Wer zum ersten Male das
lauenburger Land gelegentlich einer Eisenbahnfahrt zwischen Büchen
und Mölln zur Erntezeit sieht, braucht kein Landmann zu sein, um zu
bemerken, daß er durch einen dürftigen Landstrich fährt; denn die
weit von einander stehenden Roggen- oder Haferstiege, der spärliche
Graswuchs, der helle Sand und das dunkle Moor reden eine deutliche
Sprache. Der Fremde würde sich aber irren, wollte er sich auf Grund
dieser Wahrnehmung ein Gesamturteil über die Ertragsfähigkeit des
Bodens im Kreise bilden; eine Wanderung durch den nördlichen und
westlichen Theil unseres Ländchens und ein Blick auf die gesegneten
Fluren daselbst müßte seine Meinung ändern.
Der Kreis Lauenburg hat bei einem Flächeninhalte von 118256 ha
an Ackerland 68327 ha aufzuweisen und nimmt
hinsichtlich seiner Fruchtbarkeit unter den 20
Landkreisen unserer Provinz die 10. Stelle ein; der
Grundsteuer-Reinertrag beträgt im Durchschnitt 22 Mk.
38 Pf. vom ha. Die ergiebigsten Aecker in
Schleswig-Holstein hat Eiderstedt, die schlechtesten Rendsburg; die
Grundsteuer-Reinerträge der beiden Kreise sind auf 50,91
Mk. und 9,63 Mk. durchschnittlich festgesetzt worden.
In Lauenburg liegen die Grenzen zwischen 5,14 Mk.
(Langenlehsten) und 40,48 Mk. (Gut Kastorf).
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Von der Mark Brandenburg strahlt nach Nordwesten
ein Sandrücken aus, der durch das westliche Mecklenburg-Schwerin
geht und vom Segraner Berg bis Büchen die südöstliche Grenze unseres
Kreises überschreitet. In Lauenburg streicht er von Süden nach
Norden, wird allmählich schmäler und endigt auf der Möllner Feldmark
mit der zwischen der Schmilauer und Sterleyer Chaussee belegenen
„Heide“. Die Lübeck-Büchener Eisenbahn befährt von Mölln bis Büchen
diesen Sandrücken; der Stecknitz-Kanal und die von guten Wiesen
eingefaßte Delvenau durchschneiden ihn in vielen Windungen auf
derselben Strecke. 16 Bezirke: Büchen, Bröthen,
Fitzen, Roseburg, Siebeneichen, Güster, Nüssau, Hornbek, Woltersdorf
(Gemeinde), Sarnekow, Besenthal, Göttin, Langenlehsten, Grambek,
Lehmrade und Brunsmark sind mit einem Grundsteuer-Reinertrage von
weniger als 10 Mk. pro ha eingeschätzt worden; Mölln, Woltersdorf
(Gut), Klein Pampau, Müssen (Gemeinde), Pötrau und Gudow (Gemeinde)
kommen etwas über 10 Mk. hinaus. Vorstehende 22
Bezirke haben einen Inhalt von 16555 ha, machen also
1/7 der Kreisfläche aus. Wo der Sand in seiner
traurigen Vollendung auftritt, erinnert er an die Lüneburger Heide
und den Mittelrücken von Schleswig-Holstein. Göttin, Besenthal,
Langenlehsten und Bröthen, deren Feldmarken sich begrenzen, liegen
über eine Wegstunde von einander entfernt; bedenkt man, daß jedes
Dorf etwa ein halbes Dutzend Bauerstellen enthält, so kann man sich
von der Größe der letzteren eine Vorstellung machen. Aber sie sind
trotzdem kein beneidenswerter Grundbesitz. Der Sand wird hier so
feinkörnig und beweglich, daß ihn jeder heftige Windstoß bei
trockenem Wetter in Wolken von dannen führt; es ist nichts
Außergewöhnliches, wenn bei solcher Gelegenheit die eben gestreute
Roggen- oder Haferaussaat unter einem Sandhügel an einem Ende der
Koppel zusammengeweht oder auf das Grundstück des Nachbarn geworfen
wird. Der magere Boden erzeugt hauptsächlich Buchweizen, Hafer,
Roggen und Kartoffeln. Von Getreide wird in trockenen Jahren bis-
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weilen kaum die Aussaat wiedergewonnen; dagegen
ist der Ertrag der Kartoffeln zuverlässiger, sie sind von
vorzüglichem Geschmack und gehen massenweise nach Hamburg, weshalb
sie eine wesentliche Einnahmequelle der Sandbauern ausmachen. Zum
Lobe des lauenburgischen Sandes muß hervorgehoben werden, daß
verhärtete Fuchserde kaum oder doch nur sehr selten vorkommt.
Bedeutende Strecken, besonders auf der Ostseite zwischen Brunsmark,
Lehmrade und Gudow, tragen Nadelholz in dichten und großen
Beständen, so daß z. B. in den „Lehmrader Tannen“ Hirsche als
Standwild vorkommen. Wo der Sand nicht bestellt oder aufgeforstet
wird, sondern als Oedland mit einem Grundsteuer-Reinertrage von
1 Mk. 20 Pf. pro ha daliegt,
siedeln sich Besenginster und Heidekraut an. Diese beiden Gesträuche
verleihen dem monotonen Sand ein eigenthümliches Gepräge: der
Besenginster mit seinen großen, schön gelben Schmetterlingsblüten im
Vorsommer und die Heide im Schmuck ihrer purpurnen Blütentrauben
gegen den Herbst. Der Besenginster (Hasenbrahm) gewährt außerdem bei
Schneefall dem Wild eine allerdings kümmerliche Nahrung, während die
Heide in Zeiten des Mangels als Schaffutter und Streu dient;
wichtiger ist dieselbe für die Imkerei, da sie als eine ergiebige
Honigquelle geschätzt wird.
Unter dem Sande liegt zwar überall eine Lehm- oder Mergelschicht,
leider aber meistens so tief (bis zu 12 m), daß sie
für die Bildung der Ackerkrume belanglos ist. An Stellen, wo der
Sand weniger hoch aufgeschoben wurde, oder wo die Thonschicht
ansteigt, kommt sie der Oberfläche so nahe, daß die Tagewässer am
Durchsinken verhindert werden. Sind solche Stellen muldenartig und
führt ihnen ein Hügelkranz oder gar ein Bächlein mehr Wasser zu, als
durch Verdunstung verloren geht, so entsteht ein See. Sein frisches,
grünes Ufer, sein dunkler oder blauer Spiegel, das Auge der
Landschaft, macht gerade inmitten einer dürftigen Vegetation einen
belebenden und angenehmen Eindruck. Der lauenburgische Sand besitzt
über ein Dutzend solcher Seeen,
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von denen einige, wie der Gudower-, Drüsen- und
Möllner See durch ihre Ausdehnung, andere, wie der Schmal- und
Pinnensee, durch ihre schönen Ufer und der Schwarzsee durch seine
düstere Umgebung hervorragen. Alle sind mehr oder weniger fischreich
und geben durch Rohrschnitt Ertrag; die bei Mölln gewähren
Einheimischen und Fremden durch Baden, Bootfahren, Angeln und
Entenjagd gesunde Bewegung und angenehmen Zeitvertreib.
Wo eine undurchlässige, ebene oder schwach vertiefte Thonschicht der
Oberfläche nahe liegt, aber die übrigen Bedingungen für die Bildung
eines Sees nicht vorhanden sind, da entsteht ein Sumpf oder ein
Moor. Der lauenburgische Sand ist reich daran, denn Heide und Moor
sind häufig Nachbarn; während an einer Stelle das Wasser fehlt, ist
wenige Schritte davon des Guten zu viel vorhanden, hier der helle,
feinkörnige Sand und dicht daneben der schwarze, tiefe Morast.
Sumpfige Teiche liefern Schleien und Karausche, Sümpfe Rohr, Brüche
tragen Erlen und Birken, Moore dienen als Weide und erzeugen Torf,
der nicht nur an Ort und Stelle benutzt, sondern auch in der
Nachbarschaft als sparsam brennendes Heizmittel für die Küche gern
gekauft wird.
Man wähnte aber nicht, daß der lauenburgische Sandbauer ein armer
Mann sei; er lebt vielmehr, dank seinen Eigenschaften, in
bescheidenem Wohlstande. Die magere Scholle, welche sich nur durch
harte Arbeit einen sehr mäßigen Ertrag abgewinnen läßt, erzieht ihn
zu einem fleißigen und sparsamen Menschen und macht auch sein Vieh
von leichtem Schlage ausdauernd und genügsam.
Abgesehen von dem Sandrücken und einigen zerstreut liegenden kleinen
Sandinseln und Mooren ist der Boden unseres Kreises fruchtbar. Im
Südwesten, wo der Sachsenwald den größten Raum einnimmt, herrscht
bisweilen der Thongehalt in dem Maße vor, daß der Boden kaltgründig
wird und der Entwässerung bedarf. Der Norden unseres Kreises zeigt
die Bodenart des östlichen Holsteins: eine günstige Mischung
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von Sand, Thon und Kalk; hier gedeihen Feldfrüchte
aller Art, besonders gewähren Weizen und Oelsaaten vorzügliche
Ernten. Der Ueberschuß der landwirtschaftlichen Erzeugnisse geht
nach Westdeutschland, weil die Preise für Lebensmittel in dem Maße
steigen, wie man sich vom dünn bevölkerten, ackerbautreibenden Osten
dem industriellen Westen mit seiner dichten Bevölkerung nähert.
Die Aecker und Weiden sind bei uns, wie im östlichen Holstein, mit
Knicken oder Hecken eingefaßt, durch deren Anlage unsere Vorfahren
uns ein tüchtiges Stück Arbeit abgenommen haben. Die Knicke bestehen
aus Erd- und Steinwällen, die hauptsächlich mit Hasel-, auf
Sandboden mit Birkengebüsch bepflanzt sind; sie weisen aber zusammen
eine große Mannigfaltigkeit an Holzarten auf: Eichen, Rot- und
Weißbuchen, Birken, Ahorn, Haseln, Erlen, Schwarz- und Weißdorn,
wilde Rosen, spanischen Flieder, Goldregen, schwarzen Holunder,
Schneeball, Süß- und Heckenkirschen (Prunus avium L.
u. Lonicera Xylosteum L.) Vogelbeeren, Pfaffenhut (Evonymus
L.), Pulverholz (Rhamnus Frangula) und selbst
Linden. Durch Dornen und Schlingpflanzen, wie Geisblatt, Hopfen,
Zaunwinde und Bittersüß, wird mancher Knick für Menschen und Vieh
undurchdringlich, und da er in seinem dichten Laube eine Menge
gefiederter Sänger, sowie brummender und summender Insekten
verbirgt, so verdient er seine Bezeichnung „lebendige Hecke“ mit
Recht. Etwa alle 10 Jahre werden die Knicke abgeholzt.
Sie gewähren den Saaten und dem Vieh Schutz vor Frost, Sturm und
Regen, bilden eine sichere Einfriedigung, geben den Singvögeln gute
Nistplätze, ihrem Besitzer Erbsbusch, Back- und Brennholz und der
lieben Jugend Gelegenheit zum Haselnuß-, Kirschen- und
Schlehenpflücken. Auch erhöhen sie den Reiz der Landschaft, indem
sie derselben ein eigentümliches, gartenähnliches Ansehen verleihen
und dem Wanderer die Fernsicht fortwährend öffnen und wieder
schließen. Die Knicke schaden dadurch, daß sie dem Ungeziefer:
Mäusen, Insekten und Ackerschnecken sichere Schlupfwinkel und
Winterquartiere gewähren und die
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nördlich von den Wällen belegenen Ackerstreifen
beschatten, auch verzögern sie die Schneeschmelze und das Auftauen
des Bodens im Frühlinge; doch wiegt ihr Nutzen den Schaden bei
weitem auf.
Die Obstbaumzucht ist in Lauenburg nie ganz vernachlässigt worden,
obgleich sie sich früher in den Gärten der Landleute nur auf
einzelne Arten von Kirschen- und Zwetschenbäumen beschränkte, denn
edle Apfel- und Birnensorten waren schwer zu erlangen, wurden auch
als entbehrliche Näscherei angesehen. Das hat sich aber in den
letzen Jahrzehnten geändert, seitdem man den Marktwert des Obstes,
seinen vorteilhaften Einfluß auf die Gesundheit und seine
mannigfache Verwendung zu Speisen besser kennt. Der Obst- und
Gartenbauverein für die Kreise Segeberg, Stormarn und Herzogtum
Lauenburg ist mit Erfolg bestrebt, die Obstbaumzucht durch
gemeinverständliche Vorträge und durch Ausstellungen zu heben.
Jeder, der sich für die Sache interessirt, erfährt auf diese Weise,
welche Sorten für unser Klima passen, was für Eigenschaften sie
haben, er sieht ihre Früchte in natura oder täuschend nachgemacht in
Wachs, er lernt billige und reelle Bezugsquellen veredelter
Stämmchen kennen und wird vertraut mit ihrer Pflege. Wenn man
bedenkt, daß ein Stück Erde, welches einen edlen, vollen Fruchtbaum
trägt, hohe Zinsen bringt, so wird man die Bestrebungen der
Obstbauvereine zu schätzen wissen.
Lauenburg hat 9812 ha Wiesen, das ist 1/12
der gesamten Kreisfläche. Der durchschnittliche
Grundsteuer-Reinertrag beläuft sich auf 28,08 Mark vom
ha. Nur in Eiderstedt, Süderdithmarschen und
Eckernförde ist die Ertragsfähigkeit der Wiesen höher veranschlagt
als bei uns, die zuständigen Zahlen sind 35,01 Mk.,
28,38 Mk. und 28,17 Mark. Das Wiesenland
ist sehr ungleich verteilt, und manche Dörfer leiden empfindlichen
Mangel; hier muß durch Anbau von Futterkräutern Ersatz geschaffen
werden. Vortreffliche Wiesen liegen an der Delvenau, Stecknitz und
Bille; das Futter derselben kann in Bezug auf Menge und Güte mit
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demjenigen der Elbmarschen wetteifern. Das Heu
der Moorwiesen ist brauchbar, wenigstens als Pferdeheu, das Gras
aber minderwertig, mitunter sogar so schlecht, daß die Kühe auf
Moorweiden zeitweilig an Blutharnen leiden, was von gewissen Carex-
und Ranunculus-Arten herrührt. Im allgemeinen muß bemerkt werden,
daß für die Düngung und Melioration der Wiesen mehr gethan werden
kann, als bisher geschehen ist.
Im Kreise sind 6
landwirtschaftliche Vereine: |
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1. |
Landwirtschafl.
Verein für den Kreis Herzogtum Lauenburg, gegr.
1844. |
2. |
Verein für Landwirtschaft
und Gartenbau für Mölln und Umgegend. |
3. |
Landwirtschaftlicher
Verein für das südliche Lauenburg. |
4. |
Sandesnebener
landwirtschaftlicher Verein. |
5. |
Berkenthiner
landwirtschaftlicher Verein. |
6. |
Landwirtschaftlicher
Verein zu St. Georgsberg. |
Außerdem besteht zu Klein-Berkenthin ein landwirtschaftlicher
Konsumverein. e. G. m. u. H., welcher zum Verband
landwirtschaftlicher Konsumvereine des Schleswig-Holsteinischen
landwirtschaftlichen Generalvereins gehört.
Aus:
Heimatskunde
des Kreises Herzogtum Lauenburg
von Dr. HELLWIG, NEHL und SAGER. |
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