Bis in die Mitte des vorigen
Jahrhunderts scheint die Möllner St. Nicolaikirche einen garnicht
unerheblichen Silberschatz noch besessen zu haben. Wir wissen aus
einer Mittheilung im 3. Heft des II.
Bandes der Jahrbücher unseres Geschichtsvereins (p. 121
ff.), daß im Jahre 1543 der Rath der Stadt für gut und
nützlich erkannt und beschlossen, die silbernen Bilder und
Kleinodien der Kirche zu Gelde zu machen und auf Rente zu belegen,
„angeseen dat dar sust nein prophit vnnd vordeel van gesche, dewile
idt so sta, ock bedacht vele pericula, de dar mochten
van entstahn vnnd sick begeven.“ Man fürchtete offenbar so kurz nach
Einführung der Reformation Abgötterei, die mit den Kleinodien hätte
getrieben werden können. So wurden denn nachstehende Bilder und
Kleinodien in Lübeck verkauft und der Erlös – zusammen 3000
Mark in guten Joachimsthalern, den Thaler zu 31
Schill. lüb. – zu 120 Mark jährlicher Rente bei dem
Rath zu Hamburg belegt. Es wurden verkauft und wahrscheinlich
eingeschmolzen das „Mauritz bilde“, „gewogen 11 Mark
lodig 11 Lot“, Nicolaus (Patron der Kirche), 12
Mark, Marienbild „16 Mark lodig 1 Lot“,
Mattheusbild „13 Mark lodig 4 Lot“, noch
ein Marienbild („6 Mark lodig“) ein Jacobus, ein
Philippus, eine Catharina und ein Weihrauchfaß (wirigkfath). Unter
diesen Bildern werden wir uns silberne Statuetten der Dargestellten
vorzustellen haben, vielleicht künstlerisch vollendet schöne, deren
Einschmelzung nicht genug beklagt werden kann. Dann 12
Jahre später hat wiederum ein „Ehrsamer Radt tho Molne vor guth
angesen – dwil de Mißbrueck des sulvers jn Kercken affgelecht sy,
dath mahn des sulvers so itzund nicht nutte ock nicht gebrucket tho
gelde gemaket, up dath idt frucht brechte und belecht wurde.“ Darum
wurde eine vergoldete Monstranz und ein vergoldetes Kreuz aus der
Kirche genommen und der Erlös im Betrage von 650 Mark,
zu denen der Rath noch 350 Mark legte, ebenfalls in
Hamburg zinsbar bei dem dortigen Rath belegt. Ferner nahmen die
Kirchjuraten noch etliche Spangen,
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„Brotzen“ und Knöpfe aus der Kirche, um sie
ebenfalls zu verkaufen, und das brachte einen Erlös von 630
Mark, wozu 370 Mark von einem „uthgeloseden Hovetstol“
gelegt wurden, welcher Betrag dann ebenfalls in Hamburg mit
1000 Mark zu 5 Proz. Rente jährlich belegt
wurde. Auch diese Gegenstände mögen einen hohen kunsthistorischen
Wert gehabt haben. Aber das kam in damaliger Zeit nicht in Betracht.
Mit leichtem Herzen entledigte man sich dieser werthvollen Sachen,
als wenn man Angst gehabt hätte, sie könnten die Reformation
rückgängig machen. Daß sie einen enormen materiellen Werth gehabt
haben, ersieht man aus dem erzielten Erlös.
Aber es war immer noch ein schöner Silberschatz der Kirche
verblieben, wie wir aus Nachfolgendem entnehmen können. In der Nacht
zum 31. Oktober 1742 ward in die Kirche
eingebrochen und dort in der Sakristei ein großer Diebstahl verübt.
Zeitungen, durch die man diesen hätte bekannt machen und zu
Recherchen hätte auffordern können, gab es damals nur wenige und
Annoncen (Steckbriefe etc.) kannte man noch nicht; so wurde denn in
gedruckten s. g. fliegenden Blättern der Diebstahl bekannt gemacht
und diese wurden in die Nachbarstädte versandt. Ob von den
gestohlenen Sachen je etwas wieder erlangt worden, das schwere
Verbrechen seine Sühne gefunden, davon ist nichts bekannt. Es ist
wahrscheinlich. Die off. Bekanntmachung, wovon sich ein Abdruck in
der Stadtbibliothek in Lübeck findet (2 Bl. in Folio),
lautet so:
Als man vor nöthig erachtet, eine accurate Designation der
Kirchen-Geräthe und andern Sachen, welche jüngsthin in der Nacht von
dem 30. auf den 31. Oktober 1742
aus der Sacristey der Kirchen St. Nicolai
zu Möllen von daselbst eingebrochenen Dieben gestohlen worden, zu
entwerffen, so ist selbige in Gegenwarth und mit Zuziehung unten
benahmter heute unten gesetzten Dato folgendermaßen
verzeichnet worden, als:
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1896/07 - 02 - 115
I. |
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Eine grosse
silberne Gieß-Kanne, mit einem in etwas erhabenen Fuß,
in der mitten von einer weiten Ründe, oben spitzig mit
einen runden erhabenen Deckel und einer kraus formirten
gekrümmten Röhre, von welcher das oberste silberne Blech
vorlängst abgekommen, versehen, am Gewichte auf . . .
3 Pf.
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II. |
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Ein grosser silberner
verguldeter Kelch von unten bis oben von gleicher ründe
und weite, mit einen runden glatten Fuß versehen, sambt
einer grossen Paten von dem sel. Hrn. Melchior Hinrich
Backhaus, Cantore zu Möllen zum Gedächtniß
seiner sel. verstorbenen Ehe-Frau, Fr. Maria gebohrne
Burmestern verehret und also mit dessen Nahmen
bezeichnet. Es ist auch dabey ein kleiner silberner
Löffel befindlich gewesen.
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III. |
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Eine silberne
Hostien-Schachtel, unten mit 4 verguldeten
Knöpffen, vierecktigt, doch etwas länger als breit, von
gleicher Höhe und Breite, mit einen silbernen Sticken zu
gestecket, von sel. Herrn Hermann Dissmann und seiner
Ehe-Frau Elsabe verehret, mit ihren beyderseits Nahmen
und Wapen an der fordersten Seite gezeichnet und
renoviret.
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IV. |
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Ein kleiner verguldeter
silberner Kelch, oben breit und unten nach dem Fuß,
gespitzet, die Verguldung siehet gelblich aus, und auf
dem Rund um mit einer krausen Leiste formirten
Fuß, mit dem Creutz und Bilde des Gecreutzigten
versehen, auch dabey eine silberne verguldete
Paten, daran die neue Verguldung etwas röhtlich
aussiehet.
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V. |
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Ein verguldeter
silberner Kelch, von unten zu oben gleich und formiret,
am Fuß gelödet, und mit Mönchen Schrifft gezeichnet,
siehet sambt der Paten von Alter dunkel
roht aus, ist sonst bey der Communion der
Delinquenten gebrauchet und daher der arme
Sünder-Kelch genannt. |
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VI. |
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Das beste rohte
sammetten Meßgewandt ohn allen Zieraht auf den Rücken
mit rohten Bändern und gelblich unter Futter.
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VII. |
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Ein inwendig silberner,
auswärtig mit Gold gestickter, und so weit er von dem
Rohr abgebrochen, mit einen sechs-kantigten silbernen
Stiehl, und Zwo silbernen Glöckgens versehener
Klingbeutel von dem sel. Herrn Clauß Burmester,
verehret, 1638 mit einem Legato
von 2 Marck 8 ß. an
jährlicher Rente von 50 Marck zur
Unterhaltung des Klingbeutels, welches alles auf dem
silbernen Stiehl verzeichnet.
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VIII. |
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Vier leinen weisse
Lackens.
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IX. |
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Ein schwartzen sammetten
Boldte mit 2 silbernen Schilden, worauf
das Becker Wapen befindlich.
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X. |
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Ein silberner Becher
oder so genandter Willkommen, dem hiesigen Becker-Ambt
zugehörig, worauf unter andern die Nahmen gestanden, als
Jochim Benne, Paul Burmester, Hinrich Jarchau, Hans
Hilmers, mit der Jahrzahl 1661 und so viel
man sich erinnern kan, so sind oben auf den Deckel die
Buchstaben J. B. eingegraben. NB. an
diesen Willkommen oder silbernen Becher, hangen 2
Ducaten, und sind daran 36 silberne
Schilde befindlich, und so viel man sich erinnert, mit
nachfolgenden Nahmen gezeichnet als: 1. Andreas Lentz,
2. Peter Lentz, 3. Hinrich Klatt, 4. Henning Burmester,
5. Jochim Burmester, 6. Johann Scheve, 7. Gerd
Burmester, 8. Andreas Claussen, 9. Christoph Hinrich
Hacke, 10. Peter Böttgers, 11. Augustinus Severus
Burmester, 12. Ludewig Rode, 13. Jochim Hacke, 14. Hans
Hinrich Burmester, 15. Jochim Peter Brügmann, 16.
Hirnich Parin, 17. Berend Brauer, 18. Andreas Schreiber,
19. Jochim Niemann, 20. Johann Gottfried Burmester, 21.
Marcus Niclaus Johann Niemann, 22. Nicolaus Ludolph
Schwon, 23. Jochim Mattias Hiltener, 24. Andreas
Nicolaus Hennings. |
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1896/07 - 02 - 117
XI. |
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Noch ein schwartz
sammetten Boldte mit 4 silbernen Quästen.
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XII. |
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Noch ein Kinder Boldte
von Schwartzen Lacken.
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Actum in Curia
Möllnensi, den 5. Novembr.
1742.
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Gottfried Hinrich Bote
Pastor m. m.
Hieronymus Friderich Boje, Diaconus mppria.
Anthon Scheve, Consul.
Jochim H. Höltich.
J. P. Jenckel. B.
Schumacher.
J. D. Voß.
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WD. |
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