Jahresband 1903
Archiv des Vereins für die
Geschichte des Herzogthums Lauenburg
[Miscelle.]
Das Brückengericht zu Lauenburg.
[W. Dührsen]
Die zwischen der Oberbrücker
Vorstadt und dem ehem. fürstl. Schloß zu Lauenburg befindliche
OBERBRÜCKE, ein Viaduct, der der genannten Vorstadt den Namen
gegeben, ist uralt und hat in alter Zeit eine große Bedeutung
gehabt, denn auf oder an ihr wurde das Lauenburger Brückengericht
abgehalten, eine Instanz, an die von den Freistühlen (Vehmgerichten)
in Westphalen appellirt werden konnte. Das Brückengericht entstand
und bestand, als die Lauenburger Herzöge noch in Westphalen (sie
schrieben und nannten sich ja auch Herzöge von Sachsen, Engern und
Westphalen) Rechte auszuüben hatten. Oft scheint es aber nicht in
Function getreten zu sein, da nur sehr wenig darüber überliefert
worden ist. Kobbe in seiner lauenburgischen Geschichte (II p.
164 f.) theilt mit, daß ein Ritter Conrad v. d. Lucht von
den Lübeckern widerrechtlich in Haft genommen worden und nach seinem
Tode (1448) seine Angehörigen den Lübecker Rath vor
den Freistuhl in Westphalen geladen hätten. Der Rath habe gelobt, zu
Recht zu antworten vor dem Herzoge zu Lauenburg AUF DER BRÜCKE ZU
LAUENBURG. Der Rechtsstreit sei auch wirklich vor sich gegangen: Die
Kläger seien mit Notar und Zeugen vor Herzog Bernhard an der
Gerichtsbrücke zu Lauenburg (ad pontem ibidem judiciarium)
erschienen; am folgenden Tage sei die Sache an der Brücke vor dem
Herzog, wiewohl erfolglos, verhandelt worden. Wahrscheinlich, meint
Kobbe, habe dieser Vorgang die Veranlassung dazu gegeben, daß die
Stadt Lübeck mit Hülfe des am 1903/10 - 02 - 103 kaiserlichen Hoflager anwesenden Syndicus
Dr. Joh. Osthusen von Friedrich III. (1470)
die Befreiung von den Westphälischen Gerichten erlangt habe. *) „In
des Kanzlers Gekusz’ Bericht wegen der Churgerechtigkeit wird
angeführt, daß das Hauptschloß Lauenburg zum Ertzmarschalkthume
gehöre, wohin auch noch heutiges Tages als zum Haupte Zuflucht
genommen wird, also wenn Jemand in Sachsen, Engern und Westphalen
und an alle derselben Orten, so sie sich der sächsischen Rechte
gebrauchen, von den Unterthanen beschwert wird, der appellirt vor
die Brücke zu Lauenburg an den Herzog als Reichsertzmarschalk und
Vorrichter“. (Kobbe l. c.) Gegen die Entscheidung des
Brückengerichts konnte an den Kaiser appellirt werden.
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