Verhandlungen über die
Einführung einer Bieraccise in Mölln 1612. Da im Anfange des
siebzehnten Jahrhunderts die Finanzverhältnisse der Stadt Lübeck
sehr ungünstige waren, so nahm der Rath ernstlich darauf Bedacht die
Einnahmen möglichst zu vermehren. Zu diesem Behufe wurden von ihm
unter andern die Kämmereiherren beauftragt, mit dem Rathe zu Mölln
wegen Einführung einer Bieraccise in Verhandlungen einzutreten.
Ueber den Gang und das Ergebniß derselben ist in das sogenannte
Kämmerei-Inventarienbuch die nachfolgende Aufzeichnung eingetragen.
Nachdem E. E. Rath aus den jährlichen Kämmereirechnungen befandt,
daß auf das Städtlein Mölln eine große Unkostung gewendet, auch
wenig dajegen eingenommen wardt denn außerhalb des Zollens und der
Mühlenheuer, welche doch Regalia seien, gebe der Rath und die Bürger
zu Mölln dem Rathe allhier jährlich nicht mehr als 40 Mark
Stadtsteuer, sonsten wehren sie mit keinen Schatzungen an Schoß,
Türkensteuer, Accise oder dergleichen einigen Diensten beschweret,
da doch die Bürger und Unterthanen im Ambte Bergerdorf und anderen
eines Ehrb. Rathes Aemtern und Gebieten, ja die Bürger in der Stadt
Lübeck solches jährlich ausgeben und leisten müssen. Da herjegen
hätten sie nicht alleine unter dem
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Rath allhier ziemliche gute Nahrunge, Justiz, Schutz, Schirm und
dergleichen, sondern auch ihre Frei- und Gerechtigkeit in civil und
criminal, in Ackern, Wischen, Weiden, Holtzungen und Landwehren,
mehr als manche freie Reichsstadt, will geschweigen andere
benachbarte kleine Fürsten Stätte haben. Aus diesen und andern mehr
Ursachen, insonderheit daß auch der bürgerliche Receß vermag, daß
die Landgüter etwas besser mochten genutzet werden, so hat E. E.
Rath denen Kammerherrn befohlen mit dem Rathe und dem Brauwerke zu
Mölln zu handeln, daß sie von jeder Tonne Bier sollen 4
Schillinge Accise geben, doch dergestalt, daß 2
Schillinge davon der Rath zu Lübeck allein solte haben, 2
Schillinge aber solte der Rath zu Mölln behalten zu Unterhalt und
Erbauung des Städtleins, und wollte E. E. Rath dagegen nicht alleine
dem Brauwerk gute Ordnung machen und alle Beförderung thun, sondern
auch von Jahren zu Jahren das Bier also setzen, damit sie, die
Brauer, ohne Schaden bleiben kondten.
Darauf da den 14. Mai 1612, als die
Möllnischen umb Bescheidt anhielten, daß ihnen die Tonne Bier von
2 Mark 8 Schillinge wiederumb auf 3
Mark mochte gesetztet werden, haben Herr Jochim Wibbeking und ich,
Heinrich Brockes, ihnen zu Möllen E. E. Rathes Begehr und Meinung
angezeiget, ihnen nicht alleine alle vorher gehende und andere
Motiven mehr zu Gemüthe führende, sondern auch daneben zu verstehen
gebendt, was deswegen andere benachbarte Obrigkeiten bei ihren
Unterthanen angeordnet, und daß sie vermittelst ihrer Huldigung,
Eidt und Pflicht solchs ebensowoll zu thuende schuldig, die Accise
auch ein solch Mittell wehre, welchs nicht allein sie, sondern auch
die Frembde, so die Biere trunken und abholten, bezahlen mußen. Da
sie auch solche Accise gutwillig ausgeben würden, sollte ihnen
alsobald das Bier ihrem Begehren nach gesetzet werden. Hierauf haben
sie sich mit einander besprochen und angemeldet, daß ihnen
unträglich, ja unmüglich fallen würde, solche Accise zu entrichten,
bittendt E. E. Rath möchte
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sie bei ihrer alten Freiheit laßen, gleich wie E. E. Rath ihnen
allewege, insonderheit bei dieser Huldigung zugesaget. Und ob ihnen
woll dagegen allerhandt wiederumb geantwortet worden, so sein sie
doch bei ihrer Meinung geblieben und ist ihnen auch das Bier nicht
höher gesetzet worden.
Und als die Kämmerherren den 23. Mai davon zu Rathe
referirt, hat der Rath für guth angesehen, daß man nochmals bei
ihnen wegen der Accise sollte anhalten. Und weil ich, Heinrich
Brockes, eine Zeitlang nach Hollandt verreiset wahr, hat E. E. Rath
in meinem Abwesen durch den Herren Syndicum Brambach, Herrn Joachim
Wibbekingk und Herren Heinrich Brömbse nochmals mit ihnen reden
laßen, aber alles umbsonst. Und wie dieselben zu Rathe folgendt
referiret, ist für gut angesehen, daß nochmals durch die Kämmerherrn
und Brambachium mit dem Möllnischen der Accise halber solle geredet
werden. Welches dan den 15. Sept. allda zu Mölln nach
aller Notdurft geschehen, mit Anzeige, daß ihre Freiheit darinne
nicht bestünde, daß sie zu ihrem Beschutz und Unterhaltung nichts
sollten contribuiren. Sie sollten es für gewiß glauben, daß
Mölln der Stadt Lübeck in 20 Jahren mehr gekostet zu
Unterhaltung, als es in 200 Jahren ihr hätte
eingebracht, und das kein Dorf bei der Stadt Lübeck wehre, davon der
Rath nicht mehr zu heben hätte, als von Mölln; und weil der Rath
vermerkete, daß ihnen die Accise auf 4 Schillinge zu
hoch zu sein bedünkte, so wolle es der Rath bei ihren 2
Schillingen bewenden laßen, und möchten sie alsdann für sich das S[t]ädtlein
Mölln in guten Bau und Wehre erhalten. Daß sie sich auch erboten
hätten, sie wollten anstaat der Accise lieber jährlich den
Türkenschatz geben, so wehre doch solches nicht ein so bequemes
Mittel als die Accise, insonderheit der Armuth und konnte nicht groß
austragen. Zu der Accise müßen auch die Frembden, ja auch die
reisenden Leute zulegen. Sie sollten bedenken, was ihre Nachbarn
andern Herrschaften jährlich contribuiren müßen, insonderheit die
von Bergerdorf
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müßen jährlich Accise, Schoß und Türkensteuer geben und dazu noch
Teich und Dämme halten, auch andere Dienste thun, und der Rath zu
Lübeck habe so woll über sie als die Bergerdorfer zu gebieten. Und
wan sie es in der Güte nicht thun wollten, wehre dem Rathe nicht
schwer, sie dahin zu halten, daß sie es müßen ausgeben. So konnten
sie auch solchs woll thun ohne ihren Schaden, denn es würde das Bier
darnach gesetzet und, da sie 2 Schillinge Accise
geben, hätten sie 4 Schillinge wieder einzunemen. Aber
solches alles und was ihnen mehr wardt zu Gemüthe geführt, wolte
nichts bei ihnen verfangen und helfen, sie legten es auf ihr Bitten,
der Rath möchte sie verschonen. Also sein wir den Tag mit Unwillen
von einander gegangen.
Den 16. Sept. haben wir die Bürgermeister und
Kämmerherren wiederumb kurtz vor unserm Abzuge fordern laßen und sie
ermahnt. Sie sollten sich eines andern bedenken, wir besorgten,
unsere Relation würde dem Rathe sehr frembdt zu hören sein und würde
sie zu andern Dingen Uhrsache geben, damit wir sie gerne verschont
sehen. Darauf sagte der Bürgermeister: Sie wolten sich noch eins mit
dem Rathe und Brauwerk besprechen. Und nachdehm sie solches gethan,
sein sie wieder zu uns auf den Hof gekommen und angemeldet. Sie
fanden sich nochmahls beschweret, die Accise auszugeben, baten E. E.
Rath wolle sie damit verschonen, sie wollten sonst gerne thun, was
möglich wehre und wollte das Brauwerk allein dem Rathe von Lübeck
jährlich erlegen anstatt der Accise 300 Mark. Wir
haben ihnen angezeigt, daß wir solches anzunehmen nicht befehligt
und weil sie nochmahls bei ihrer Meinung und Verweigerung geblieben,
müßten wir es dem Rathe referiren, welches dan von uns erstlich im
November geschehen.
Ob nun woll E. E. Rath gute Fug und Macht auch Gelegenheit hatte
gegen die Möllnischen mit der Accise zu verfahren, auch die 2
Schillinge von der Tonne jährlich woll 1000 Thaler
austragen konnte, so hat doch der Rat aus
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allerlei bedenklichen Ursachen für guth angesehen, daß man die
äußersten Mittell mit ihnen nicht eben zu der Zeit solte für die
Handt nemmen, sondern mit gewißer Condition und Vorbehalt die
300 Mark jährlich, so lange bis E. E. Rath damit eine
Anderung machen würde, zu acceptiren. Darauf habene wir Kämmerherren
die beiden Bürgermeister und 2 des Raths von Mölln
anhero mit ihrem Stadtschreiber beschrieben und auf der Kämmerei
allhier ihnen den 3. Dezember angezeiget, daß wir
nemtlich Befehl hatten, nochmals sie zu vermahnen und zu vernehmen,
ob sie die 2 Schillinge Accise guthwilling auszugeben
gemeinet; begehrten darauf ihre Erklärung, ehe und bevor wir ihnen
des Raths amtlichen Bescheidt anmeldeten. Und als die nochmals bei
ihrem Verweigern, Bitten und Erbieten verharreten, ist ihnen dieser
Bescheidt geworden: E. E. Rath hätte sich nicht versehen, daß sie
sich der ausgesetzten geringen Accise sollten also zugegen und
verweigerlich gestellt haben und wolte sich der Rath nochmahls
derselben Forderung, so auf aller Billigkeit beruhete, mit nichten
begeben, sondern die Exekution und Einnahme der Accise bis zu
anderer Zeit zu dieser Stadt Nutzen und Besten reserviret und
vorbehalten haben, sie auch gleicher Gestalt, wie die Bergerdorfer
mit jährlichem Schoße und Türkensteuer nach dieser Stadt
erheischender Notdurft billicher und traglicher Weise zu belegen.
Immittelst aber wollte E. E. Rath anstatt der Accise allein und so
lange es ihnen gefällig wehre, die 300 Mark jährlich
auf die bestimpte Zeit, wan sie ihre Mühlenheuer aufbringen, von
ihnen zu empfangen geruhen. Doch daß sie die 300 Mark
also collectiren und einbrächten, daß die Armuth damit nicht
beschweret oder andere Unbilligkeit dabei verspüret werde, sonsten
würde E. E. Rath darin ein Einsehen und Aenderung thun müßen.
Welches sie dan also angenommen und dafür gedanket.
Darauf ist ihnen von uns das Bier auf 3 Mark gesetzet
worden, so lange bis unser Herr Gott beßer Zeit verlehnen
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wird, denn der Scheffell Gerste galt damals
17 auch 18 Schillinge und war nicht woll zu
bekommen.
W. BREHMER DR.
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