenntnis setzen wolle.
Da stellte der Justizrat Walther die Frage, ob und wie der
Landesherr von diesem Vorgange Kunde erhalten
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solle. Welcker erwiderte darauf, daß mit Dänemark alle Kommunikation
außer der völkerrechtlichen abgebrochen sei, daß die betreffende
Mitteilung aber entweder vom Deutschen Bunde oder von ihm selbst als
Bevollmächtigtem an die Krone Dänemark erfolgen werde. Er werde auch
alle bisherigen Lauenburgischen Behörden davon in Kunde setzen und
von ihnen einen Revers fordern, daß sie ferner nicht mehr mit den
Behörden in Kopenhagen communicieren und keine von diesen ausgehende
Weisung befolgen wollten. Es werde jedoch die Lauenburgische oberste
Landesadministration natürlich befugt sein, je nach den Umständen
der Krone Dänemark auch während des Kriegszustandes etwa nötige an
sich erlaubte völkerrechtliche Mitteilungen zu machen, wie sie einer
die Souveränität verwaltenden höchsten Landesbehörde zustehen.
Außerdem sicherte der Bundeskommissar allen in ihrer Funktion
verbleibenden Lauenburgischen Beamten den Schutz des Deutschen
Bundes in derselben Weise zu wie den bestellten Administratoren.
Alle Beamten mußten in der Tat einen Revers unterschreiben, in
welchem sie sich verpflichteten, bis zum hergestellten Frieden mit
Dänemark unbeschadet der Rechte S. M. des Königs von Dänemark jene
Behörde als die höchste Landesautorität anzuerkennen und daher die
aus dem Diensteide hervorgehenden Pflichten gegen dieselbe getreu zu
erfüllen. Insonderheit erklären sie bis zum Abschluß des Friedens
keinerlei Rücksicht auf die etwa von den Kopenhagener Behörden
ausgehenden Verfügungen und Reskripte nehmen und ihrerseits jede
Kommunikation mit denselben vermeiden zu wollen. In einer Ansprache
vom 15. Juli teilte die Administration der Bevölkerung
mit, daß sie die Verwaltung des Landes übernehme unter möglichster
Berücksichtigung der Wünsche der Bevölkerung, unter Achtung der
Rechte des abwesenden Landesherrn und in der Erwartung dessen, was
die Nationalversammlung
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in Frankfurt, die gegenwärtig damit beschäftigt sei, die
Grundgesetze für eine Verfassung des großen deutschen Vaterlandes
festzustellen, in der Beziehung beschließen werde. Und in der Tat
suchte die neuernannte Behörde durch liberale Verordnungen den
Wünschen der Bevölkerung entgegenzukommen und Fühlung mit dem
Frankfurter Parlament zu bewahren. Bei diesem war ein
volkswirtschaftlicher Ausschuß gebildet, und da für Lauenburg die
künftige Gestaltung des Elbzolles von großer Bedeutung war, so wurde
der Elbzollinspektor Kielmann nach Frankfurt geschickt, um jenem
Ausschusse über die Lauenburgischen Zollverhältnisse die verlangte
Auskunft zu geben. Am dritten August traf er da ein, und über die
Eindrücke, die das Frankfurter Leben und Treiben auf ihn machte, hat
er folgende Aufzeichnungen hinterlassen:
„Ende Juli 48 erhielt ich den Auftrag, mich sofort
nach Frankfurt zu begeben, um dem volkswirtschaftlichen Ausschusse
der Nationalversammlung über die lauenburgischen Zollverhältnisse
diejenigen Aufschlüsse zu geben, welche selbiger zu verlangen
wünsche und traf ich am 3. Aug. dort ein, noch zur
rechten Zeit, um den Einzug des Reichsverwesers, Erzherzogs Johann
nebst Gemahlin, mitfeiern zu helfen. Mit gleichen Delegierten
anderer, nicht zum Zollverein gehöriger, Staaten verlebte ich hier
in Frankfurt lange Wochen und wenn uns die Geschäfte nicht eben
stark drängten, wohnten wir den Verhandlungen in der
Nationalversammlung bei. Die geistige Regsamkeit dort war eine
staunenswerte, und der, wenn auch ganz entfernte, Verkehr mit den
ersten geistigen Capacitäten Deutschlands war mir auch dann ein
hoher Genuß, wenn ich deren Ansichten und Bestrebungen nicht
beitreten durfte; mußte man doch annehmen, daß nur die
Überzeugungstreue sie leitete. Die schönsten Stunden verflossen mir
bei dem abendlichen Besuch der Stammkneipen, wovon fast jede größere
Fraction eine besaß,
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und wo in lauter Unterhaltung die vorliegenden großen Fragen ganz
unverho[h]len besprochen wurden. Die Redner waren hier nicht im
Zaume gehalten durch des Präsidenten Gagern Glocke und mitunter in
Hemdärmeln, wenn äußere und innere Hitze dieses ratsam erscheinen
ließen. Die Concerte zum Besten der deutschen Flotte waren an der
Tagesordnung und wurden auch von mir besucht. Daneben gab es aber
auch aufregende Szenen in und außer der die Nationalversammlung in
sich fassenden Paulskirche, so zwar, daß das Militär zum Schutze der
Abgeordneten diese Kirche besetzen mußte. Doch dieses gehört der
Geschichte an. Was meinen Auftrag betrifft, so wurde es mir bald
klar, daß dem Bestreben des volkswirtschaftlichen Ausschusses auf
Aufhebung aller Fluß- und Passagezölle von fast allen beteiligten
Staaten ein kräftiges „Nein" entgegengesetzt wurde, und da es mir
überlassen war, meine Rückkehr nach meinem Ermessen zu bewirken, so
nahm ich nach der Abstimmung über den Malmöer Waffenstillstand und
dem damit verbundenen Rücktritt des Reichsministeriums Veranlassung,
den Präsidenten des volkswirtschaftlichen Ausschusses darüber zu
befragen, ob meine Gegenwart unter solchen ungewissen Zuständen noch
länger gefordert werde, und da dieses verneint wurde, reiste ich
etwa am 9. September heim, habe also die schrecklichen
Frankfurter Ereignisse am 18. desselben Monats nicht
mit erlebt. Mit mündlicher Berichterstattung vor der Regierung
endete diese meine Sendung."
Unterdessen war der Befreiungskampf der Schleswig-Holsteiner gegen
Dänemark entbrannt, und da Lauenburg mit Holstein in mancher
Hinsicht vereint gewesen war, so wurde es der Landesadministration
nicht leicht, dieses Band zu lösen, denn es boten sich manche
Schwierigkeiten in der Praxis dar. Die Lauenburgische Regierung
hatte sich für neutral erklärt, und da dieser Ausdruck „Neutralität"
Anstoß erregte, so wurde durch eine Bekannt-
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machung vom 18. April jener Ausdruck dahin erläutert,
daß durch die frühere Erklärung in dem Verhältnisse des Herzogtums
zum deutschen Bunde selbstverständlich nichts habe geändert werden
sollen, sondern der Ausdruck Neutralität habe nur die Bedeutung, daß
bei den in den Herzogtümern Schleswig und Holstein stattfindenden
Kämpfen und Wirren das Land sich nicht selbständig zu beteiligen und
ebensowenig zu den dort stehenden Truppen, namentlich zu dem
ehemaligen Lauenburgischen Jägerkorps die Militärpflichtigen
einzuberufen habe, als die Stellung von Truppen und die Verwendung
von Landeskindern zum Kampfe gegen die deutschen Herzogtümer
zuzulassen habe. Diese offene Erklärung, daß Lauenburg sich an der
Schleswig-Holsteinischen Bewegung nicht beteiligen werde, hatte für
die Verwaltung des Ländchens wichtige Folgen. Wir lesen darüber bei
Kielmann folgendes :
„Da das Herzogtum Lauenburg sich den Bestrebungen
Schleswig-Holsteims nicht anschloß, vielmehr an der dänischen
Regierung festhielt, so mußte selbstfolglich jede
Verwaltungsgemeinschaft unter diesen Landesteilen getrennt werden
und trat der in Kiel wohnende Oberzollinspektor, Etatsrat Schröder,
von seinen Funktionen als Oberzollinspektor über die lauenburgischen
Land- und Transitzölle zurück und wurde ich ganz unerwartet durch
Regierungsschreiben vom 8. April 1848
mit diesen Funktionen betraut, welche Anordnung auch durch Schreiben
vom 15. s. Mts. von der dänischen Regierung gebilligt
wurde. Später fielen mir, außer dieser Inspektion, auch alle das
Zollwesen betreffenden Revisionsarbeiten zu und wurde mir die
Ausführung aller dieser Arbeiten um so beschwerlicher gemacht, als
die holsteinischen Behörden die Auslieferung aller dort Vorhandenen
lauenburgischen Vorakten verweigerten und ich dadurch genötigt
wurde, aus eigener Geschäftskenntnis den Faden dort wieder
anzuspinnen, wo er durch die eingetretenen
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Ereignisse zerrissen war. Die Regierung zu Ratzeburg trat nun auch
für die bisher von Kopenhagen aus geleiteten Steuererhebungen in
volle, selbständige Aktion und mußte deshalb hierbei auf diejenigen
Beamten recurriren, bei welchen sie eine größere Kunde der
einschlägigen Verhältnisse voraussetzte, als ihr aus eigenen Mitteln
zu Gebote stand, und nur so wird es erklärlich, daß auch ich
mitunter an den Sitzungen derselben teilnehmen mußte und so in
Geschäfte hineingezogen wurde, die mir bisher fern gelegen, wohin
ich die Revision der Amtsrechnungen über die direkten Steuern
rechnen darf."
Naturgemäß war es bei diesem unerfreulichen Verhältnisse zu
Schleswig-Holstein schwierig, das Verhalten des Lauenburgischen
Jägerkorps, welches von Kiel aus, wo es damals in Garnison lag, mit
in den Krieg gegen Dänemark gezogen war, von der Heimat aus jener
Neutralität gemäß zu gestalten. Über die äußeren Schicksale der
Lauenburger Jäger habe ich schon früher in dem Archiv einiges
mitgeteilt. Ich bemerke hier nur noch, daß durch ein Ausschreiben
der Lauenburgischen Regierung vom 5. Oktober
1848 den bei Bau gefangenen und später in die Heimat
zurückgekehrten Jägern verboten wurde, sich nach dem Befehle des
Schleswig-Holsteinischen Oberkommandos in Rendsburg zum Dienste
einzufinden. „Da vielmehr nach einem Befehle des Reichsministers vom
23. August d. J. das Herzogtum Lauenburg sein
besonderes Kontingent auszubilden und zu halten hat, werden
sämtliche Obrigkeiten aufgefordert, den aus der Kriegsgefangenschaft
zurückgekehrten Jägern schleunigst zu eröffnen, daß sie sich in
Ratzeburg zur Erfüllung ihrer Dienstpflicht einzustellen haben."
So gestaltete sich im Laufe des Jahres 1848 bis zum
Waffenstillstand von Malmö das Verhältnis zu Dänemark, dem deutschen
Bundestage und dann dem deutschen Parlamente in Frankfurt und zu
Schleswig-
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Holstein; es bleibt nun noch übrig, mit einigen Worten auf die
inneren Verhältnisse des Landes einzugehen.
Auch in Lauenburg waren namentlich in den Monaten April und Mai
Unruhen ausgebrochen, weil einigen Elementen der Bevölkerung der
Bruch mit der Vergangenheit nicht schnell und gründlich genug
erfolgte. Zunächst richtete sich die Wut des Volkes gegen einzelne
wegen ihrer dänischen Gesinnung oder aus anderen Gründen verhaßte
Beamte in Ratzeburg, Mölln und Lauenburg. Diesen wurden die Fenster
eingeworfen, oder sie wurden mißhandelt, ja, in Ratzeburg jagten die
Bauern den Amtmann vom Dienste. Alles dieses nach Dahms
Aufzeichnungen. Die Folge davon war, daß ein nächtlicher
Patrouillendienst eingerichtet wurde, und daß schließlich die
Regierung Militär requirierte. Am 18. April hatte sie
schon erklärt: Um dem Lande in seiner eigentümlichen Lage die
Aufrechterhaltung der Ordnung zu sichern, ist eine benachbarte
Bundesregierung ersucht worden, eine Abteilung Militär der hiesigen
Regierung zur Verfügung zu stellen. Daß diese Regierung die
Hannoversche war, erfahren wir aus den Aufzeichnungen Dahms. Am
21. April, erzählt er, reiste Regierungssekretär
Hantelmann als Deputierter nach Hannover, um schleunigst Militär von
dort zu requirieren. Am 24. April Mittags kamen
250 Mann vom 4. Regiment aus Lüneburg von
Büchen durch Mölln nach Ratzeburg. Es wird eigens bemerkt, daß diese
Tatsache in Mölln unter den Bürgern einen schlechten Eindruck
machte. Diese fühlten in sich selbst die Kraft, Unruhen zu wehren,
und sahen in den Soldaten nur ein Mittel zum Unterdrücken oder
wenigstens Beiseiteschieben der populären Bürgerwehr. So kam es denn
am 12. Mai zu Unruhen in Mölln, die uns Dahm in
folgender Weise schildert:
„Den 12. Mai 1848 Unruhen in Mölln.
Einige Lauenburgische Soldaten, welche gehört hatten, daß Amt-
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mann Susemihl sich geäußert hätte, daß die Möllner Schuld daran
wären, daß sie einberufen seien, begaben sich zu dem Kommandierenden
der Bürgergarde, Ackerbürger L. Hack, und stellten diesen zur Rede,
veranlaßt zu haben, daß die Soldaten sich nun stellen müßten. In
Folge dessen entstand bei Hack im Hause ein großer Skandal, viele
Bürger versammelten sich und 5 von ihnen wurden
arretiert. Die Allarmtrommel wurde geschlagen, und die Bürger
versammelten sich auf dem Markt und begaben sich nach der
Steintorwache. Eben hier angekommen, erscheinen mehrere Wagen mit
zurückkommenden Soldaten von Schwarzenbeck. Die Tore wurden
geschlossen. Der Stadtsekretär W. Hülse setzte den Insassen der
Wagen die Ursache der aufgestellten Bürger aus einander und wurde
dann jeder Wagen in die Stadt herein gelassen und mit Bedeckung
durchgebracht. Es waren 8 Wagen. In Folge der ernsten
Auftritte bei dem Kommandanten der Bürgerwehr, Hack, hatte der
Stadthauptmann sich veranlaßt gefunden, Militär aus Ratzeburg,
25 Mann, zu requirieren. Das Sicherheits-Komitee hiervon
in Kenntnis gesetzt, war mit der Anordnung des Stadtoberhaupts
unzufrieden, das erstere bestand aus dem Ackerbürger Hack, dem
Rektor Bärens und Uhrmacher Schmidt. Diese meinten, daß solche
Maßregel von ihnen ausgehen müsse, denn der Magistrat sei nicht
allein dazu befugt, sie bäten also darum, daß das Militär wieder
abbestellt würde, denn für die Sicherheit der Stadt würden sie
allein sorgen. Hierauf wurde eine Staffette zur Abbestellung des
Militärs abgeschickt. Indessen war das Militär nach Mölln
abmarschiert. Da es 8 Uhr Abends geworden war, so zog
der Hauptmann es vor, während der Nacht in Mölln mit seinen Leuten
zu bleiben. Die Sicherheitsbehörde begab sich vor das Tor, um den
Hauptmann zu veranlassen, mit den Truppen wieder umzukehren, da das
Militär überflüssig sei. Der Hauptmann be-
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harrte aber dabei, in Mölln bleiben zu wollen, und zog mit 138
Mann in die Stadt ein. Ich, der Kaufmann Christoph Dahm, bekam von
dieser Einquartierung 3 Mann. Die Sicherheitsbehörde
stellte nochmals den Antrag, daß das Militär am folgenden Morgen,
den 13. Mai, wieder abrücken solle. An diesem Tage
gegen 8 Uhr Morgens begaben sich viele Bürger zum
Stadthauptmann mit der Bitte, das Militär hier zu belassen, da wir
Bürger nicht Zeit hätten, die Wachen wieder zu beziehen, wozu viele
Bürger wieder angesagt waren. Die Sicherheitsbehörde, Bärens, Hack
und Schmidt, war auch auf dem Rathause anwesend, um zu erreichen,
daß das Militär wieder fortkäme, weil sie von der Regierung
anerkannt wären, und wenn der Magistrat dies unberücksichtigt ließe,
so hätte er zu bedenken, sich vor einer höheren Behörde verantworten
zu müssen. Von dieser Drohung nahm der Stadthauptmann keine Notiz
und sagte, um 9 Uhr eine allgemeine Bürgerversammlung
veranlassen zu wollen. Es stellten sich viele Bürger ein und sollten
die Grundbesitzer sich einzeln zuerst ins Sitzungszimmer verfügen,
um ihre Stimmen abzugeben. Dann folgten die Wohnungsmieter, welche
tumultuarisch auftraten und mit Gewalt ins Sitzungszimmer eindringen
wollten. Rektor Bärens wollte dem Magistrat beweisen, daß er als
Vorstand der Sicherheitsbehörde gefragt werden müsse, und diese sich
von dem Magistrat nicht auflösen ließe, weil selbige von der
Regierung anerkannt wäre, und daher hätte die Sicherheitsbehörde die
Pflicht, ihre Stellung zu behaupten und ihre Funktionen auszuüben.
Daher kam es auch, daß die Wachen von den Bürgern besetzt blieben,
und auf die Anfrage, dieselbe vom Militär besetzen zu lassen,
erfolgte sowohl am Abend als am andern Morgen von dem
Sicherheitsvorstand, Hack, Bärens und Schmidt, verneinende Antwort.
Der Bürgermeister v. d. Lippe hielt dem Rektor vor, er solle sich
lieber um seine Schule
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und nicht um andere Dinge bekümmern. Der Rektor ließ sich aber
nichts bedeuten, und daher ließ der Stadthauptmann v. Wickede
20 Mann Militär sofort beordern. Mit dieser Maßregel waren
die Bürger zum Teil unzufrieden, zumal der Hauptmann laden ließ und
erklärte, sofort schießen lassen zu wollen, wenn die revoltierenden
Bürger nicht ruhig auseinander gehen würden. Durch dieses energische
Verhalten wurde die Ruhe bald hergestellt. Nach aufgehobener Sitzung
begaben sich die Magistratsmitglieder Dahm und Michelsen nach
Ratzeburg, um die Regierung zu ersuchen, das Militär in Mölln zu
belassen und zwar auf Landeskosten, auch wurden wegen der Vorfälle
in Mölln der Regierung Vorstellungen gemacht. Die Regierung wollte
aber nur in die Belassung des Militär's in Mölln auf städtische
Kosten willigen. Auf dieses Verlangen konnten die
Magistratsmitglieder nicht eingehen, weil sie dazu nicht autorisiert
waren. Abends 6 Uhr verließ uns wieder die
Einquartierung von 138 Mann. Zum Glück wurde die Ruhe
nicht weiter gestört."
Diese Unruhen haben ja kein Blutvergießen veranlaßt, aber sie sind
insofern bezeichnend für die damalige Zeit, als das liberale
Bürgertum in den Soldaten die bezahlten Diener der Reaction sah.
Bekanntlich hat besonders der Waffenstillstand von Malmö im August
des Jahres 1848, der zwischen Dänemark und Preußen
geschlossen wurde, große Unruhen herbeigeführt, weil man ihn als
Verrat Preußens an der deutschen Sache und als eine Schande für die
deutsche Nation ansah. Wir haben gehört, wie Kielmann seiner Freude
Ausdruck gibt, daß er die schrecklichen Frankfurter Ereignisse am
18. September nicht mit in Frankfurt erlebt hat. Er meint
damit den Aufstand, der dort ausbrach, und besonders die
schauderhafte Ermordung des Fürsten Lichnowski und des Grafen
Auerswald durch den Pöbel auf der Bornheimer Heide bei Frankfurt.
Diese
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Revolution in Frankfurt wie in anderen Städten wurde dadurch
hervorgerufen, daß das Frankfurter Parlament, nachdem es am 5.
September den Waffenstillstand verworfen hatte, am 16.
September ihn mit dreizehn Stimmen Mehrheit annahm. Die Republikaner
im Parlament gaben deshalb ihre Sache in Frankfurt verloren und nach
dem vergeblichen Versuche, das Parlament zu sprengen, suchten sie in
verschiedenen Gegenden Deutschlands, wie in der Rheinpfalz, in
Baden, in der Rheinprovinz und in Dresden die Volksmassen zum Kampfe
für die Republik aufzureizen.
Für Lauenburg schien der Waffenstillstand insofern von großer
Bedeutung zu sein, als dadurch die Regierungsgewalt umgestaltet
wurde, denn im Paragraph neun hieß es: Preußen solle ein neues
Regierungsmitglied und Dänemark ein anderes einsetzen, und diese
zwei sollten sich den dritten als Präsidenten wählen. Und doch hat
dieses sonst so bedeutungsvolle politische Ereignis in Lauenburg
keine großen Veränderungen hervorgerufen. Wohl wurden auch hier
Unruhen befürchtet, wie das ein Ausschreiben der Königlichen
Regierung vom 11. Oktober zeigt, das an die vier Ämter
und die drei Städte gerichtet ist. In diesem wird hingewiesen auf
eine Proklamation der Zentralgewalt in Frankfurt nach den blutigen
Ereignissen des 18. September. Sie hatte darauf
aufmerksam gemacht, daß nach den tiefen Erschütterungen, die
Deutschland erfahren hätte, Mißstände eingetreten wären, die, indem
sie den Bürgerkrieg und die Anarchie hervorriefen, die Freiheit
selbst in Frage stellten und das Vaterland mit einer furchtbaren
Zukunft bedrohten. Den „hiesigen" Obrigkeiten wird aufgegeben, den
Bestrebungen, die auf Widersetzlichkeit gegen die obrigkeitliche
Autorität und auf Störung der öffentlichen Ruhe gerichtet sind,
ernstlich entgegenzutreten. In einem besonderen Schreiben von
demselben Tage wird hingewiesen auf die Vergehen
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und Verbrechen, welche mittelst der Presse, wie auch in Vereinen und
Volksversammlungen begangen werden. Dem letzteren Ausschreiben liegt
ein Erlaß des Reichsministers Robert von Mohl zu Grunde, in dem
hervorgehoben wird, daß allerdings das Vereins- und Versammungsrecht
dem deutschen Volke unverkürzt erhalten werden, aber die Verbrechen,
zu denen dieses Recht mißbraucht wird oder welche bei Ausübung
desselben verübt werden, nach den bestehenden Gesetzen bestraft
werden müssen.
Diese befürchteten Unruhen brachen in Lauenburg nicht aus, und der
nationale Widerstand, wie er sich in Schleswig-Holstein kund gab,
tritt hier um so weniger hervor, weil in den politischen Zuständen
des Landes kein besonderer Wechsel eintrat. Allerdings gehen seit
dem Waffenstillstande die Verordnungen nicht mehr von der uns wohl
bekannten Lauenburgischen Administration aus, sondern von der
Königlich Lauenburgischen Regierung (gez. Susemihl), und durch ein
Reskript des Reichskommissarius vom 15. November wurde
jene Kommission aufgelöst, aber die zur Überwachung der Ausführung
des Waffenstillstands von Malmö ernannten Kommissarien, Stedmann als
Reichskommissar und C. von Plessen als dänischer Kommissar,
verkünden an demselben Tage, daß sie gemeinschaftlich eine höchste
Landesbehörde eingesetzt haben, welche das Herzogtum Lauenburg im
Namen seiner Majestät des Königs von Dänemark in seiner Eigenschaft
als Herzog von Lauenburg verwalten wird, und diese Landesbehörde
bestand eben aus denselben Männern, welche die bisherige
Landesadministration gebildet hatten.
Das vorliegende Protokoll über die Einsetzung dieser Kommission
zeigt uns zum ersten Male die Wirksamkeit des neuen Reichskommissars
Stedmann, der auch in Schleswig-Holstein diese Stellung bekleidete.
Durch ein Schreiben des preußischen Ministers der aus-
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wärtigen Angelegenheiten, des Grafen Dönhoff, vom 13.
Oktober d. Js. ist er beauftragt mit der Ausführung des
Waffenstillstandes von seiten der Reichsgewalt. Die bisherigen
Mitglieder der Landesadministration übernehmen die neue Stellung
unter drei Bedingungen: Zunächst treten sie der Bestimmung des
Waffenstillstandes entgegen, daß alle seit dem 17.
März erlassenen Verordnungen und Verwaltungsmaßregeln mit dem
Antritt der neuen Regierung ungültig sein sollen, und zwar deshalb,
weil alle diese Verordnungen durchaus nicht den definitiven
Friedensbedingungen präjudicieren, und weil sie anderseits zur
regelmäßigen Fortführung der Verwaltung notwendig sind. Dazu kommt
noch, daß von eigentlichen Verordnungen nur die provisorische
Verordnung betr. die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in
Betracht kommt.
Ebenso nimmt die neue Verwaltungsbehörde das Recht in Anspruch, die
während der Dauer des Waffenstillstandes von der deutschen
Zentralgewalt erlassenen oder noch zu erlassenden Gesetze zu
veröffentlichen und zur tatsächlichen Wirksamkeit gelangen zu
lassen, natürlich, soweit sie den Bedingungen des definitiven
Friedens und den Rechten des dänischen Königs als Herzog von
Lauenburg und der Anerkennung seiner Rechte als regierender
deutscher Fürst nicht präjudicieren.
Und drittens sprachen die drei Herren die Erwartung aus, daß es
ihnen werde gestattet sein, eine auf der Grundlage ausgedehnten
Wahlrechts beruhende Verfassung mit einer zu dem Ende zu bildenden
Versammlung zu beraten und vorzubereiten, wie das ja der Königliche
Erlaß vom 30. März schon in Aussicht gestellt habe.
Endlich sollen alle Beamten von dem der Administrationskommission
geleisteten Eide entbunden und ihnen ein Revers vorgelegt werden, in
dem sie der neuen Landesbehörde gegenüber die Erfüllung aller aus
ihrem
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Diensteide hervorgehenden Pflichten eben auf ihren Diensteid
versprechen. In dem Entwurfe wird die Behörde bezeichnet als von dem
Kommissar der deutschen Zentralgewalt, C. Stedmann, und von dem
Kommissar Sr. Maj. des Königs von Dänemark, Baron C. von Plessen,
namens der genannten hohen Mächte eingesetzte Landesbehörde; auf
Vorschlag Stedmanns und Plessens wurde hinter „eingesetzte"
eingeschaltet „und im Namen Sr. Majestät des Königs von Dänemark in
ihrer Eigenschaft als Herzog von Lauenburg ihre Amtshandlungen
ausübende." Ebenso wurde von den Kommissaren auch durchgesetzt, daß
der Militärdiensteid Sr. Maj. dem Könige Friedrich VII.
in seiner Eigenschaft als Herzog von Lauenburg zu leisten sei.
Doch je näher der Termin kam, an dem der Waffenstillstand ablief,
desto größer wurden die Besorgnisse wegen des definitiven Friedens,
und wenn auch die Aufregung und Spannung lange nicht so groß war wie
in Schleswig-Holstein, so galt es doch auch für Lauenburg
verschiedene Rechte zu wahren, die im Jahre 1848
erworben waren, und sich vor allem auch für die Zukunft dauernd zu
sichern. Der Reichskommissar Stedmann hatte allerdings seine
Haupttätigkeit damals in Schleswig, aber wir besitzen doch von ihm
einige Schreiben, in denen sich seine Sorge für Lauenburg
ausspricht.
Am 7. März richtet er an die Landesbehörde die
Anfrage, welche Bestimmungen über die wesentlichsten Grundlagen der
künftigen politischen Stellung Lauenburgs in dem Friedensinstrument
mit Dänemark aufgenommen werden sollen. Hierzu sind zu rechnen: Das
Verhältnis des Landes zu dem übrigen Deutschland und zu dem
Regentenhause, die daraus entspringenden Verhältnisse in Bezug auf
Verfassung, Heerwesen, Staatsschulden, Flußzölle, Domänen, Indigenat
(d.h. Staatsangehörigkeit) der Beamten u. a. Die Landesbehörde soll
möglichst kurz und bündig ihre Wünsche kundtun und möglichst
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schnell übersenden, und zwar an das Reichsministerium; indessen
erbittet sich der Reichskommissar eine Abschrift der an das
Ministerium gelangten Mitteilungen. Allerdings hat er den Auftrag
bekommen, sich unmittelbar mit der höchsten Landesbehörde in
Verbindung zu setzen, aber er kann aus mehreren Gründen Schleswig
augenblicklich nicht verlassen. Diese Gründe sind darin zu suchen,
daß von den Dänen der Waffenstillstand auf den 26. März gekündigt
war, daß aber dieses vom Reichsministerium als nicht in gültiger
Form geschehen angesehen wurde, daß zwar, wie Stedmann vertraulich
schreibt, für den Fall des Angriffs von seiten Dänemarks kräftige
Abwehr erfolgen wird, daß aber an England als vermittelnde Macht das
Ansuchen gestellt ist, sich dem Angriffe zu widersetzen. Auch soll
alsdann nicht bloß der Abschluß von Präliminarien, sondern der
Friedensschluß selbst erfolgen.
Die von Stedmann erbetene Auskunft über die Forderungen Lauenburgs
im Falle eines Friedensschlusses und der Entwurf eines Grundgesetzes
für Lauenburg wurden am 11. März an das
Reichsministerium übersandt. Aus dem diese Sendung begleitenden
Berichte ist noch einiges hervorzuheben, zunächst wird betont, daß
es sich nur um den Entwurf eines Grundgesetzes handelt, da die
endgültige Fassung erst nach Beratung in der um zehn Abgeordnete
verstärkten Landesvertretung festgesetzt werden kann. Bei dem
Friedensschluß kommt namentlich die politische Stellung Lauenburgs,
sein Verhältnis zu dem übrigen Deutschland und zu seinem
Regentenhause in Betracht, sowie der künftige Staatshaushalt und
dessen Führung. Alles dieses findet sich in dem Entwurfe des
Grundgesetzes, und um so mehr glaubt die Statthalterschaft, daß
dieser Entwurf auch der Landesvertretung und der ganzen übrigen
Bevölkerung nicht entgegen sein wird, da er nur Bestimmungen
enthält, deren Mangel von dem Lande seit langen Jahren
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gefühlt ist. Ausdrücklich wird dann in dem Begleitschreiben noch auf
zwei Punkte aufmerksam gemacht: Lauenburg hat bisher sein eigenes
Schuldenwesen gehabt, und die Erfordernisse zur Deckung desselben
haben durch Steuern von den Einwohnern herbeigezogen werden müssen,
während die Krone Dänemark aus den reichen Domänen des Landes,
welche sie nie als Lauenburgisches Staatsgut, sondern als Privatgut
des Regenten betrachtet zu haben scheint, sowie aus Zöllen und
indirekten Steuern so reichliche Einnahmen bezogen und Überschüsse
aus dem Lande geführt hat, daß bei einer Sonderung der dänischen
Staatsschulden dem Herzogtum Lauenburg ein Anteil daran unter keiner
Bedingung zur Last kommen kann. Dieser Punkt ist beim Friedensschluß
in Betracht zu ziehen.
Sodann aber hat Lauenburg, das doch nicht im Kriegszustand gewesen
ist wie Schleswig-Holstein, im vorigen Jahre ein ganz neues
Kontingent aufstellen und aus anderen Bundesstaaten Offiziere
engagieren müssen. Sollten nun durch den Frieden die alten
Verhältnisse wieder eintreten, daß nicht ein eigenes Kontingent für
bas Bundesheer aufgestellt wird, sondern aus dem Lande nur zur
dänischen Armee rekrutiert wird, so hätte das Land viele unnütze
Kosten gehabt, und die Offiziere würden in ihrer Existenz geschädigt
werden, wenn sie gezwungen würden, ihre Stellen niederzulegen.
Rührend ist der Notschrei am Schluß des Schreibens: An dem kleinen,
echt deutschen, von uralter Zeit nur mit Deutschland verbunden
gewesenen Lande ist großes Unrecht begangen, als der hohe Rat der
Fürsten im Jahre 1815 beschloß, daß seine alten
Verbindungen gelöst sein sollten und man dasselbe einem auswärtigen
Staate übergab, der in dem, was er erhalten, keine Entschädigung
fand für das, was er verloren. 1) Da-
____________________
1) Bekanntlich mußte schließlich das kleine Herzogtum
Lauenburgen Dänemark zur Entschädigung dienen für das an Schweden
abgetretene Norwegen.
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her wird erwartet, daß im Frieden die Übelstände wieder ausgeglichen
werben, welche aus der politischen Verbindung des Herzogtums mit
einem nicht deutschen Lande hervorgehen müssen.
Dieses Schreiben der obersten Landesbehörde wurde am 15.
März 1849 von dem für Lauenburgische Verhältnisse
kompetenten Staatsrat Welcker beantwortet. Sein Brief hat um so mehr
Interesse, weil Welcker damals eine ganz hervorragende Stellung im
deutschen Parlamente einnahm. Am 4. März wurde eine
Verfassung für den unteilbaren und unauflöslichen neuen
Einheitsstaat Österreich veröffentlicht, und damit trennte sich
dieses von dem deutschen Parlament, verlangte aber als
Gesamtösterreich in den Bund aufgenommen zu werden; dann aber sei
die bisher vorgeschlagene deutsche Verfassung unmöglich, es seien
also die Änderungen vorzunehmen, die für Österreich unerläßlich
seien.1) Da diese Forderungen für das Parlament
unannehmbar waren, wenn es sich nicht selbst vollständig verleugnen
wollte, so traten sogar bisher Großdeutsche für den Plan einer
preußischen kaiserlichen Erbmonarchie ein, und von diesen beantragte
am 12. März Welcker die Reichsverfassung wie sie der
Ausschuß zur zweiten Lesung vorbereitet habe, in einer Abstimmung
anzunehmen und dann den König von Preußen zum deutschen Kaiser zu
wählen. Seinem Schreiben an die höchste Landesbehörde in Lauenburg
legte er seine berühmte Rede bei. Bekanntlich fiel der Antrag, weil
Welcker selbst die Überweisung an den Verfassungsausschuß
beantragte, statt auf sofortige Beschlußfassung zu bringen. Als er
vom Ausschuß am 17. März an das Plenum kam, wurde er
am 21. März mit einer Mehrheit von 283
gegen 252 Stimmen abgelehnt. Sechs Tage vorher, am
15. März, schrieb
____________________
1) S. von Sybel, die Begründung des deutschen Reiches
I. 219.
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Welcker seinen Brief an die höchste Landesbehörde, dessen
wesentlichen Inhalt ich hier mitteile.
Die mir unter dem 9. und 11. März
eingesendeten Wünsche der hohen Landesbehörde rücksichtlich des
gekündigten Waffenstillstandes und des zukünftigen Friedens habe ich
dem Reichsministerpräsidenten sogleich (?) überreicht und zugleich
persönlich dringend empfohlen, sowie ich auch schon vorher dem Herrn
Ministerpräsidenten die mir bekannten Interessen Lauenburgs
persönlich auseinandersetzte und dringend empfahl.
Ich erhielt die Versicherung der größten Geneigtheit, unsere Wünsche
zu berücksichtigen.
Aus den öffentlichen Blättern und aus den ergebenst angeschlossenen
Anlagen ersehen die hochgeehrtesten Herrn, wie ich bei der
eingetretenen kritischen Lage des Vaterlandes - soviel ich weiß,
auch Ihren früheren Wünschen gemäß - eine schnelle Rettung zu
bewirken versuchte. Die Verfassungskommission hat auch bereits meine
sämtlichen Anträge angenommen, und sie werden in den ersten Tagen
zur Verhandlung kommen.
Bei dem Abschluß der Verhandlung werde ich noch einen Versuch
rücksichtlich einer abgesonderten Wahl Lauenburgs machen.
Hochachtungsvoll verharrend
Welcker.
Frankfurt, 15. März 1849. |
In Schleswig-Holstein gingen inzwischen die
Ereignisse ihren Gang, wie er durch den festen Entschluß der
Bewohner, sich nicht durch dänische Willkür trennen zu lassen,
vorgezeichnet war. Der Waffenstillstand von Malmö lief ab, und die
tapfere schleswig-holsteinische Armee unter Bonin nahm die
Feindseligkeiten wieder auf. Damit war die Mission Stedmanns
abgelaufen, und am 28. März benachrichtigte er davon
die Statthalterschaft. Aus Schleswig schreibt er, daß die Waffenruhe
sich mit Gewißheit bis zum Abend des 28. März,
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mit größter Wahrscheinlichkeit, trotz der Aufstellung des deutschen
Reichsheeres bis nördlich der Stadt Schleswig, bis zum zweiten April
incl. erstrecken würde. Er hofft, daß die höchste Behörde des
Herzogtums Lauenburg während des kurzen faktischen Provisoriums sich
der Leitung der Geschäfte im Herzogtum nicht entziehen würde.
Siedmann begab sich nach Hamburg, um da nähere Befehle des
Reichsministeriums zu erwarten.
Hier hatte er dann eine Zusammenkunft mit dem Grafen Kielmannsegge.
Am ersten April schreibt dieser: Unter Bezugnahme auf unsere
deshalbige mündliche Verhandlung heute Morgen erlaube ich mir, Sie,
Herr Reichskommissarius, hierdurch noch um eine schriftliche
Mitteilung vor Ihrer Abreise von hier zu ersuchen, ob Sie dem
Reichsministerium zu Frankfurt - unter Bezugnahme auf das
Einsetzungsprotokoll der hohen Landesbehörde für das Herzogtum
Lauenburg vom 15. November vorigen Jahres, wonach
deren Mandat ohnehin mit dem Wiederausbruch des Krieges erloschen -
meinen ernsten Beschluß, nunmehr zurückzutreten, zur Kunde gebracht
und auf alsbaldige Absendung eines, mit Vollmacht von der hohen
Zentralgewalt versehenen Reichskommissars angetragen haben, um das
kleine Herzogtum in dieser Zeit, wo Aufregung mehr oder weniger
überall zu erwarten, nicht ohne eine zu Recht bestehende oberste
Verwaltungsbehörde dastehen zu lassen. Auf dieses Schreiben
antwortete Stedmann umgehend in aller Kürze am 1. April, er habe
nach Inhalt der heutigen Konferenz augenblicklich an das
Reichsministerium berichtet, so sehr er es bedauern müsse, dem
Grafen eine längere persönliche Aufopferung im Interesse des
Herzogtums Lauenburg nicht ansinnen zu dürfen.
Zu seinem Glücke aber blieb Lauenburg während der aufregenden
kriegerischen Ereignisse in Schleswig-Holstein vom April bis zum
Juli 1849 unter der Verwaltung jener drei Männer, und
diese widmeten sich ganz der
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Ordnung der inneren Angelegenheiten im Anschluß an die Frankfurter
Centralgewalt. So wurde am 12. April das Gesetz der
provisorischen Centralgewalt des deutschen Bundesstaates betr. die
Wahlen der Abgeordneten zum Volkshause, an demselben Tage ein
anderes Gesetz derselben Centralgewalt betr. die Tagegelder und
Reisegelder der Abgeordneten zum Reichstage veröffentlicht. Am
30. April setzte der außerordentliche Reichskommissar von
Wintzingerode an Stelle der seitherigen höchsten Landesbehörde zu
weiterer Regelung der Verhältnisse eine Statthalterschaft ein,
welche, vorbehaltlich der Rechte des König-Herzogs, die Regierung
des Herzogtums Lauenburg im Auftrage und im Namen der Centralgewalt
Deutschlands bis zu einem Frieden mit Dänemark nach Maßgabe der
bestehenden Gesetze und Verordnungen des Landes, sowie der
erforderlich werdenden und in Wirksamkeit tretenden weiteren Gesetze
und Verordnungen zu führen hat. Die Statthalterschaft bestand aus
den bisherigen drei Mitgliedern der höchsten Landesbehörde, die
schon am 26. März, um allen etwaigen Zweifeln
vorzubeugen, erklärt hatten, daß sie bei dem auf den 26.
März angekündigten Ablauf des Waffenstillstandes noch nicht mit
offizieller Kunde darüber versehen, bis zu deren Eingang in ihren
Funktionen verbleiben würden.
So konnte Lauenburg unbeirrt und ungestört durch das Ringen und
Leiden Schleswig-Holsteins seine inneren Verhältnisse ordnen. Am
19. April trat die Landesversammlung in verstärkter
Ritter- und Landschaft zusammen und beriet auf Grund vorgängiger
Kommissionsarbeiten die neue Landesverfassung. Mit Stimmeneinheit
wurde diese, das sog. Grundgesetz für das Herzogtum Lauenburg, zum
Abschluß geführt und dem Reichskommissar, Freiherrn von
Wintzingerode, übersandt mit dem dringenden Antrag, daß dieses
Grundgesetz in den unsicheren Verhältnissen, welche die
Zeitereignisse
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in dem Zustande des Herzogtums und bei dessen Berührungen mit den
neuen Einrichtungen der Nachbarstaaten hervorgerufen hätten, alsbald
ins Leben treten möchte.
Auf Grund seiner Vollmacht und Instruktion d. d. Frankfurt, den
22. April 1849, sowie mit Bezugnahme auf
die Verhandlungen bei Einsetzung der Statthalterschaft ist der
Reichskommissar in dem Falle, die Statthalterschaft zu ersuchen mit
Vorbehalt der Rechte des König-Herzogs das Grundgesetz zur
Nachachtung zu verkündigen. Dabei wird noch hingewiesen auf die
Zusicherungen, die der König-Herzog unter dem 3. April
1848 hinsichtlich einer Reform der Verfassung des
Herzogtums auf breiten Grundlagen habe verkündigen lassen, sowie
ferner darauf, daß die Grundrechte vor längerer Zeit
vorschriftsmäßig im Lande veröffentlicht wären. Die letztere
Hindeutung bezieht sich auf „das Ausschreiben der Kön. Regierung vom
8. Nov. 1848 wegen eines Rundschreibens
des deutschen Ministeriums des Innern an die Ministerien des Inneren
der deutschen Einzelstaaten inbetreff der von der verfassunggebenden
deutschen Reichsversammlung beratenen Grundrechte des deutschen
Volkes."
In dem so am 14. Mai veröffentlichten Grundgesetz für
Lauenburg wird unter vielen anderen Bestimmungen, wie sie sich
ebenso in den damals üblichen Grundrechten inbezug auf die
rechtliche Stellung des einzelnen Staatsbürgers finden, bestimmt,
daß die Landesversammlung aus 21 Abgeordneten bestehen
und daß 12 von diesen durch allgemeine direkte Wahlen
gewählt werden sollten. Neun sollen von den Grundeigentümern gewählt
werden, und zwar sechs von den ländlichen und drei von den
städtischen Grundbesitzern. In dem Abschnitte: „vom Herzog und der
Regierungsform" ist nur von dem Herzoge des Landes die Rede. Dieser
hat der Landesversammlung den Eid zu leisten, die Reichsverfassung
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und die Verfassung des Herzogtums Lauenburg, sowie die Rechte des
Volkes aufrecht zu erhalten. Ferner darf das Herzogtum Lauenburg
keine gemeinsame Regierung mit einem nichtdeutschen Staate haben,
und solange das Herzogtum dasselbe Oberhaupt mit einem
nichtdeutschen Staate hat, beruht das Verhältnis lediglich auf dem
Grundsatze der reinen Personalunion. So lange der Herzog zugleich
Oberhaupt eines nichtdeutschen Staates ist, läßt er, wenn er sich
außerhalb der Grenzen des Landes befindet, die ihm zustehenden
Rechte durch einen Statthalter selbstständig ausüben. Der
Statthalter darf von dem Herzoge weder Befehle noch Instruktionen
annehmen. Der Herzog ernennt und entläßt den Statthalter; nur
deutsche Bürger können zu Statthaltern ernannt werden.
Unterschrieben haben das Grundgesetz: von Levetzow als Präsident,
Kielmann als Vicepräsident, Bärens und Hudemann als Schriftführer;
außerdem noch dreiunddreißig Mitglieder, teils Vertreter der alten
Ritter- und Landschaft, teils neu hinzugewählte Abgeordnete. In
einem Zusatzartikel wird bestimmt, daß die nach dem vorstehenden
Grundgesetze der Landesversammlung zustehenden Rechte und Befugnisse
bis zum Zusammentritte der neugewählten von der gegenwärtigen
Landesversammlung geübt werden. Am 23. Juni wurde dann
das Wahlgesetz für die Lauenburgische Landesversammlung von der
Statthalterschaft erlassen. So arbeitete das Ländchen ungestört an
dem Ausbau einer liberalen Verfassung und suchte zugleich seine
nationale Stellung zu wahren. Inzwischen aber erstarkten immer mehr
die Gewalten, die später alle diese Gesetze und Einrichtungen
beseitigten, nämlich Dänemark und Preußen, das von der russischen
Übermacht beeinflußt, die Herzogtümer Schleswig-Holstein aufgeben
und Dänemark ausliefern mußte. So wenig auch der Streit zwischen
Schleswig-Holstein und Dänemark Lauenburg berührte, da dieses an der
eigentlichen Streitfrage nicht beteiligt war, so
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war doch der Ausgang des Kampfes auch für Lauenburg entscheidend.
Wir werden im folgenden sehen, wie die maßgebenden Männer, die
damals unser Ländchen leiteten, vergeblich versuchten, für den
definitiven Frieden die Errungenschaften der liberalen und
nationalen Ära zu retten. Schon im Juli 1849 wurden
sie daran gemahnt, wie gefährdet die Sache der Herzogtümer und damit
doch auch die eigene Sache war. Am 10. Juli schloß
Preußen mit Dänemark einen Waffenstillstand und zugleich
Friedenspräliminarien.
Bis zum Friedensschluß sollte Schleswig eine abgesonderte Verwaltung
erhalten; dafür räumte Dänemark ein, daß diese einer gemischten
Kommission, einem preußischen, einem dänischen und einem englischen
Mitgliede als Obmann übertragen würde. Ebenso verzichtete es auf die
militärische Besetzung des Herzogtums, nur auf den Inseln Alsen und
Ärrö sollten dänische Truppen bleiben, Nordschleswig bis zu einer
Linie Flensburg-Tondern schwedische, der Süden des Landes preußische
Garnisonen erhalten. Auch den Anspruch auf die Mitwirkung bei der
Regulierung der Verwaltung Holsteins ließ Dänemark fallen, hier
blieb es bei der Regierung der Reichsstatthalterschaft.
Diese Bestimmungen, so gemäßigt auch die Anforderungen der Dänen
schienen, mußten doch in Schleswig-Holstein, aber auch im übrigen
Deutschland niederschmetternd wirken, denn der Grundsatz, für den
gekämpft worden war, die enge Verbindung zwischen Schleswig und
Holstein war dadurch gelöst, da die eingesetzte
Verwaltungskommission den Auftrag erhielt, alle bisher für beide
Herzogtümer gemeinschaftlichen staatlichen Einrichtungen, alle
Zweige der Steuer-, Regierungs- und Justizverwaltung, überhaupt die
ganze Administration zu trennen und für Schleswig neu zu
konstituieren. Ferner sollte es ihr gestattet sein, die seit dem
17. März 1848 für das Herzogtum Schleswig
erlassenen Gesetze,
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Verfügungen und Verwaltungsmaßregeln nach eigenem Ermessen zu
beseitigen oder beizubehalten.
Nur fünf deutsche Regierungen ließen sich auf die Aufforderung
Preußens hin zur Ratifikation bewegen, mehrere andere legten
feierliche Verwahrung ein. Die Statthalterschaft Schleswig-Holsteins
übersandte am 18. Juli ihren Protest an alle deutsche
Regierungen und auch an die Statthalterschaft des Herzogtums
Lauenburg. Das Schreiben, welches am 20. Juli in
Ratzeburg eintraf, ist unterzeichnet von Harbou, dem Chef des
Schleswig-Holsteinischen Departements der auswärtigen
Angelegenheiten. Der gedruckte Protest, der an alle deutschen
Regierungen gesandt wurde, liegt bei. Die Beantwortung dieses
Schreibens scheint der Statthalterschaft einige Mühe gemacht zu
haben. In den Akten finden sich zwei Entwürfe, von denen der eine
viele Verbesserungen aufweist, und als drittes Aktenstück der am
26. Juli 1849 abgesandte endgültige
Bescheid. In diesem wird auf die exceptionelle Stellung Lauenburgs
zum Könige von Dänemark hingewiesen, trotzdem aber äußert die
Statthalterschaft den lebhaften Wunsch, die Verhältnisse der
Herzogtümer bald in deutsch-nationalem Sinne geordnet zu sehen. Aber
sie glaubt sich zur Zeit auf den Ausdruck dieser Gesinnung
beschränken zu müssen, weil sie bisher von der preußischen Regierung
weder zu einer Beitrittserklärung in Beziehung auf die fragliche
Vereinbarung eingeladen, noch überhaupt von einem Abschlusse der
letzteren benachrichtigt worden ist. Auch glaubt die
Statthalterschaft nicht, daß die preußische Regierung ihr eine
Mitteilung machen wird, da sie nicht zu den Regierungen gehört, die
einen tätigen Anteil am Kriege gegen Dänemark haben nehmen können.
Sollte noch eine Aufforderung zu motivierter Beitrittserklärung
kommen, so wird die Statthalterschaft die Konvention näher prüfen
und diejenige weitere Entschließung fassen, zu welcher man sich mit
Rücksicht auf die Verhältnisse
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zur provisorischen Centralgewalt wird berechtigt halten können. -
Bei dieser neutralen Haltung konnte in der nächsten Zeit Lauenburg
noch unter der Ägide der Centralgewalt ein zurückgezogenes Dasein
führen, das ganz dem Ausbau der Verfassung und der Durchführung
liberaler Gesetze gewidmet war. Schon am 23. Juni
1849 waren durch eine Verordnung der Statthalterschaft
das Schutz- und Dienstgeld, sowie die statt des Schutz- und
Dienstgeldes und neben demselben beschafften persönlichen Leistungen
der Häuslinge abgeschafft worden. Am 27. Juni wurde
ein neues Münzgesetz für das Herzogtum Lauenburg
, und
daneben wurden die Wahlen zur neuen, nach dem Grundgesetze
erweiterten Landesversammlung eifrig betrieben. Am 27.
September trat diese in Ratzeburg zusammen und wurde von dem Grafen
Kielmannsegge mit der dringenden Mahnung eröffnet, im Verein mit der
Statthalterschaft danach zu streben, nach der Einführung des
Grundgesetzes nun auch eine organische Gestaltung und eine
gesetzliche Entwicklung der Landesverhältnisse zu fördern.
Allerdings waren noch lange nicht alle Gesetzentwürfe von der
Statthalterschaft vorbereitet, und so konnten nur wenige der
Landesversammlung vorgelegt werden, darunter in erster Linie das
Jagdgesetz und das noch in einem Punkte unerledigte
Enteignungsgesetz für die Büchen-Lübecker Eisenbahn. Das letztere
wurde schon am 13. Oktober veröffentlicht, die
Verordnung der Statthalterschaft betreffend das Jagdrecht und dessen
Ausübung am 17. Oktober. Daneben beschäftigten die
Landesversammlung noch der Entwurf einer Geschäftsordnung und eine
Reihe von Petitionen. Darunter war auch eine von den Tagelöhnern zu
Kehrsen, Lanken, Müssen und Wotersen eingereichte Petition, in der
u. a. um die Ansetzung einer festen Arbeitszeit, Festsetzung des
Tagelohnes und Beseitigung des Zwanges zur Sonntagsarbeit gebeten
war. Diese, sowie alle auf das
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Häuslingswesen bezügliche Bittschreiben wurden an die
Statthalterschaft überwiesen. Viel mehr Interesse hat der dringliche
Antrag des Abgeordneten von Levetzow wegen Beteiligung Lauenburgs
bei den Friedensunterhandlungen. Der durch den dazu ernannten
Ausschuß in der Form modifizierte Antrag lautete dahin, daß erstens
die Landesversammlung gegen den Präsidenten der Statthalterschaft
den Wunsch aussprach, daß derselbe sich bei den dem Vernehmen nach
in Berlin stattfindenden Friedensverhandlungen durch einen
Abgeordneten für Lauenburg beteiligen und durch die Vermittlung des
für Deutschland mit der Leitung der Verhandlungen beteiligten
Ministers eine Verständigung dahin erzielen wolle, daß in dem
Friedensverträge dem Lauenburgischen Grundgesetz vom 14.
Mai 1849 und den infolge dieses Gesetzes zu treffenden
organischen Bestimmungen ein dauernder Bestand gesichert werde, denn
dieses entspreche sowohl dem Bedürfnisse nach einem gesicherten
Rechtszustande als auch dem lebhaft gefühlten Wunsche des Landes auf
definitive Feststellung des Verhältnisses zwischen dem Lande und dem
Landesherrn. Zweitens, die Landesversammlung wolle dabei gegen die
Statthalterschaft ihre Bereitwilligkeit erklären, auf eine solche
Verständigung einzugehen, welche durch die Umstände notwendig
geboten erscheint und weder das Rechtsverhältnis des Herzogtums
Lauenburg als eines selbständigen deutschen Staatsgebiets
beeinträchtigt, noch den grundgesetzlich festgestellten Bedingungen
für eine freie organische Entwicklung der inneren Zustände hindernd
entgegentritt. Dabei wird gegen den Präsidenten der
Statthalterschaft die Erwartung ausgesprochen, daß in
Übereinstimmung mit dem Grundgesetz vor der schließlichen
Feststellung der Zukunft des Landes der Landesversammlung
VOLLSTÄNDIGE Gelegenheit gegeben werde, die Rechte und Interessen
des Landes, soviel an ihr liegt, zu wahren. In dieser Form wurde der
An-
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trag von der Landesversammlung gegen eine Stimme angenommen, und
durch ein Schreiben vom 12. Oktober erklärte sich das
Präsidium der Statthalterschaft bereit, bei dem in Aussicht
stehenden Frieden mit Dänemark alles zu beobachten, was dazu
beitragen könne, die Rechte des Herzogtums Lauenburg zu wahren. Sie
hatte sich in diesem Sinne schon mit dem Königlich Preußischen
Minister des Auswärtigen, Herrn v. Schleinitz, durch Absendung des
Herrn Rat Höchstädt in Verbindung gesetzt und die mündliche Zusage
erhalten, möglichst dahin wirken zu wollen, daß Lauenburg bei den
Friedensverhandlungen durch einen besonderen Abgeordneten beteiligt
würde. Auch sollen keine in die Verhältnisse des Landes eingreifende
Verträge abgeschlossen werden, ohne der Landesversammlung
vollständige Gelegenheit gegeben zu haben, die Rechte und Interessen
des Landes, soviel an ihr liegt, zu wahren.
Ehe sich aber in Berlin und Kopenhagen die Ansichten über die
künftige Verfassung Schleswigs festgestellt hatten, kam der Januar
des Jahres 1850 heran. Nachdem sich Preußen eine
Vollmacht für ganz Deutschland von der Interimskommission hatte
geben lassen, wurden die Verhandlungen in Berlin geführt durch Herrn
von Usedom von preußischer Seite und durch die Herrn von Reedtz, von
Pechlin und von Scheel dänischerseits. Der englische Gesandte Lord
Westmoreland war der Vermittler, und der russische Gesandte, Baron
Meyendorff, gab seinen Rat in allen wichtigen Fragen. Von der
Statthalterschaft Lauenburgs wurde der Amtmann Prehn nach Berlin
geschickt, und dessen Briefe an die Statthalterschaft liegen der
folgenden Darstellung zu Grunde.
(Fortsetzung folgt.)
BERICHTIGUNG: Seite 45 Zeile 11 von
unten:
Kompetenzkonflikt; Seite 11
[recte: 47] letzte Zeile: Kommissarius.
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