Kindheit in Niendorf - Ein frühes Talent
In Mathilde Block treffen wir auf eine in vielerlei
Hinsicht für ihre Zeit und ihre gesellschaftliche
Stellung ungewöhnliche Frau - kunsthistorisch wie auch
sozialgeschichtlich. Sie ist nicht nur eine
qualitätvolle Kunstmalerin gewesen, sondern fällt auch
in ihrem Werdegang in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts
als besonders emanzipiert und couragiert auf.
Über ihr 82jähriges Leben und ihre über 70jährige
künstlerische Tätigkeit, in der sie sich auf Porträts
und das religiöse Genre spezialisiert hatte, ist bislang
nur wenig bekannt gewesen.
Auch wenn sie die meiste Zeit ihres Lebens in Berlin
verbrachte, sind ihre Verbindungen ins Lauenburgische
nie abgerissen und lassen sich heute noch auffinden,
wenn man danach sucht. Obwohl sie in Pinneberg verstarb,
als sie ihre letzten Lebensmonate im Hause ihrer
Schwester zubrachte, wurde sie auf eigenen Wunsch hin
auf dem Friedhof in Niendorf beigesetzt, wodurch sich
der Kreis schließt, der sie letztlich zu einer
Künstlerin unserer Heimat macht.
Sie wurde am 10.7.1850 als Auguste Betty Julie Mathilde
Block in Niendorf a. d. Stecknitz geboren. 01)
Ihr Vater, Julius Friedrich Block,
02) war
dort seit 1849 Pastor an der Kirche St. Anna und der
Großvater, Friedrich Christian Block, bekleidete von
1817 bis 1834 den hohen kirchlichen Posten eines
Superintendenten in Ratzeburg. Diese familiäre
Konstellation schlug sich in einer tiefen religiösen
Prägung nieder, obgleich Mathilde den Großvater nie
kennengelernt hatte und der Vater verstarb, als sie erst
drei Jahre alt war. Dennoch haben ihr sicherlich ihre
Mutter Auguste Block
03) (Abb.
1) und ihre Großmutter Betty Luise Lisette Block eine
entsprechende Erziehung zuteil werden lassen.
Gleichzeitig erbte sie das Talent der Mutter zum
Zeichnen und Malen. Freundlich sei Mathilde gewesen und
überall beliebt, weiß die Niendorfer Chronik vom
Hörensagen zu berichten.
04)

Abb. 1: Auguste Block, die Mutter von
Mathilde Block
Ein Mausklick ins jeweilige Bild vergrößert die Darstellung!
Nach dem frühen
Tod des Vaters, der im Alter von nur 45 Jahren einem
Herzschlag erlag, zog Mutter Auguste mit der einjährigen
Therese
05), dem
zweijährigen August
06) und der
dreijährigen Mathilde in das kleine, eigens für die
Familie erbaute „Pfarrwitwenhaus“, das sich in Niendorf,
am Woltersdorfer Weg, unweit der alten Mühle befunden
hatte (Abb. 2), heute jedoch nicht mehr existiert. Sie
verlebte dort glücklich ihre Kindheit und „alle späteren
Ferienzeiten“
07). Schon
als Kind entdeckte sie den Hang zur Kunst - zunächst zum
Zeichnen - und verfolgte diesen Lebenswunsch beharrlich.

Abb. 2: Das „Pfarrwitwenhaus“ in Niendorf
a. d. Stecknitz,
wo Mathilde ihre Kindheit verbrachte
Das Museum in
Flensburg verwahrt ein achtseitiges Manuskript, das nach
1906 - aber noch zu Lebzeiten der Mathilde Block -
entstanden ist. Der ungenannte Verfasser begründet
seinen Aufsatz so: „Aber warum sollen wir warten,
bis jemand vergessen ist und man sein Lebenswerk erst
mühsam wieder zusammen suchen muß? Ist es nicht besser,
der Lebenden zu gedenken, die in selbstloser Treue den
Ihnen zugefallenen Kreis ausfüllen, unbekümmert um den
Beifall des Tages.
____________________
01)
Kirchenbuch Niendorf a. d. Stecknitz, C 3053, S.158
rechts, No. 2.
02) Julius
Friedrich Block (Hittbergen 7.5.1806 - 4.5.1854 Niendorf
a. d. Stecknitz)
03) Auguste
Henriette Wilhelmine Block, geb. Rosa (Braunschweig
19.8.1819 - 10.9.1908 Pinneberg)
04)
Niendorf an der Stecknitz. 1194 - 1994. Ein Dorfbuch.
Hrsg. Jens Ulbricht. Niendorf 1994, S. 330-332: Von der
Muse geküßt: Mathilde Block, Kunstmalerin.
05) Therese
Luise Charlotte Block (Niendorf a. d. Stecknitz
24.5.1853 - 23.3.1940 Pinneberg).
06) August
Carl Friedrich Ludwig Nicolaus Wilhelm Block (Niendorf
a. d. Stecknitz 29.8.1851 - ?)
07) Das
geistige Berlin. Eine Encyclopädie des geistigen Lebens.
Bd. I.: Leben und Wirken der Architekten ... Hrsg.
Richard Wrede und Hans von Reinfels. Berlin 1897. S. 32.
- Von der Aussage ist wenig zu halten, da Schwester
Therese und Mutter Auguste schon 1893 nach Pinneberg
übersiedeln.
01
02
Sie ist 1850 in Niendorf an der Stecknitz im
Herzogtum Lauenburg geboren, wo ihr Vater Pfarrer war.
Nach dessen frühem Tode lebte die Mutter mit den drei
Kindern im Predigerwitwenhause, das sie ihnen zur
sonnigen Heimat zu gestalten wußte, trotz der schmalen
Pension. Ihr hübsches Zeichentalent vererbte sich auf
die Kinder, vor allem auf Mathilde, und zeichnen und
malen waren die liebsten Beschäftigungen.“

Abb. 3: Porträts Niendorfer Bauern, gezeichnet
von der 12jährigen Mathilde Block
Schon in ihrer Kindheit trat Mathilde also mit einem besonderen
künstlerischen Talent hervor. Fünf Porträtköpfe
Niendorfer Bauern soll sie bereits als 12jährige mit
Bleistift gezeichnet haben (Abb. 3). Die Gesichter sind
treffend charakterisiert und die Personen ließen sich
später noch auf alten Fotos erkennen und zuordnen.
08)
In den Prüfungsakten der Kgl. Akademie der bildenden
Künste in Berlin befindet sich heute noch ein von
Mathilde Block anlässlich ihrer Prüfung zur
Zeichenlehrerin selbst verfasster Lebenslauf, der uns
über ihre Jugendjahre durch eigene Hand präzise Auskunft
gibt:
„Am 10. Juli 1850
wurde ich im Pfarrhaus zu Niendorff a/d Stecknitz ....
als älteste von drei Geschwistern geboren. Leider starb
mein Vater schon kaum sechs Jahre nach seinem
Amtsantritt und meine Mutter mußte mit uns Kindern das
Kleine, für sie erste gebaute Pfarrwitwenhaus beziehen.
Wir haben eine sehr glückliche Kindheit darin verlebt
und sind von unserer Mutter mit großer Sorgfalt erzogen
worden. Sie gab uns den meisten Unterricht selbst und
wurde darin tüchtig unterstützt von dem Nachfolger
unseres Vaters, Pastor Fiedler und seiner Frau. Nachdem
mich derselbe confirmiert hatte, wurde ich anderthalb
Jahre nach Ratzeburg gegeben, wo ich die erste Classe
der Töchterschule von Fräulein Kuss besuchte.“
Die „höhere Töchterschule“ in Ratzeburg befand sich seit
1860 unter der Leitung von Johanna Kuss, wahrscheinlich
auch eine Pastorentochter, da sie die Erlaubnis hatte,
in der Predigerwitwenwohnung von St. Petri zu wohnen.
Eine streng religiös ausgerichtete Erziehung darf
hiermit also auch weiterhin vorausgesetzt werden.
„Das Zeichnen war immer meine
liebste Beschäftigung und ich habe es in meinen
Musestunden mit größtem Eifer, wenn auch ohne besondere
Anleitung, getrieben. Von der Schule nach Hause
zurückgekehrt, trat ich mit sechzehn Jahren meine erste
Stelle als Erzieherin in einer benachbarten
Pächterfamilie an und blieb zwei und ein halbes Jahr
darin.“
Bei dem „benachbarten Pächter“ ihrer ersten Anstellung
wird es sich um Karl Wilhelm Theodor Metzener, den
Besitzer des Niendorfer Herrenhauses gehandelt haben,
der das Gut von seinem Vater gepachtet hatte und der für
seine im betreffenden Jahr geborene Tochter Olga
sicherlich ein 16jähriges Kindermädchen gut hatte
gebrauchen können.
„Weil ich ein sehr geringes Gehalt bekam und mehr
zu verdienen wünschte, um meiner Mutter besser helfen zu
können, welche, mittellos, nur von ihrer kleinen Pension
und etwas Handarbeit lebend, nicht die steigenden
Ausgaben für meinen Bruder, der Kaufmann wurde,
bestreiten konnte: so nahm ich eine bedeutendere
Stellung als Erzieherin an, die sich mir damals bot. Ich
ging zu der Familie des Bauernherrn u. Drost von Fabriel
und verbrachte vier und ein halbes Jahr dort auf der
alten Burg Stargard in Mecklenburg.“
Stargard bei Neubrandenburg im östlichen Mecklenburg war
eine beeindruckende Burganlage des 12. Jahrhunderts und
lag ca. 250 km vom heimatlichen Niendorf entfernt.
„Nach Ablauf dieser Zeit erforderte meine
Gesundheit eine Erholung und ich kehrte zu meiner Mutter
zurück. Während der nun folgenden anderthalb Jahre
gelang es mir durch das Interesse unserer Hochgestellten
diesen meinen längst gehegten Wunsch, mich einer
Ausbildung im Zeichnen, meiner Lieblingsbeschäftigung,
zu widmen, in Ausführung zu bringen. Ich erhielt durch
die Gnade der Frau Kronprinzessin eine Freistelle im
Victoriastift und begab mich im Oktober 1875 nach
Berlin, wo ich in
____________________
08)
Vgl. die auf Pastor Hanfried Fontius zurückgehende
Angabe in „Niendorf an der Stecknitz. 1194-1994. Ein
Dorfbuch. Hrsg. Jens Ulbricht. Niendorf 1994, S. 330-332:
Von der Muse geküßt: Mathilde Block, Kunstmalerin“,
S. 331. Der Eigentümer oder der Aufbewahrungsort des
Blattes wird dort nicht angegeben und der Verbleib ist
unbekannt. Es ist nicht einmal klar, ob es sich um ein
Blatt mit fünf Köpfen oder um die fototechnische
Kombination von fünf separaten Blättern gehandelt hat,
was wahrscheinlicher zu sein scheint. Die behauptete
Datierung 1862 geht aus dem Blatt, so wie es in der
Dorfchronik abgebildet ist, nicht hervor. Die
Dargestellten sollen (von oben links nach unten rechts)
der Mittelkätner Johann Niemann, der Kleinkätner
Prahl-Niemann, der Bauernvogt Heinrich Bentin, der
Großkätner Johann Hillmer und der Großkätner Franz
Schnackenbeck gewesen sein.
02
03
der Zeichenschule des Vereins der
Künstlerinnen meine Studien begann und bis zum 1. Juli
dieses Jahres fortsetzte.
Niendorff a/d Stecknitz d. 20. Aug. 1877 Mathilde Block“
09)
Unter den Augen der Kronprinzessin: Ausbildung im
Lette-Verein Berlin
Trotz ihrer anfänglichen Tätigkeit als Erzieherin hatte
sie also schon früh den Wunsch gefasst, Künstlerin zu
werden. Das Zeichnen oder Malen mit Aquarellfarben oder
Pastellkreiden für den Hausgebrauch gehörte unter Damen
der Gesellschaft zu dieser Zeit durchaus zum Kanon der
standesgemäßen Beschäftigung, aber der Wunsch
professionelle Künstlerin zu werden oder gar mit der
Kunst Geld zu verdienen, war für ein Mädchen vom Lande
in dieser Zeit höchst ungewöhnlich.
Im Oktober 1875 setzte Mathilde Block ihren mutigen
Entschluss in die Tat um, nach Berlin zu gehen um dort
eine künstlerische Ausbildung zu beginnen. Leicht wird
es nicht gewesen sein, aus dem provinziellen Dörfchen in
die pulsierende, moralisch gefahrenvolle Hauptstadt mit
ihrer fast halben Million Einwohnern zu übersiedeln.
Vielleicht mag der Umstand hilfreich gewesen sein, dass
das Herzogtum Lauenburg seit 1865 in Personalunion mit
Preußen verbunden war und Berlin somit quasi auch zur
Hauptstadt des Lauenburgischen geworden war. In Preußen
blieb jedoch bis 1919 Frauen ein akademisches
Kunststudium verboten, weil man um deren Moral
fürchtete. Es war nahezu ausgeschlossen, dass eine junge
Frau aus bürgerlichem und nicht besonders wohlhabendem
Stand eine professionelle Kunstausbildung erhalten
konnte,
Einzig der von Wilhelm Adolf Lette gegründete
Lette-Verein in Berlin bot ab 1872 eine solche
Ausbildung für alleinstehende Frauen an. Dieser „Verein
zur Förderung der Erwerbstätigkeit des weiblichen
Geschlechts“ stand unter dem Protektorat der
Kronprinzessin Viktoria von Preußen, die ihn auch
finanziell unterstütze. Hauptsächlich sollte
unverheirateten Frauen aus dem Bürgertum die Möglichkeit
gegeben werden, ihren Lebensunterhalt selbst
standesgemäß zu verdienen. Der Verein öffnete
Berufsfelder für Frauen, die diesen vorher oft überhaupt
nicht zugänglich waren, so z. B. Photographin,
Telegraphistin, Röntgenschwester, Metallographin oder
Modezeichnerin.
Der Lette-Verein hatte auch eine Zeichen- und Malschule
für Frauen eingerichtet, deren Ziel es war, auf den
Beruf der Zeichenlehrerin vorzubereiten. Diesen Weg
beschritt Mathilde Block und absolvierte dort eine
zweijährige Ausbildung, die normalerweise insgesamt 800
Mark gekostet hätte, was dem vierfachen Jahresgehalt
eines Dienstmädchens entsprach. Ein solches Studium
hätte sich Mathilde Block von dem vielleicht Gesparten
ihres kargen Lohnes als Erzieherin nicht leisten können.
Sie erhielt jedoch eine der 159 sog. „Freistellen“ unter
den 1043 Studierenden.
10)
Jedoch nur sechs dieser „Freistellen“ wurden „aus der
Schatulle der Frau Kronprinzessin bezahlt.“
11)
Diese stellten eine Art Stipendium dar, das von der
Kronprinzessin Viktoria, der Mutter Kaiser Wilhelms II.,
zur Förderung besonders begabter, aber bedürftiger
junger Frauen eingerichtet worden war.
Es ist bedauerlich, dass auch ihr oben zitierter,
eigenhändiger Lebenslauf aus den Prüfungsakten nicht die
Namen jener „Hochgestellten“ preisgibt, die Mathilde
Block den Weg nach Berlin bis in die Kreise der
Kronprinzessin geebnet hatten, denn ohne eine
entsprechende Protektion wäre die Pastorentochter aus
der Provinz hier ohne Chance gewesen. In einem späteren
Schreiben um ein Stipendium - auf das später noch
eingegangen werden soll - spricht sie von
„hochgestellten Damen“. Es liegt die Vermutung nahe,
dass es sich bei einer der Gönnerinnen um die Schwester
von Andreas Peter Graf von Bernstorff (1844-1907)
gehandelt haben könnte, der als „Königlicher Kammerherr
und Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs-Rath“ in Berlin
fungierte. Seine und seiner Schwester Verbindungen zum
Christentum, zum Herzogtum Lauenburg, nach Berlin und
zur Kronprinzessin Viktoria sind zu evident, um zufällig
zu sein, geschweige denn gäbe es schlüssige
Alternativen. 1870 kam die
____________________
09)
Prüfungsakten der Akademie der bildenden Künste in
Berlin. Jahrgang 1877. Bll. 233/123.
10)
Der Frauenanwalt. Organ des Vorstandes deutscher
Frauenbildungs- und Erwerbsvereine. 1879, S. 342-344.
Die genannten Zahlen beziehen sich auf das Jahr 1878
(vgl. Obschernitzki, Doris: „Der Frau ihre Arbeit!“
Lette-Verein. Zur Geschichte einer Berliner Institution
1866-1986. Berlin 1987, S. 74).
11)
Obschernitzki, a.a.O. S. 74.
03
04
Kronprinzessin nach London, wo sie
nicht im Buckingham Palast bei ihrer Mutter, Queen
Victoria, sondern mit ihrem Gemahl bei den Bernstorffs
wohnte. Andreas von Bernstorff schrieb über diese
Begegnung: „Persönlich für mich war diese Zeit des
Kronprinzlichen Besuches eine, die mir in besonders
lieblicher Erinnerung steht ... Ich kann auch nicht
genug die große Liebenswürdigkeit beider rühmen.“
12)
Graf Bernstoff war u. a. 1874-80
als Landrat in Ratzeburg tätig, ein wichtiges Amt, da
der Landrat damals, als der Kreis noch nicht vollständig
dem Königreich Preußen einverleibt war, die
Regierungsgeschäfte des Herzogtums führte. Er wechselte
dann nach Berlin ins Kultusministerium, wo er zunächst
das Kirchenbaudezernat leitete. Seine eigentliche
Lebensaufgabe sah er in der christlichen Mission. Schon
mit 15 Jahren schrieb und verlegte er eine Schrift
„Errettung durch Glauben“. In der Familie wurde er der
„heilige Andreas“ genannt; er war der
„Reich-Gottes-Bewegung“ verpflichtet und sogar
Laienprediger. In seiner Ratzeburger Zeit wurde er zum
Mitglied der Gesamtsynode der evangelisch-lutherischen
Kirche der Provinz Schleswig-Holstein ernannt. In
zahlreichen Ehrenämtern hatte er 18 Vorsitze und 10
Vorstandsmitgliedschaften inne, u.a. war er Vorstand im
„Verein zur Fürsorge für die weibliche Jugend“ und
verfügte sicherlich über immense Verbindungen. „Jedes
Anliegen fand ein offenes Ohr, jede Frage eine
freundliche Antwort bei dem rastlos tätigen Mann.“
13)
Während seiner Amtszeit in
Ratzeburg wird Mathilde Block ein Stipendium des Kreises
Herzogtum Lauenburg erhalten. Marmorne Gedächtnisplatten
für ihn und seine Schwester schmücken die Wände der
Apsis in der Kirche von Lassahn, die seinem Patronat
unterstand und in der sich ein dreiflügeliger Hauptaltar
von der Hand Mathilde Blocks befindet. Diese Schwester
war Victoria Gräfin von Bernstorff (1857-1932), die sich
- in London geboren - am englischen Königshofe
aufgehalten und ihren Vornamen nach der Kronprinzessin
Victoria - der Förderin Mathilde Blocks - erhalten
hatte, die ihre Patin gewesen war. Auch Victoria von
Bernstorff war sehr religiös orientiert - sie wurde
später Priörin im Kloster Preetz.
Im „Viktoria-Pensionat“ oder „Viktoria-Stift“ des
Lette-Vereins in Berlin konnte Mathilde Block wie in
einem Internat wohnen und essen - es gab eine eigene
„Speiseanstalt“ und ein „Damenrestaurant“, in dem auch
Damen speisen konnten, die nicht Mitglieder des
Lette-Vereins waren. Das Viktoria-Stift war im dritten
und vierten Stock in einem Gebäude Königgrätzer Straße
Nr. 90 untergebracht und bot „alle Annehmlichkeiten
einer geschützten Häuslichkeit. Das Viktoriastift steht
unter der Aufsicht eines Damenkomités und der Leitung
einer Hausmutter.“
14)
Zu den Annehmlichkeiten
gehörten auch Bibliothek, Versammlungssaal, Musikzimmer
und Betreuung durch eine eigene Hausärztin. Im ersten
und zweiten Stock befanden sich die Schulen, u.a. die
Zeichenschule. Mathilde Block musste also zum Besuch des
Unterrichts das Haus überhaupt nicht verlassen.
Künstlerische Erzeugnisse wurden im sog. „Viktoriabazar“
im Vorderhaus des Erdgeschosses verkauft, dessen Erlöse
mit zur Deckung der Ausgaben beitrugen.
Die Zeichenschule unter Leitung von Herrn Jonas fasste
mit den Fächern Kolorieren, Modellieren und Zeichnen
vornehmlich die gewerbliche Kunst ins Auge, der
Lette-Verein hatte damit aber die Berechtigung zur
Ausbildung von Zeichenlehrerinnen. Leider sind die
Archive des Lette-Vereins 1945 zerstört worden. Wie es
zu Mathilde Blocks Zeiten dort ausgesehen hatte,
vermittelt ein Holzstich von E. Rechlin,
15)
der zwar nicht die Zeichen- und
Malschule zeigt, aber etwas von der Atmosphäre dieser
Lehranstalt widerspiegelt und rechts oben sogar einen
Besuch der Kronprinzessin Viktoria im Lette-Haus
darstellt.

Abb. 4: Ansichten vom Lette-Verein in Berlin,
Holzstich, 1877. Rechts oben:
Besuch der Kronprinzessin Viktoria.
Das Flensburger Manuskript weiß über die Berliner
Ausbildungszeit zu berichten: „Zur
Ausbildung aber wollten die kargen Mittel nicht reichen,
so mußte Mathilde denn Erzieherin werden und sie
erfüllte diesen Beruf mit Treue und Geflissenheit ohne
ihr Ziel aus den Augen zu verlieren. Sie fand hilfreiche
Freunde, die ihr eine Freistelle im Viktoriastift des
Lette-Hauses verschafften und ihr die Ausbildung in der
Zeichenschule des Vereins der Künstlerinnen
ermöglichten. Nach zwei Jahren konnte sie die Prüfung
als Zeichenlehrerin ablegen, und da sie auf Grund der
Zeugnisse ihrer Lehrer
____________________
12)
H. von Redern: Andreas Graf von Bernstorff. Ein
Lebensbild in seinen Briefen und persönlichen
Aufzeichnungen. Schwerin 1909,
S. 134-135.
13)
Ebd., S. 169.
14)
Obschernitzki, a.a.O. S. 73.
15)
Holzstich von 1877 in: Ueber Land und Meer. Allgemeine
Illustrirte Zeitung. No. 50, 1017: Bilder vom
„Lette-Verein für
weibliche Erwerbsthätigkeit“ in Berlin.
04
05
Eybel, Domschke und Streckfuß ein Stipendium des
Herzogtums Lauenburg erhalten hatte, was vor ihr noch
nie einem weiblichen Wesen geglückt war, konnte sie ihr
Studium bei Graf Gussow und Skarbina fortführen und sich
bald durch eigene Aufträge allein
erhalten.“
Später wird die „Neue Hamburger Zeitung“ in der
wöchentlichen Beilage „Das Reich der Frau“ über ein Werk
von Mathilde Block
berichten und dabei erwähnen, dass sie „auch die
Aufmerksamkeit von Kaiserin Friedrich erregte, als
Mathilde Block eine
Malschülerin im Lette-Haus in Berlin war.“
16)
Kaiserin Friedrich war niemand anders als die Prinzessin
Viktoria von
Großbritannien und Irland, Tochter der britischen
Königin Victoria und Kronprinzessin von Preußen, die
sich nach dem Tod ihres
Gatten Kaiser Friedrich III. aus Trauer fortan „Kaiserin
Friedrich“ nannte, da sie an der Seite Friedrichs -
allerdings nur für
99 Tage - als deutsche Kaiserin regiert hatte. Sie war
selbst eine engagierte Kunstmalerin und begabte
Porträtistin. Sie galt als
kultiviert, polyglott, liberal und sozial eingestellt
und sehnte sich in Berlin nach kongenialer Gesellschaft.
Mathilde Block
wird in ihr nicht nur in künstlerischer Hinsicht eines
ihrer ersten großen Vorbilder gesehen haben. Dass die
beiden Frauen sich
auch persönlich kennengelernt hatten, steht außer Frage,
da die Kronprinzessin sich häufiger im Lette-Verein
aufgehalten, die
Werke ihrer Zöglinge im Viktoriastift begutachtet und
sogar einmal selbst die Erzeugnisse des „Viktoriabazars“
feilgeboten hatte.
Als Mathilde Block den Lette-Verein verließ, erhielt sie
über ihre Zeichenausbildung folgendes Zeugnis: „Dem
Fräulein Mathilde
Block, Tochter einer Predigerswitwe, aus Niendorf bei
Moelln in Lauenburg, bescheinige ich hiermit, daß sie
seit einem Jahre die
unter meiner Leitung stehende Zeichen- und
Kolorierschule des Lettevereins besucht und, unterstützt
von einer mit eisernem Fleiße
gepaarten, ganz außergewöhnlichen großen Begabung, die
bedeutsamen Erfolge erzielt hat. Da sich dieses
seltene Talent nicht nur in kunstgewerblichen,
sondern ebenso eminent im künstlerischen Zeichnen
offenbart, was dadurch bewiesen wird, daß Frl. Block mit
der selben Leichtigkeit und Sicherheit sowohl
Flachmuster, als auch Blumen, Portraits nach dem Leben
u.s.w. zeichnet, ja sogar teilweise schon selbst malt,
so fehlt demselben, nach meiner festen Überzeugung nur
eine gründliche Ausbildung, um es bis zu hervorragenden
künstlerischen Leistungen zu entwickeln. Es wäre
außerordentlich zu bedauern, wenn diese Ausbildung
unterbliebe.
Als Anerkennung des Strebens und der schon erzielten
Erfolge, hat Frl. Block vom Lettevereine eine silberne
Medaille erhalten.
Solches bescheinige ich der Wahrheit gemäß. / Berlin d.
7ten Januar 1877 / Ruth Jonas“
17)
Im gleichen Jahr wird ihr vom Lette-Verein ein weiteres
Zeugnis über ihre persönliche Führung ausgestellt: „Fräulein
Mathilde Block, Tochter des verstorbenen Predigers Block
in Niendorff bei Möllen i/Lauenburg, war vom October
1845 bis dahin 1877 durch
die Gnade ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der
Frau Kronprinzessin des deutschen Reiches und von
Preußen, Frei-Bewohnerin des Victoria-Stifts (Pensionat des
Lette-Vereins) und hat sich während ihres Aufenthaltes
daselbst, durch ihr
musterhaftes, stets bescheidenes und freundliches Wesen
sowohl das warme Interesse und die Achtung der Damen des
Vorstandes des Lette-Vereins, aber auch die allgemeine
Zuneigung und Liebe ihrer Mitbewohnerinnen in hohem Grad
zu erwerben gewußt, was ihr hierdurch gern bescheinigt
wird.
Der Vorstand des Lette-Vereins Anna Schepeler-Lette
Vorsitzende, Jenny Hirsch Schriftführerin und Betty
Lehmann Hausmutter.
Berlin 8. November 1877“
18)
Parallel zu ihrer kunstgewerblich-zeichnerischen
Ausbildung im Lette-Verein belegte sie bis zum 1. Juli
1877 Kurse in der
Zeichenschule des „Vereins der Künstlerinnen und
Kunstfreundinnen zu Berlin“ in der Anhaltstraße Nr. 14.
Ein vom Kuratorium der
Zeichenschule herausgegebenes
____________________
16)
Grube, Helene: Das Altarbild in der Möllner Kirche, ein
Meisterwerk von Mathilde Block. In: Neue Hamburger
Zeitung, Nr. 584 (Abend-Ausgabe, wöchentliche Beilage:
„Das Reich der Frau“) vom 12.12.1908.
17)
Akten Landschafts-Collegium zu Ratzeburg. Stiftungen u.
gemeinnützige Anstalten. Acta betr. Landschaftliche
Stipendien. Vol.
I, 1873-1878, 15.2.1877, No. 2169/77 mit 5 Anlagen
(Kreisarchiv Ratzeburg, Abt. 9, Nr. 656).
18)
Ebda.
05
06
„Prospect“ warb damals für
acht Abteilungen: „Elementarzeichnen mit Benutzung der
Dupuis’schen Modelle“ bei Prof. Domschke,
Fräulein Eichler und Fräulein Bialke, „Zeichnen nach der
Antike“ bei Prof. Schütze und Herrn Bublitz, „Zeichnen
nach lebendem
Modell bei Prof. Eybel und Herrn Bublitz, Aktzeichnen
bei Prof. Eybel, „Landschaftliches Zeichnen nach
Vorlagen und nach der
Natur“ bei Herrn Scherres, „Blumenmalen“ bei Martha
Endell, „Kunstgeschichte“ bei Dr. Emil Taubert und
„Hülfswissenschaften:
Cursus der Perspective“ bei Prof. Streckfuß, weiterhin
wurde ein „Cursus der Anatomie und Proportion“ bei Prof.
Domschke
angeboten sowie „Projectionslehre. Für Diejenigen,
welche das Examen als Lehrerin machen wollen“. Die Kurse
kosteten monatlich
zwischen drei und achtzehn Mark und beinhalteten zwei
bis zwölf Unterrichtsstunden pro Woche. Die Räume der
Schule konnten von
den Schülerinnen an Unterrichtstagen auch außerhalb der
Stunden zum eigenen Arbeiten genutzt werden.
Gemeinsam mit Martha Endell führte Mathilde Block 1876
ein „Gedenkblatt des Vereins der Berliner Künstlerinnen“
für Kaiser
Wilhelm I. aus, welches an das gescheiterte Attentat auf
ihn am 11. Mai erinnern sollte und die Gefühle des
Vereinsvorstandes in
Wort und Bild zum Ausdruck bringen sollte. Der Kaiser
war dem Verein sehr zugetan und kaufte 1884 auf der
Vereinsausstellung
„allerlei Bilder ... und kein Rekommandieren und kein
Reden brachte ihn davon ab.“
19)
Im November 1877 wurde ihr im Auftrage des
Schul-Curatoriums von Fräulein A. Eichler über ihre
Leistungen ein Zeugnis ausgestellt, das ihr „Talent und
Fleiß“ bescheinigt.
Schon einen Monat vorher bewarb sich Mathilde Block bei
der Königlichen Akademie der Künste in Berlin um einen
Termin im Oktober für das Examen zur Zeichenlehrerin.
Als Adresse gab sie dabei „Niendorff bei Mölln, Kreis
Herzogthum Lauenburg“ an - offenbar weilte sie auf
Besuch bei der Mutter.
Die protokollierte Prüfung vom 2. Oktober 1877 forderte
folgende Leistungen: Ein Kopf musste nach der Natur
gezeichnet werden,
ein Gipskopf in verschiedenen Wendungen mit Licht und
Schatten dargestellt. Weiterhin war eine „verständliche,
auf den Regeln der
sogenannten Hülfslinien beziehende Anweisung zum
Zeichnen darzustellen“ und „jenen verschiedene
Wendungen“ zu geben. Als zweite Aufgabe war eine
Zeichnung nach einem plastischen Ornament mit zwei
verschiedenen Kreiden anzufertigen. Drittens war nach
einem
Vorbild eine Pflanzen-Arabeske und eine landschaftliche
Darstellung zu zeichnen, viertens Blumen und Pflanzen
nach der Natur.
Fünftens musste die Prüfungskandidatin durch Zeichnung
und Erläuterung ein allgemeines Verständnis von den
einfachen Grundregeln der Perspektive und der Schatten-
und Lichtspiele nachweisen. Die letzte Prüfungsaufgabe
bestand darin, in einer Unterredung darzutun, dass ihr
„die wichtigsten Methoden des Zeichenunterrichtes nicht
unbekannt“ seien. Hierzu existiert in den
Prüfungsunterlagen eine eigenhändige „Mitschrift“ der
Künstlerin:
„Was den Zeichenunterricht in Schulen betrifft,
würde ich nach folgender Methode unterrichten: Schüler,
welche vorher noch keine
Anleitung hatten, würde ich zuerst mit den einfachsten
Elementen der Formenlehre bekannt machen, von der
geraden Linie in ihren
verschiedenen Lagen und Zusammenstellungen zur
Flachornamentation beginnend und stufenweise vom
Leichten zum Schweren übergehend, nach der Art des
Elementarunterrichts von Herrn Professor Domschke in der
Zeichenschule des Vereins der Künstlerinnen. Auf diese
ersten Übungen würde dann das Zeichnen nach massiven
Holzkörpern von einfachen geometrischen Formen in den
verschiedensten Stellungen folgen, um die Perspektive
anschaulich zu machen. Neben diesen Anfängen des
Zeichnens, welche mehr den Verstand und das Auge üben,
als die Hand geschickt machen, würde ich die Schüler
nach guten Vorbildern zeichnen lassen, um noch die
technische Fertigkeit und Schönheit auszubilden. Sind
die Holzkörper in ihren Umrissformen bis zur Sicherheit
geübt worden, so würde ich mit der Schattierung
derselben in Kreide beginnen lassen und zu den Figuren
übergehen, deren Kanten aus Holzleisten zusammen gesetzt
sind, welche zur vierten Art der Dupuis’schen Modelle
gehören. Hierauf würden Gipsornamente folgen, vom
einfachen Mäanderrelief bis zum complicierten
Rosetten-Stern - oder Palmettenform, und dann das
Zeichnen nach Kugeln, Vasen und anderer Gerätschaften
____________________
19)
Profession ohne Tradition. 125 Jahre VdBK. Ausst. Kat.
Berlin 1992, S. 320.
06
07
beginnen,
welches den Übergang zum schwierigeren Studium der
Gesichtstheile, Larven und Köpfe von Gips bildet.“
20)
Das am 31. Oktober von Dr. Zöllner ausgestellte Zeugnis
der Akademie über die bestandene Prüfung erklärt sie als
„vorzüglich
befähigt, ... nun an einer höheren Töchterschule
Unterricht zu erteilen.“
Danach übte Mathilde Block den Beruf einer
Zeichenlehrerin in Berlin aus. Sie wohnte nun in der
Ritterstraße Nr. 43 im 1. Stockwerk bei einer Frau Dr.
Stryck zur Untermiete. Obwohl sie Zeichenunterricht gab
und auch ihr Bruder August, der inzwischen Kaufmann
geworden war, sie nach Kräften unterstützte, war es um
ihre Finanzen immer noch schlecht bestellt. Vielleicht
durch die Anregung oder gar Vermittlung, sicherlich aber
mit der wohlwollenden Begleitung durch Andreas von
Bernstorff, der zu dieser Zeit als Landrat die
Regierungsgeschäfte des Herzogtums Lauenburg führte,
erhielt sie am 4. März 1878 rückwirkend zum Jahresbeginn
ein Stipendium des Landschafts-Collegiums zu Ratzeburg
„zur Fortsetzung ihrer Studien im Malen“ in Höhe von 600
Mark jährlich, auszahlbar in vierteljährlichen Raten für
die Dauer von zwei Jahren. Die Kreis-Kommunalkasse wurde
angewiesen, das Geld umgehend
auszuzahlen.
Ihr Gesuch
21) enthält
neben einer Reihe von Anlagen, wie Zeugnissen und einem
„Prospect“ der Zeichenschule, im Anschreiben eine
erneute Schilderung ihres Werdegangs, der - im Vergleich
zu dem beim Examen eingereichten Lebenslauf - neben uns
bereits Bekanntem auch einige wesentliche Ergänzungen
enthält:
„Ergebenes Gesuch um ein Stipendium behufs
weiterer Ausbildung in der Malerei von Mathilde Block.
An das verehrliche Landschafts-Collegium des Herzogthums
Lauenburg
Wage ich mich mit der Bitte um ein Stipendium behufs
weiterer Ausbildung in der Malerei zu nahen.
Vor zwei Jahren begann ich hier in Berlin meine Studien,
zuerst im gewerblichen Zeichnen unter Leitung des Herrn
Jonas, und genoß
durch die Gnade Ihrer Kaiserlichen und Königlichen
Hoheit der Frau Kronprinzessin eine Freistelle im
Viktoria-Stift des
Lettevereins, welche mir vom Oktober 1875 bis dahin 1877
einen kostenfreien Aufenthalt gewährte.
Ich selbst bin ganz unbemittelt, da mein Vater, der
Prediger in Niendorff a/d Stecknitz bei Mölln war, nach
wenigen Jahren im Amt starb und meine Mutter mit drei
unversorgten kleinen Kindern zurückließ.
Bald nach meiner Konfirmation wurde ich Lehrerin,
nachdem ich noch anderthalb Jahre die erste Klasse der
höheren Töchterschule
von Frl. Kuss in Ratzeburg besucht hatte. So war ich im
Stande, meiner Mutter, die eine sehr kleine
Witwenpension bekam, zu
helfen, doch konnte ich natürlich nichts für mich zurück
legen. Erst als mein Bruder, der Kaufmann wurde, selbst
für sich
verdiente, und mir seine Hülfe für meine Studienjahre
zusagte, als mir durch gütigen Fürspruch verschiedener
Hochgestellter Damen
die Freistelle hier bewilligt wurde, sah ich den
Lieblingswunsch meiner frühen Kindheit in Erfüllung
gehen, und widmete mich nun mit allen Kräften der
Ausbildung in Zeichnen. Nachdem ich fast zwei Jahre die
Schule des Vereins der Künstlerinnen besucht hatte,
machte ich in diesem Herbste mein akademisches Examen
als Zeichenlehrerin um durch Stundengeben einige Mittel
zur weiteren Ausbildung zu erwerben. Hierdurch aber
erringe ich nur unbedeutendes. Ich habe im Atelier des
Herrn Portraitmalers Gräf die Ölmalerei begonnen und die
Auslagen für Material sind dadurch bedeutend gestiegen.
Da mein Studium nun noch nicht beendet ist, meines
Bruders Hülfe und das Stundengeben aber nicht
ausreichen, mich hier zu erhalten, so wende ich mich auf
Grund meiner Zeugnisse an das verehrliche
Landschafts-Collegium des Herzogthums Lauenburg und
spreche demselben meine Bitte um das für Künstler
ausgesetzte Stipendium recht von Herzen aus.
In der Hoffnung, einen nicht allzu ungünstigen Bescheid
zu bekommen, zeichne ich eines verehrlichten
Landschafts-Collegium ganz gehorsamst ergebenen Mathilde
Block
Berlin SW Königgrätzer Str. No. 90. Viktoria-Stift d.
13. November 1877“
22)
____________________
20)
Prüfungsakten der Akademie der bildenden Künste in
Berlin. Jg. 1877. Bll. 305/180.
21) Akten
Landschafts-Collegium zu Ratzeburg. Stiftungen u.
gemeinnützige Anstalten. Acta betr. Landschaftliche
Stipendien. Vol.
I, 1873-1878, 15.2.1877, No. 2169/77 mit 5 Anlagen
(Kreisarchiv Ratzeburg, Abt. 9, Nr. 656).
22) Ebda.
07
08
Offenbar half das
Stipendium und Mathilde Block konnte ihre private
Ausbildung bei durchaus bedeutenden Malern fortsetzen.
Sie lernte, wo sie nur konnte, arbeitete hart und
diszipliniert. Ihre Mühen zeigten Früchte und sie hatte
bald mit ihrer Kunst Erfolg. Ihre Malweise wurde immer
besser und virtuoser.
Auch der anonyme Verfasser des Flensburger Manuskriptes
sparte nicht mit Lob: „In der Zeit vor dem Kriege [=
1.Weltkrieg] war
Mathilde Block eine der beliebtesten und gesuchtesten
Bildnismalerinnen in Berlin, der Mark [= Brandenburg]
und Mecklenburg.“
Mitgliedschaft im Verein der Berliner Künstlerinnen
1892 trat sie dem „Verein der Berliner Künstlerinnen
e.V.“ bei, der damals noch „Verein der Künstlerinnen und
Kunstfreundinnen zu
Berlin“ (VKKB) hieß und dem sie bis 1927 die Treue
hielt. Durch die Spenden der „Kunstfreundinnen“ (und
auch einiger Kunstfreunde) sicherte sich der Verein eine
gesellschaftliche Verankerung und finanzielle Basis,
durch welche Künstlerinnen in ihrem Beruf unterstützt
werden konnten, etwa durch die Vergabe von Krediten.
Mathilde Block saß selbst von 1905 bis mindestens 1916
als Beisitzerin im Komitee der Darlehns- und
Unterstützungskasse, das für die ordnungsgemäße Vergabe
und Rückforderung der Kredite verantwortlich war.
23) Ihr
Name wird in den Jahresberichten mit „Mathilde
Block-Niendorf“ angegeben, sie selbst signierte manchmal
mit „Block-Niendorff“.
24) Sie
legte sich den Doppelnamen wohl auch darum zu, weil sie
im Verein auf eine gleichnamige Künstlerkollegin traf,
die sich als Malerin von Blumenstillleben einen Namen
gemacht hatte und in Berlin, Weimar und Nordhausen in
Thüringen tätig war. Mathilde wählte wohl statt des
einfachen und etwas provinziell wirkenden
„Block-Niendorf“ die elegantere Variante
„Block-Niendorff“, wie sie es aus ihrer Heimat von
adeligen Familien, etwa der Familie von Bernstorff,
kannte, schrieb aber auch ihr Dorf bei Adressangaben in
dieser Weise. Solche Varianten in der Rechtschreibung
waren damals durchaus üblich.
Dass Mathilde Block sich nicht als dilettierende höhere
Tochter, sondern als professionelle Künstlerin gesehen
hat, zeigt schon
ihre regelmäßige Teilnahme an bedeutenden Ausstellungen.
Dies belegt auch einmal mehr die Ernsthaftigkeit, mit
der sie ihre Kunst
stets ausübte. Sie gewann drei erste Preise bei
Wettbewerben des VKKB für ein Porträt in Öl, Aquarelle
und dem Kreide-Entwurf
eines Altarbildes, das sie später in Mölln verwirklichen
sollte.
Auf der 13. Ausstellung des VKKB war sie 1892 mit einem
Aquarell mit zwei Kinderköpfen vertreten.
25) Sie
beteiligte sich sogar an
einer Ausstellung des Vereins 1893 in Chicago, wo sie
ein Aquarell verkaufen konnte.
26) In der
14. VKKB-Ausstellung zeigte sie ein
Doppelbildnis (Junge und Mädchen), sowie, als Aquarell,
ein Doppelbildnis zweier Knaben.
27) 1898
verzeichnet der Katalog der 16. Ausstellung des VKKB in
Berlin ein Aquarell „Skat in der Bude“. Da an dieser
Ausstellung auch die gleichnamige Blumenmalerin mit
einem Anemonen-Bild beteiligt war, firmierten die beiden
Damen unter „Block-Niendorf“ und „Block-Nordhausen“.
1901 beteiligte sie
sich wiederum an der 17. Ausstellung des VKKB mit dem
Aquarell „Vertieft“, das eine in ihre Stickarbeit
vertiefte junge Frau in
Tracht zeigt. Figurenaufbau und Interieur erinnern an
große Vorbilder der barocken niederländischen Malerei.
28)
Wiederum sind
beide Namensvetterinen vertreten, diesmal als
„Block-Niendorff“ und „Block, Mathilde, Nordhausen“.
____________________
23)
Revidierte Satzung der Darlehns- und
Unterstützungskasse, April 1873. In: Profession ohne
Tradition. 125 Jahre Verein der
Berliner Künstlerinnen. Ausstellungskatalog Berlin 1992,
S. 405. - Vgl. auch: Bericht des VKKB zu Berlin vom
1.10.1915 bis 30.9.1916; Jahresbericht 1915/16, S. 7.
24) Vgl. in
diesem Zusammenhang Erwähnungen Mathilde Blocks in:
Käthe, Paula und der ganze Rest. Ein Nachschlagewerk.
Hrsg. vom
Verein der Berliner Künstlerinnen e.V. Berlin 1992, S.
25. - Profession ohne Tradition. 125 Jahre Verein der
Berliner
Künstlerinnen. Ausst. Kat. Berlin 1992, S. 320.
25)
Rezension der 13.VKKB-Ausstellung in: Vossische Zeitung,
1.Beilage, 12.2.1892, Teil II.
26)
Rezension in: Kunst-Salon von Amsler & Ruthardt, Jg. II,
H. IV, Februar 1894.
27)
Rezension in: Vossische Zeitung, Nr. 130, 18.3.1894
28) Königl.
privilegirte Berlinische Zeitung (Vossische Zeitung),
Nr. 197, 28.4.1901. - Ausstellungskatalog XVII.
Kunst-Ausstellung
des Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen.
Königl. Akademie-Gebäude. U.d.Linden 38 zu Berlin.
Berlin 1901, S. 6.
08
09
Doch auch
außerhalb des auf weibliche Künstler spezialisierten
Vereins fand sie ihren Platz und Anerkennung, auch in
männlicher
und sogar internationaler Konkurrenz: 1891 ist ihre
Teilnahme an der „Internationalen Ausstellung
veranstaltet vom Verein
Berliner Künstler“ mit dem Aquarell „Auf der Reise“
belegt,
29) 1893
nahm sie an der „Großen Berliner Kunstausstellung“ mit
einem
Aquarell und einem Pastell teil.
30) 1895
ist ihre Teilnahme an der deutsch-nordischen Handels-
und Industrieausstellung in Lübeck
nachweisbar, wo sie einen Gobelin ausstellte.
31) 1897
ist sie wiederum auf der „Großen Berliner
Kunstausstellung“ mit dem Gemälde einer sitzenden Frau
in folkloristischer Tracht
32)
vertreten, ebenso nahm sie 1902, 1906-08, und 1913 teil.
33) Die
Jenaische
Zeitung berichtete in den Jahren 1900-02 wiederholt über
die neu ausgestellten Bilder von Mathilde
Block-Niendorff im „Thüringer
Ausstellungsverein bildender Künstler“ in Jena.
34) 1909
war eines ihrer Aquarelle auf der Kunstausstellung in
Düsseldorf zu sehen.
Ihre Werke waren damals auch in der „Ständigen
Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar“ im
dortigen Großherzoglichen
Museum präsent.
1904 nahm sie mit ihren Vereinskolleginnen an der
Weltausstellung in St. Louis in den USA teil. Mathilde
Blocks Bilder - Miniaturen auf Elfenbein
35) - waren
im deutschen Ost-Pavillon der riesigen Ausstellung zu
sehen, ebenso ihre „Nadel-Malereien,
d.h. mustergültige Stickereien nach eigenen Entwürfen“
36), die
zusammen mit kunstgewerblichen Werken anderer
Künstlerinnen in
einer von Frau von dem Brocken entworfenen Möbel-Vitrine
gezeigt wurden. „Zum ersten Mal gab die Regierung dem
‚Verein der
Künstlerinnen und Kunstfreundinnen’ das Recht, im Rahmen
einer Welt-Ausstellung als geschlossene Gruppe
aufzutreten.“
37) Kaiser
Wilhelm II. hatte den deutschen Haupt-Pavillon nach dem
Vorbild des Charlottenburger Schlosses errichten lassen;
60 Länder nahmen
an der gigantischen Schau teil, 15 000 Aussteller kamen
allein aus den USA, 20 Millionen Besucher sahen die
Ausstellung.
1914 fragte der Insel-Verlag schriftlich bei ihr an, ob
sie Bücher illustriert hätte, die sie für die berühmte
„BUGRA“, die
„Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik
in Leipzig“ zur Verfügung stellen würde.
38) Die
Werke sollten in einer der
für die Ausstellung eigens erbauten, zahlreichen Hallen
in der Sondergruppe „Die Frau im Buchgewerbe,
Untergruppe
Buchillustrationen“ gezeigt werden. Diese Anfrage
beweist, dass Mathilde Block sich auch als
Buchillustratorin einen Namen
gemacht haben muss. Tatsächlich sind aus dem Jahr 1929
Illustrationen zu einem religiösen Buch nachweisbar: Sie
gestaltete die 12 Kopfleisten (Abb. 5 a-c) im
„Gesangbuch für evangelische Kindergottesdienste
‚Kantate!’“, herausgegeben von Rudolf Weber, der als
Geistlicher an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in
Berlin tätig war.
Abb. 5 (a-c):
Kopfleisten zu einem Kindergesangbuch, 1929.
Während Mathilde
Block unverheiratet blieb, heiratete die Schwester
Therese inzwischen ihren Vetter Herman Block
39) aus
Schwarzenbek und sie zogen - zusammen mit der Mutter -
nach Pinneberg, wo er sich als Rechtsanwalt niederließ.
____________________
29)
Ausstellung im Verein Berliner Künstler, Nr. 1307.
30)
Rezension in: Kunst-Salon von Amsler & Ruthardt, Berlin,
1892/93, H. 8.
31)
Rezension in: Beilage zu Amsler & Ruthardt’s
Wochen-Berichte. Illustrirte Zeitung für Kunst,
Kunsthandel und Kunstgewerbe,
Nr. 50, Berlin, 7.9.1985.
32) Große
Berliner Kunstausstellung 1897, Nr. 1155.
33) Vgl.
Ulrike Wolff-Thomsen: Lexikon der
schleswig-holstein. Künstlerinnen. Flensburg 1994,
S. 66.
34)
Jenaische Zeitung, Jg. 227, Nr. 99, Nr. 165; Jg. 228,
Nr. 116, Nr. 182, Nr. 261; Jg. 229, Nr. 182.
35)
Official catalogue exhibitors. Universal exposition,
St. Louis, USA. 1904, Dep. B. Art. Nr. 324: “miniatures
on ivory”.
36) H.
Vollmer: Deutsche Frauenkunst in St. Louis. In: Deutsche
Kunst und Dekoration. Bd 14 (10), 1904, S. 568.
37) Ebd.,
S. 563.
38) Klassik
Stiftung Weimar. Goethe- und Schiller-Archiv. GSA 50/63,
9.
39) Herman
Block (Schwarzenbek 25.4.1840 - 27.11.1905 Pinneberg).
In Pinneberg als „Hermann“ registriert, auf dem
Grabstein in
Niendorf a. d. Stecknitz wieder als „Herman“.
09
10
Studien bei
Malerprofessoren in Berlin und München - Reisen nach
Italien
Lernbegierig war Mathilde Block ihr ganzes Leben lang
und sie suchte auch nach ihrer Ausbildung an den
Zeichenschulen vor allem
in Berlin, aber auch in München stets neue Lehrmeister,
um ihre Malerei zu vervollkommnen. Von ihrem Gehalt als
Zeichenlehrerin,
der finanziellen Unterstützung durch den Bruder,
zunehmend von ihren Einkünften aus Porträtaufträgen und
dem Verkauf religiöser
Bilder, aber auch durch das Stipendium des Kreises
Herzogtum Lauenburg, konnte sie es sich leisten, bei
bekannten Berliner
Künstlern, u.a. Professoren der Berliner Akademie der
Künste, Privatunterricht zu nehmen, da nach wie vor das
akademische
Kunststudium für Frauen verboten war. Dass sie bei
männlichen Künstlern studierte, zeugt einmal mehr von
ihrem Selbstwertgefühl
und ihrer Emanzipation. Wie schwer es Frauen damals
hatten, in künstlerischen Berufen anerkannt zu werden,
zeigt die Einleitung
von Helene Grube zu einem Artikel über Mathilde Block im
„Reich der Frau“, der wöchentlichen Beilage zur „Neuen
Hamburger
Zeitung“ von 1908: „Mangel an Originalität, Mangel
an starker Schöpfungskraft wird den weiblichen
Künstlerinnen bis auf den
heutigen Tag vorgeworfen. ’Keine Komponistin, wenig
Malerinnen, noch weniger Bildhauerinnen, die den großen
Meistern an die Seite
zu stellen wären; der Frauen Talent ist begrenzt, ihre
Gestaltungskraft versagt vor äußeren Schwierigkeiten’,
so sagt man
achselzuckend, wenn die Rede auf das Können unserer
Komponistinnen, Malerinnen und Bildhauerinnen kommt.
Fast scheint die Erfahrung die Wahrheit solcher
Aussprüche zu bestätigen! Sollten diese Zweifler
wirklich recht haben? Oder
sollte der Grund derartiger abfälliger Urteile in
anderen Ursachen zu suchen sein? Die Künstlerlaufbahn
von Mathilde Block
scheint das letzte zu bestätigen.“
Das Pinneberger Tageblatt veröffentlichte 1933 - ein
Jahr nach dem Tode Mathilde Blocks - anlässlich einer
kleinen Ausstellung
mit Aquarellen, die ihre Schwester organisierte, einen
Bericht, worin es heißt: „Die beiden Berliner
Maler Gussow und Franz Skarbina sind für ihre
Entwicklung bestimmend gewesen. Abgeklärte Wirklichkeit,
umflossen von reichem Lichte, gemalt mit einer unendlich
reichen Farbenfülle, wäre wohl in kurzer Prägung der
Ausdruck für ihre Kunst. Ihrem Lehrmeister, Franz
Skarbina, dem jede Situation gleich lieb ist, wenn sie
ihm nur Gelegenheit bot, den pikanten Tänzen des Lichtes
zu folgen und geschmackvolle
Farbenspiele zu entfalten, ist Mathilde Block eine
selbständige Schülerin geworden. Auch sie entfaltet in
ihren Aquarellen,
namentlich im Stofflichen, eine Feinheit in der
Behandlung des Lichtes und eine saubere Farbigkeit, die
alle Beschauer, es sei
das einfachste Mütterchen, das Kind oder der wissende
Fachmann, sofort in den Bann zieht.“
Professor Carl Gussow lehrte von 1876 bis 1881 an der
Akademie der Künste in Berlin, wo Mathilde Block zwar
nicht offiziell
studieren durfte, sich aber wohl die Privatstunden des
Professors leisten konnte. Sie muss in dieser Zeit bei
ihm Unterricht
genommen haben, denn Gussow ging danach nach München und
war auch in Italien tätig. Zu seinen bekanntesten
Schülern zählten neben
Max Klinger auch etliche Frauen in Mathilde Blocks Alter
wie Ottilie Roederstein, Annie Hopf, Julie de Boor aus
Hamburg und Anna
Costenoble. Gussow war wegen seiner Darstellung
kostbarer Stoffe berühmt, vor allem aber wegen seiner
Porträts und präzisen
Porträtzeichnungen. Über den Maler berichtet uns das
Flensburger Manuskript: „Mathilde Block hat mit
offenen Augen um sich
gesehen und alles geprüft, genommen aber nur dort, was
ihrem Wesen gemäß war. Ihre Begabung wies sie vermutlich
auf das Bildnis, und auf diesem Gebiet ist sie weithin
bekannt geworden. Ihr Lehrer Gussow war zu Anfang der
achtziger Jahre wohl der gesuchteste Bildnismaler
Berlins. Seine Bilder, die nur heute so ... kühl
anmuten, wurden damals angestaunt als Wunder feinster
Farbenstimmung. Für ihn war die Farbe eine Sache für
sich, weder ein Mittel zur Charakteristik der
Persönlichkeit noch zur
Vertiefung des Raumes. Meist stehen seine Gestalten vor
einer hellen oder dunklen grauen Wand, von der sich das
Gesicht klar
abhebt. Die Kleidung ist hier in jede Einzelheit genau
ausgeführt, ohne Kleinlichkeit, alle Farben sind
gedämpft, keine darf sich
vordrängen, ein kühles Grau liegt unter dem Ganzen, bei
aller Natürlichkeit selbst das laute frische Leben.
Wenigstens erscheint
es uns heute so. Hinterher fand man manche
Farbzusammenstellungen schon als ‚gewagt’.“
40)
____________________
40)
Flensburger Manuskript, S. 3.
10
11
Erst bei ihren
Privatlehrern erlernte Mathilde Block die Technik der
Ölmalerei, die auf den vorher besuchten Zeichenschulen -
wohl auch wegen der damit verbundenen hohen
Materialkosten - nur peripher gelehrt worden waren.
Wahrscheinlich hatte Mathilde Block bei mehreren
Professoren parallel Unterricht genommen, so auch bei
Gustav Graef. Auch er galt
als bedeutender Historien- und Porträtmaler weit über
Berlin hinaus und war ebenfalls in München und Italien
tätig. Block war
bereits vor 1877 bei ihm - sie schreibt darüber in dem
Gesuch für ein Stipendium - wird aber die Studien bei
Graef spätestens
1885 aufgegeben haben, denn er wurde in diesem Jahr in
einen Skandal verwickelt: Man warf ihm den Missbrauch
eines minderjährigen Modells vor. Trotz Freispruch
erlitt seine gesellschaftliche Stellung so großen
Schaden, dass es für eine unverheiratete Pastorentochter
völlig unmöglich gewesen wäre, sich danach noch bei ihm
unterrichten zu lassen.
Noch bekannter war der Akademieprofessor und
Mitbegründer der Berliner Secession, Franz Skarbina
(Abb. 6), dessen Werke in
zahlreichen lithographischen Reproduktionen, etwa auf
Ansichtskarten, gedruckt wurden und so weite Verbreitung
fanden. Er galt
als einer der erfolgreichsten und populärsten Künstler
Berlins und pflegte Kontakte zum Kaiserhof. Auch er
hatte in München,
Venedig, vor allem aber in Paris gearbeitet. Skarbina
war vom Realismus Menzels, vor allem aber von den
französischen
Impressionisten beeinflusst.

Abb. 6: Der Maler Prof. Franz Skarbina,
einer der Lehrer Mathilde Blocks in Berlin.
1878 wurde er
Hilfslehrer an der Berliner Akademie, lehrte dann an der
Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums in Berlin. Er
schulte auch die Zeichnerinnen der Zeitschrift
„Modewelt“ und unterhielt ein Privatatelier für
Schülerinnen. Ein Foto aus der
„Illustrirten Zeitung“ von 1902 zeigt Skarbina im
Atelier mit einer seiner Schülerinnen - vielleicht ist
es sogar Mathilde Block
(Abb. 7).

Abb. 7: Franz Skarbina in seinem Atelier
mit einer Schülerin.
Da er schon 1882 auf Reisen, hauptsächlich nach
Frankreich ging, wird sie wahrscheinlich vor diesem
Zeitpunkt bei ihm studiert haben oder erst ab 1888, als
er - wieder zurück in Berlin - als ordentlicher
Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Berlin
tätig war. Sie lernte von ihm die lockere, von den
Impressionisten beeinflusste Malweise. Ein Vergleich
zeigt auch eine gewisse Verwandtschaft der Signaturen
von Block und Skarbina, wobei beide durch die
selbstbewusste Größe und eine kräftige, einfache,
leserliche Schrift auffallen. Auf ihre religiösen Bilder
hatte Skarbinas Vorbild jedoch keinerlei Einfluss. „Ganz
anders [als Gussow] war der damals noch junge Skarbina.
Helle, frische Farben, die sich getrost bis zur
fröhlichen Buntheit steigern, ohne die Gefühle der
Bilder zu zerstören. Er kam damals aus Paris und galt
als Revolutionär im Bereich der Kunst, einer der Ersten,
der den in Paris längst herrschenden Impressionismus
entschlossen ins Deutsche überführte.
So wenig die Kunst die politischen Grenzen kennt und
innehält, so wenig kann ein Volk die Kunstweise eines
anderen vollkommen
genau übernehmen. In gleicher Weise wiederholt kein
Schüler vollkommen getreu die Weise seines Meisters,
höchstens gelingt es
ihm, die Handschrift nachzuahmen. Wenn er wirklich ein
selbständiger Mensch mit eigenen Gedanken ist, so wird
er sie immer umbilden und eigenes hinzufügen.“
41)
Friedrich Geselschaap, der ebenfalls als Privatlehrer
von Mathilde Block erwähnt wird, wirkte gleichfalls ab
1871 in Berlin und
ist vor allem als Schöpfer der Mosaiken in der
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche bekannt. Er starb 1898
in Rom.
Alle Lehrer, bei denen sie studierte, hatten Beziehungen
nach München und Italien. Ihren Empfehlungen wird die
Künstlerin gefolgt
sein, als sie sich selbst gen Süden wandte.
„ Später ging sie wiederholt nach München zu
[Paul]
Nauen
und Dür
[= Wilhelm Dürr],
suchte Anregungen in allen
bedeutenden
Galerien. Auch nach Italien führte sie eine längere
Studienreise, nachdem sie in Mölln das Altarbild gemalt
hatte.“
42)
Wahrscheinlich hatte sie der bedeutende Möllner Auftrag
1888 finanziell in die Lage zu einer solchen Reise
versetzt - allein für
den Entwurf des Bildes gewann sie in Berlin bei einem
Wettbewerb ein Preisgeld von 500 Mark. Gewiss galt ihr
besonderes Interesse
Rom, den Werken der italienischen Renaissance, vor allem
aber wohl der Nazarener und Präraffaeliten, von deren
Stilwollen ihre
____________________
41)
Flensburger Manuskript, S. 3.
42)
Flensburger Manuskript, S. 2.
11
12
religiösen Gemälde
beeinflusst sind, während die Porträts - vor allem die
der Damen - die Leichtigkeit des Impressionismus erahnen
lassen, ohne diesen zu kopieren.
Paul Nauen war hauptsächlich Bildnismaler und lehrte an
einer Privatschule. Wilhelm Dürr arbeitete unter dem
Einfluss des Nazareners Friedrich Overbeck, schuf vor
allem Altarbilder und Porträts. Er starb 1890.
Möglicherweise studierte Mathilde Block aber auch bei
seinem gleichnamigen Sohn (1857-1900), der mehr von Uhde
und Liebermann und dem Impressionismus beeinflusst
gewesen war und ebenfalls durch Kirchenmalerei
hervortrat.
Das Flensburger Manuskript versucht, den damaligen Kampf
der Stilrichtungen zwischen Naturalismus und dem
Impressionismus zu umreißen:
„Es war die Zeit, wo Gurlitt
43) die
ersten Boecklins ausstellte und Uhde und Liebermanns
erste Bilder Aufregung verursachten und von Frankreich
her langsam aber sicher der Impressionismus eindrang. Am
heftigsten entbrannte der Kampf auf dem Gebiet der
religiösen Malerei, dem Mathilde Block besonders zugetan
war, wenn auch das Bildnis ihr Hauptfach wurde. Die Art
der „Nazarehner“, welche die heiligen Geschichten und
Gestalten zeitlos und volkslos darstellten und immer
blasser und kraftloser wurde, standen zwei Strömungen
entgegen: die eine, die dem äußersten Naturalismus
folgend und nicht unbeeinflußt von den Meinungen alles
biblische in den Orient verlegen wollte, geriet dabei
aber in Gefahr, im Orientbilde stecken zu bleiben und
gerade jenes zeitlose, unmittelbar ergreifende was dem
heiligen Bilde erst das eigentliche Leben gibt, außer
Acht zu lassen. Die andere Richtung folgte Rembrandts
Art, der den aus der Bibel geschöpften Stoff in seine
unmittelbare Gegenwart übersetzte. Der bekannteste
Vertreter dieser Richtung ist Fritz von Uhde, damals
auch noch einer von den Neuen. Es gab also genug der
Fragen, zu denen Stellung genommen werden mußte.“
1891 stellte sie ein Aquarell mit dem Titel „Auf der
Reise“ aus, das auf der Italientour entstanden sein
dürfte.
44) Es war
nicht ihre einzige Italienreise und auch nicht ihr
einziger Aufenthalt in München.
Überhaupt scheint sie recht mobil gewesen zu sein. 1897
berichtete „Das geistige Berlin“, dass sie im Sommer
meist auf Reisen sei, um Bildnis-Aufträge auszuführen.
Im Winter male sie „in ihrem Berliner Atelier in der
Bülowstraße 104 mit ihrer Freundin und Vereins-Kollegin
der Landschaftsmalerin Helene Moeser.“
45)

Abb. 8: Die Bülowstraße in Berlin, wo
Mathilde Block mindestens 14 Jahre lang wohnte.
In der Bülowstraße Nr. 104 im dritten Stock (Abb. 8)
wohnte sie mindestens 14 Jahre lang, ab 1913 ist sie in
der nicht weit entfernten Hagelbergerstraße Nr. 10
(Berlin SW 47), ebenfalls im dritten Stockwerk,
nachweisbar, mindestens bis 1924, wahrscheinlich aber
bis kurz vor ihrem Tod, als sie zu ihrer Schwester nach
Pinneberg zog. In der Hagelbergerstraße wohnten zu
dieser Zeit zahlreiche Künstler, im gleichen Hause
hatten mindestens drei Künstler ihre Wohnungen:
der Bildhauer Bruno Kruse, der Porträtmaler Ludwig
Noster sowie der Tiermaler Gustav Mützel. Es ist
bezeichnend für das Selbstverständnis von Mathilde
Block, dass sie sich nicht isolierte, sondern sich unter
andere Berufskünstler mischte.
Werke für Kirchen im Kreis Herzogtum Lauenburg
Egal, wo die Künstlerin sich gerade aufhielt, die enge
Beziehung zu ihrer alten Heimat hat sie niemals
aufgegeben. So entstanden nachweislich in der Zeit
zwischen 1885 und 1906 Altäre, religiöse Bilder und
Pastorenbildnisse für Kirchen in Ratzeburg (St. Georg
und Dom), Mölln (St. Nicolai), Sterley, Lassahn,
Niendorf a. d. Stecknitz und Mustin, die hier etwas
genauer betrachtet werden sollen.

Abb. 9: Kruzifixus in Ratzeburg, St. Georg, 1885.
1885 malte sie für
die Kirche St. Georg in Ratzeburg einen
gekreuzigten Christus,
bei dem man auf den ersten Blick eine Frau als
Schöpferin kaum vermuten würde (Abb. 9). Sie hält sich
auch mit dieser
____________________
43)
Fritz Gurlitt (1854-1893) war ein
bedeutender Berliner Kunsthändler und Inhaber eines
Kunstsalons.
44)
Ausstellung im Verein Berliner
Künstler, 1891, Nr. 1307.
45)
Vgl. Das geistige Berlin. Eine
Encyclopädie des geistigen Lebens. Bd. I.: Leben und
Wirken der Architekten ... Hrsg. Richard Wrede und Hans
von Reinfels. Berlin 1897. S. 33.
12
13
Tatsache zurück,
die selbstsichere und relativ große Signatur lautet
„MBlock 1885“, wobei M und B ligiert sind, d.h.
miteinander verschmelzen, wie man es oft bei Signaturen
großer Meister sieht. Allein die Größe des Gemäldes von
2 x 1 ½ Metern ist beeindruckend. Mehr noch der leere,
einfarbige Bildgrund mit seiner anscheinend tiefen
Schwärze, die jedoch bei näherem Hinsehen aus einer
Fülle von übereinanderliegenden Farbtönen besteht.
Selten wurde eine Kreuzigung so kompromisslos
dargestellt, ohne jegliches Beiwerk, das den Blick vom
Gekreuzigten und den Gläubigen in seiner Versenkung
ablenken könnte. Es ist die Todesstunde Christi. Das
Gemälde vermittelt den Eindruck alles verschlingender
Finsternis, aus der nur der bleiche, hell angestrahlte,
tote Leib herausleuchtet - das fein gefältelte
Lendentuch im Bildzentrum setzt einen besonderen
Lichtakzent. Die Tafel am Kreuz - ansonsten mit der
abgekürzten
Aufschrift „INRI“ versehen, gibt hier den ganzen Text
„Iesus Nazarenus rex Iudeaeorum“ wieder und wiederholt
ihn in Griechisch und Hebräisch. Das Bild setzt in
seinen Abweichungen vom ikonographischen Standard ein
großes Selbstverständnis von Mathilde Block in
religiösen Dingen voraus. Sie malt christliche
Darstellungen nicht einfach nur als Auftragsarbeit und
Broterwerb, dahinter steht vielmehr ein eigenes Wollen,
eine tief empfundene und gelebte Religiosität. Ob sie in
der Zeichenschule in Berlin bei ihrem Lehrer Prof. Eybel
das angebotene Aktzeichnen belegt hatte, ist fraglich,
da er auch „Zeichnen nach lebendem Modell“ im
Unterrichtsangebot hatte. Es ist dem fast nackten
Männerkörper aber deutlich anzumerken, dass die
Pastorentochter Aktzeichnen und anatomische Studien eher
nicht zu ihren Präferenzen gezählt hatte - das
akademische Akt-Studium war für Frauen zu dieser Zeit
ohnehin verboten und sie wird es auch bei
ihren männlichen Privatlehrern nicht weiter vertieft
haben. Ein reales Modell kann hier wohl ebenfalls
ausgeschlossen werden, sie wird nach Vorlagen aus der
Kunstgeschichte oder eigenen Skizzen nach Gemälden
gearbeitet haben, die sie in Museen oder auf ihren
Reisen gesehen hatte.

Abb. 10: Kreuzigungsgruppe, ehem.
Altarbild in Mölln, St. Nicolai, 1888.
Das größte und
vielleicht auch qualitätvollste religiöse Gemälde, das
wir von Mathilde Block bislang kennen, ist das 1888
entstandene Altarblatt - eine Kreuzigung Christi mit den
fast lebensgroßen Figuren von Maria, Johannes und Maria
Magdalena - für den Hochaltar der Kirche
St. Nicolai in Mölln
(Abb. 10) mit einer Höhe von über drei Metern. Es ist
das einzige religiöse Werk, das sie selbstbewusst mit
ihrem vollen Vornamen „Mathilde“ signiert und sich damit
als Frau „geoutet“ hat, während sie sonst die Abkürzung
„M“ bevorzugte. Allerdings ist der Namenszug „Mathilde“
eigenartig in der Farbgebung, so, als hätte jemand
nachträglich versucht, den Vornamen zu übermalen oder zu
tilgen. Das Gemälde ist heute an der Rückseite des
Altars angebracht, während vorne heute wieder das
frühere, zwischenzeitlich entfernte, später restaurierte
und 1967 wieder eingesetzte Gemälde mit der „Heimkehr
des verlorenen Sohnes“ von 1737 den Altar schmückt. Über
das Bild von Mathilde Block berichtet uns die „Neue
Hamburger Zeitung“ von 1908 recht ausführlich: „Ihre
Künstlerschaft führte sie bald in den Kreis des
berühmten Historienmalers Geselschaap. Als seine
Schülerin beteiligte sie sich an einer
Konkurrenzausstellung in Berlin, zu der sie ein
Altarbild in Kreide, die Kreuzigung Christi, eingesandt
hatte. Diese Kreidezeichnung erregte die Bewunderung der
Preisrichter und trug ihr einen Preis von 500 Mark ein.
Der Entwurf wurde auch in Mölln ausgestellt, und da die
herrliche, große Altarplatte an dem im Barockstil
errichteten Altar der dortigen Kirche nur ein einfaches
Kruzifix, umgeben von kunstlosen Pinseleien trug, so lag
der Wunsch nahe, die herrliche Blocksche Kreuzigung als
Altarbild zu gewinnen. Er wurde zur Tat, als eine
freigebige Möllnerin sich bereit erklärte, das Bild auf
ihre Kosten in Oel ausführen zu lassen. Die Inschrift
unter dem Bild: „Dorothea Höltig Wwe. stiftet dieses
Bild der Möllner Kirche zur Ehre Gottes und zur
Erinnerung an ihren theueren Ehegatten [den
Kaufmann Adolph Hoeltig 1888]“
meldet uns den Namen der jetzt 81jährigen Dame. Seit
1888 ziert das Kunstwerk die alte Kirche und erfreut in
seiner hehren Schönheit das Auge des Künstlers wie des
Laien. Eigenartig ist die ganze Auffassung der
Kreuzigung, ungewöhnlich die Mutter des Herrn, die wie
eine barmherzige Schwester in Diakonissentracht
dargestellt ist, wodurch sie uns sicherlich menschlich
näher tritt, als wenn wir sie weltentrückt mit dem
bekannten Glorienschein vor uns sehen. Groß gedacht ist
die Johannesfigur links vom Kreuz, in idealer Schönheit
strahlt der prächtige Kopf, tief gebeugt kniet Maria
Magdalena zu seinen Füßen. Nicht der Malerin Meister
Geselschaap, die Berliner Preisrichter, die Möllner
Mäcenen, nein, jeder mit wahrem Schönheitsgefühl
begabter Mensch erkennt in diesem Altarbild eine
großartige Leistung, die der Kunst im allgemein und der
Frauenkunst im besonderen alle Ehre macht. Und dennoch
ist es das einzige Werk dieser Art der begabten
Künstlerin geblieben. ... hervorragende Werke, die das
Durchschnittsniveau überragen, wie ihre Kreuzigung, sind
nicht mehr unter ihren Pinsel
13
14
hervorgegangen. Da, wo ihr Gelegenheit dazu
geboten wurde, konnte sie kühn den Vergleich mit dem
Manne wagen; wenn aber diese Gelegenheit versagt, wenn
die Frau ehrenden Aufträge - wozu die Ausführung eines
Altarbildes doch wohl gerechnet werden darf - gar nicht
oder nur spärlich zu Teil werden, kann sie ihre Kunst
auch nicht in rechter Weise betätigen - woraus aber noch
nicht auf ein geringeres Können geschlossen werden
sollte.“
46)

Abb. 11: Maria (Privatbesitz), 1896.
Exakte Kopie des Kopfes der Maria
aus dem Möllner Altarbild.
Die Maria
hat Mathilde Block mindestens noch einmal 1896 nahezu
identisch als Brustbild (Abb. 11) gemalt.
47) Die
Künstlerin steht in ihrer Malweise besonders beim
Möllner Altarblatt qualitativ weit über der stumpfen,
flachen, oft hölzern und tot wirkenden Massenware der
religiösen Gemälde des späten 19. Jahrhunderts, die
heute zu Recht als unbeseelter Kitsch verschrien und aus
vielen Kirchen wieder entfernt worden ist.
Das Flensburger Manuskript berichtet über das Möllner
Gemälde: „In der Ausstellung der Altarbilder, sind
dem Maler durch tausendjährige Gewohnheit enge Grenzen
gezogen die zu durchbrechen nur ein großer Geist wagen
darf, besonders das Bild der Kreuzigung [ist]
so
fest vom Herkommen gestaltet, daß der Maler das Eigene
ganz in den Ausdruck verlegen muß. Schon die
Berichterstattung der Evangelien schreibt genau die
Stellung der angeführten Personen vor, und was sie etwa
noch unbestimmt läßt, das festigte eine lange
Überlieferung mit unzähligen, feinen Beziehungen und
symbolischen Ausdeutungen zum unverrückbaren Gesetz. Hat
Mathilde Block sich in das Kreuzigungsbilde für Mölln
und Zaschen _ _ _ _ _
[sic!]
so weiß sie doch, da, wo der Variation mehr Spielraum gelassen ist,
durchaus selbständig [zu]
arbeiten.“
48)

Abb. 12: Christus mit Jüngern und dem Hl. Thomas.
Ehem. Predella vom Altar in Mölln, St. Nicolai, 1901.
Die zugehörige, unter dem Altarblatt
angebrachte Predella (Abb. 12) mit Christus, den
Aposteln und dem ungläubigen Thomas wurde erst 1901 von
dem Organisten L. Hachmeister gestiftet. Sie hängt seit
1967 separat im Chor von St. Nicolai, damals wurde
wieder die ursprünglich dem Altar zugehörige Predella
mit einer Abendmahlsdarstellung eingesetzt. Das
Flensburger Manuskript versucht eine Interpretation des
Werkes von Mathilde Block: „Die Geschichte vom
ungläubigen Thomas ist nicht allzu häufig gemalt worden,
trotzdem sie für das rein Menschliche ungemein ergiebig
ist. Mathilde Block gibt in diesen beiden Halbfiguren
wohl das reifste und tiefste ihrer Kunst. Der
jugendliche Zweifler, der so tief unter seinem Unglauben
leidet, der so gern glauben möchte, und so überglücklich
ist, als er von seinen Zweifeln befreit wird, und der
Meister, der sein ringen und zaudern so gut versteht,
der ihn nicht tadelt und abweist, sondern ihn liebevoll
an sich zieht, so daß aus der kalten, nüchternen Prüfung
der Tatsachen eine innige Umarmung hingebender und
suchender Freundlichkeit wird.“

Abb. 13: Ansicht von 1928 des Chores von
St. Nicolai in Mölln mit dem Altarbild
und der Predella von Mathilde Block,
an der Wand rechts das Porträt des
Pastors Morath.
Alte Fotos zeigen noch den Zustand, als
sich das Altarblatt von Mathilde Block zusammen mit der
ebenfalls von ihr gemalten Predella im Altaraufbau
befunden hatte (Abb. 13).

Abb. 14: Porträt des Pastors Adolf Morath
in St. Nicolai in Mölln, 1886.
An der Wand erkennt man links auch noch
ein Pastorenbild, das die Künstlerin bereits zwei Jahre
zuvor für die Möllner St. Nicolaikirche gemalt hatte und
das heute im nördlichen Seitenschiff hängt. Es zeigt den
1885 verstorbenen Pastor Adolf Morath (Abb. 14).
Die subtil und lebendig wiedergegebenen Gesichtszüge,
der wache, den Betrachter würdevoll fixierende Blick und
der fein gefältelte Mühlsteinkragen bezeugen die
außerordentliche Subtilität Mathilde Blocks auf dem
Gebiet der Porträtmalerei, die mit ihrer religiösen
Ernsthaftigkeit hier eine feinsinnige Allianz eingeht.
Alle ihre Porträts sind in altmeisterlicher Technik mit
lasierenden, mehrschichtigen Farbaufträgen gemalt, eine
Technik, die den Gesichtern Tiefe und Plastizität
verleiht, wozu auch die subtil differenzierte
Lichtführung beiträgt, welche sie fast wie von innen
heraus leuchten lässt.
____________________
46) Grube,
Helene: Das Altarbild in der Möllner Kirche, ein
Meisterwerk von Mathilde Block. In: Neue Hamburger
Zeitung, Nr. 584 (Abend-Ausgabe, wöchentliche Beilage:
„Das Reich der Frau“) vom 12. 12. 1908.
47) Vgl.
Foto im Archiv der Berliner Künstlerinnen 1867 e.V.
48) Flensburger
Manuskript, S.6. - Der Autor ist sich bei „Zaschen...“
nicht sicher. Vielleicht handelt es sich um Zaschendorf
in Mecklenburg, östlich von Schwerin. Gemälde von
Mathilde Block in der Kirche von Zaschendorf sind nicht
nachweisbar, jedoch steht in Zaschendorf auch noch die
Ruine eines Gutshauses.
14
15

Abb. 15: Porträt des Domprobsten
Johannes Rußwurm im Ratzeburger Dom, 1892.
Dies gilt
gleichermaßen für ein ähnliches Porträt, das sie 1892
für den Ratzeburger Dom anfertigte (Abb. 15). Es zeigt
den 1890 verstorbenen Domprobsten Johannes Rußwurm
und hängt heute in der sogenannten „Kunstkammer“ des Domes.
49) Erst
die genaue Betrachtung des heute schwarzen Hintergrundes
gibt dessen originales Umbra preis und lässt rechts oben
die Signatur „MBlock-Niendorff 1892“ erkennen. Sie hat
das Porträt des Verstorbenen nach einem Foto
angefertigt. Das Flensburger Manuskript berichtet über
diese Arbeitsweise: „Mathilde Block verdankt ihrem
Lehrer sehr viel, wie sie das stets voll Dankbarkeit
anerkannt hat, aber den eigenen Blick ließ sie sich
nicht nehmen. Getreue Wiedergabe nicht nur des
Sichtbaren, sondern auch des ganzen Wesens, der Seele,
das war und ist bis heute ihre Art. Dieser
eindringliche, liebevoll verstehende Blick hat sie, auch
zu Aufgaben befähigt, deren Lösung nicht nur einen
gewandten Bildnismaler, sondern wenn dabei ein wirklich
wertvolles Kunstwerk herauskommen soll, noch mehr ein
mitfühlendes Herz verlangt. Das Malen von Bildnissen
Verstorbener nach Photographien. Sie löste diese Aufgabe
stets so, dass sie nicht nur eine bestimmte Aufnahme
zugrunde legte, sondern sie ließ sich erzählen und schuf
so aus eigener Vorstellung das Bild in voller, frischer
Lebenskraft nicht nur nach der letzten Leidenszeit. Die
Besteller haben es ihr immer gedankt, daß sie sie dazu
führte, den Heimgegangenen so in der Erinnerung
fortleben zu lassen, wie er seinem Wesen entsprach, wenn
sie auch im ersten Augenblick erstaunt waren. Im
Allgemeinen gibt sie ihren Bildnissen nur den Kopf oder
die ganze Figur ohne Beiwerk besonders in ihren
zahlreichen Aquarellen und Pastellen.“

Abb. 16: Ehemaliger Altar in Sterley,
St. Johannes d. T., 1894.
Der im Mittelteil fast 2 Meter hohe Altar von
Mathilde Block in der
Kirche von
Sterley
wurde 1954 entfernt und steht heute - in drei Tafeln
zerlegt, restauriert, neu gerahmt und seines
ursprünglichen Altaraufbaus beraubt - auf dem
Treppenaufgang zur Empore (Abb. 16). Die Mitteltafel,
die oben wie ein gotischer Spitzbogen zuläuft, zeigt
wiederum einen gekreuzigten Christus, auf den beiden
Seitentafeln den Apostel Paulus und Johannes den Täufer.
Beide Seitentafeln sind signiert und 1894 datiert. Alle
Figuren stehen ohne Beiwerk vor goldenem Hintergrund,
der in der Mitteltafel wie eine Gloriole in zwei
unterschiedlichen Goldtönen das Kreuz umfängt. Johannes
weist auf den Gekreuzigten, Paulus blickt nach oben -
möglicherweise war die Mitteltafel im ursprünglichen
Zusammenhang höher angebracht - die Gestalt Jesu ist
auch wesentlich kleiner dargestellt als die beiden
anderen Männer.
Der Autor des Flensburger Manuskriptes hatte wohl, ohne
einen Ort zu nennen, dieses Werk vor Augen: „Ihr
Paulus und Johannis der Täufer unterscheiden sich
bedeutend von den gleichzeitig entstandenen, wie sie
ihre Gestalten überhaupt gerne jugendlich bildet, so
erscheinen ihr auch die Apostel in jugendlicher
Manneskraft. Ihr Johannes der Täufer ist nicht der
verarmte Asket, sondern der mutige Pfadbereiter voll
glühender Leidenschaft und doch mit dem aufschäumenden
Bewußtsein, nicht selber die Erfüllung zu sein, sondern
nur die Stimme, der Vorläufer einer Größeren.“
50)

Abb. 17: Tafeln mit
Heiligenfiguren,
ehem. an der Kanzel in Mustin,
St. Maria Magdalena, 1890er Jahre.
In der Kirche
St. Maria Magdalena in Mustin war einst die Kanzel
mit vier Gemälden von Mathilde Block geschmückt.
Die Bilder waren auf je 25 cm breiten Eichenholztafeln
gemalt, die in den Korpus der barocken Kanzel als
Füllungen eingelassen waren, wie alte Fotos noch zeigen
(Abb. 17). Die Tafeln stellen Petrus, Paulus, sowie die
Evangelisten Johannes mit dem Adler und Matthäus mit dem
Engel dar - eine für eine Kanzel ungewöhnliche
Kombination, man hätte eher alle vier Evangelisten
erwartet. Im Zuge der Kirchenrenovierung sind die Tafeln
in den 60er Jahren entfernt worden und hängen heute als
Einzelbilder, neu gerahmt und restauriert, im Chor (Abb.
18).

Abb. 18: Ehemalige Aufstellung mit den in die
Kanzel eingelassenen Bildern von Mathilde Block
in Mustin, St. Maria Magdalena.
In der St.
Abunduskirche in Lassahn bei Zarrentin in
Mecklenburg, jedoch dicht an der Grenze zum
Lauenburgischen gelegen, befindet sich ein dreiteiliger
Altar von Mathilde Block (Abb. 19).

Abb. 19: Altar in Lassahn, St. Abundus, 1898.
Die drei lanzettförmigen Holztafeln, welche die Form der
spitzbogigen Apsisfenster wiederholen, zeigen in der
Mitte den auferstandenen, von einem hellen Licht
überstrahlten Christus, im rechten Teil die drei Frauen
am leeren Grab und im linken zwei Jünger - Kleopas und
seinen Begleiter - die dem Auferstandenen auf dem Weg
nach Emmaus begegnen, ohne ihn zu erkennen. Auf dem
Felsen neben dem offenen Grab sind in auffälligem Rot
die Signatur und die Datierung angebracht: „MBlock
1898“. Anders als bei den bisherigen Bildern stehen die
Figuren - wohl schon allein wegen des Themas - in
____________________
49) Vgl.
Krüger, Georg: Kunst- und Geschichts-Denkmäler des
Freistaates Mecklenburg-Strelitz. Bd II: Das Land
Ratzeburg. Neubrandenburg 1934, S. 123 (vom Autor wird
das Bild fälschlich 1890 datiert).
50)
Flensburger Manuskript, S. 6.
15
16
Landschaften, die jedoch nicht unmittelbar
zusammenhängen oder ineinander übergehen, sondern für
die einzelnen Tafeln verschieden sind. Obwohl die Gesten
der Frauen und auch die der Jünger auf Christus im
Mittelteil hinzuweisen scheinen, ist er ihnen doch fern,
scheint durch seine Größe auch weiter im Vordergrund zu
stehen. Zu seinen Füßen finden wir ein regelrechtes
kleines Mohnblumen-Stillleben.
Das Pastorat über die Kirche lag bei den Grafen von
Bernstorff, die unweit von Lassahn, in Stintenburg,
ihren Familiensitz hatten. Für Andreas von Bernstorff
und seine Schwester Victoria, auf deren mögliche
Gönnerschaft der Künstlerin gegenüber schon hingewiesen
wurde, sind in der Apsis, unweit des Altares,
Gedenkplatten aus Marmor angebracht.
Landschaftsdarstellungen von der Hand Mathilde Blocks
sind uns bislang nicht bekannt, jedoch scheint sie auch
solche gemalt zu haben. Das Flensburger Manuskript weiß
darüber zu berichten: „Ihre Landschaften bewahren
immer die Frische, der vor der Natur gemalten Skizze,
sie waren ihr Ausruhen und Erholung, verraten aber
vielleicht gerade deswegen fast noch mehr als ihre
Bildnisse von ihrer bescheidenen, selbstlosen Art, mag
sie nun römische Ruinen oder deutsche Landschaften
schildern. Sie hat unendlich viel gemalt und gezeichnet,
außer zahllosen Bildnissen in Öl, Aquarell und Pastell
auch Zeichnungen für Druck- und Lithographie,
Illustrationen und Buchumschläge, aber jedes Blatt ist
mit Sorgfalt und Ernst durchgearbeitet.“

Abb. 20: Abendmahl, Gemälde ehemals
in Niendorf a. d. Stecknitz, St. Anna, 1906.
Auch das Gemälde mit dem Abendmahl
(Abb. 20) hat persönliche Bezüge zu seinem
Aufstellungsort: Mathilde Block stiftete es für die
Kirche ihres Heimatortes Niendorf a. d. Stecknitz.

Abb. 21: Ehemalige Aufstellung des Abendmahl-Gemäldes
in Niendorf a. d. Stecknitz, St. Anna, Aufnahme vor
1928.
Es stand dort von 1906 bis zur Kirchenrenovierung 1964
mit Unterbrechungen
51) vor dem Altar auf der Mensa
(Abb. 21). Das wie immer signierte und 1906 datierte
Gemälde misst 69 x 173 cm. Sicherlich war das Geschenk
an die Heimatgemeinde von dem Wunsch beseelt, der
Kirche, welcher der Vater einst als Pastor vorgestanden
hatte, etwas Gutes zu tun - vielleicht aber auch nicht
ganz frei von dem Gedanken, all jenen Mitgliedern der
Kirchengemeinschaft, die in der Berufswahl und im Umzug
der Pastorentochter in die sündige Großstadt mit all
ihren Versuchungen den Verrat an religiösen Grundwerten
gewittert hatten, das Gegenteil zu beweisen. Im Archiv
des Nordelbischen Kirchenamtes findet sich ein
diesbezügliches Schreiben der Künstlerin vom 4. Juni
1906 an den damals amtierenden Pastor O. Franke:
„Das Bild ist am Freitag als Eilgut von hier
abgegangen u. wird ja hoffentlich gut bei Ihnen
ankommen. ... Den Rahmen stiften meine Mutter und
Schwester - möchte das Bild dem lieben kleinen
Heimatdorfe zum Segen werden! Gott kann ja auch die
kleinste Arbeit zu Seiner Ehre segnen - so auch meine.
Ich wollte, das Werk wäre viel, viel schöner geworden -
aber es ist aus aufrichtigem Herzen gekommen u. mit
Liebe gemacht. ... Von den Jüngern dachte ich mir
Johannes und Petrus neben dem Herrn, Jacobus hinter
seinem Bruder Joh, stehend - links (für den Beschauer)
Philippus und Nathanael,
52) Andreas in grauem
Gewande, Thomas neben Petrus, vorn der ältere Jacobus
und Judas ... im Hintergrunde Simon Zelotes (blau) u.
Matthäus (rot). Judas der Verräter geht hinaus. Es ist
gleich nach dem Verrat. So, nun möge das Bild zur Freude
u. zum Segen der Gemeinde dienen. Max Metzner
[sic!] od. Tiedemann holen die Kiste wohl ab von
Mölln.“
Das Gemälde wurde auf dem Altar einfach vor das schon
vorhandene, ältere Altarbild gestellt, das heute wieder,
restauriert, zu sehen ist. Die Aufstellung des
Blockschen Gemäldes erregte 1927 die Kritik des
Landeskonservators Sauermann bei einer
Kirchenvisitation. Er schrieb in seinem Bericht: „Leider
ist der Kirche von einem Fräulein Block in Berlin ein
großes Abendmahlsbild zum Geschenk gemacht worden, und
dieses Abendmahlsbild ist vor die alte Predella des
Altars gesetzt worden ohne Rücksicht auf Form und Farbe
des Altars. Es ist notwendig, dass dieses Bild in
irgendeiner Weise beseitigt wird und das alte
Abendmahlsbild am Altar, welches schadhaft ist, wieder
zur Wirkung gebracht wird. Der Geistliche, Pastor Bock,
stimmt dem zu.“
53)
____________________
51) Ein Foto von 1932 zeigt den
Altar ohne das Gemälde, vielleicht wurde es aber zum
Zwecke der Fotoaufnahme nur kurzzeitig entfernt.
52) Nathanael ist im Kanon der
Apostel eher unüblich. Er war einer der ersten Jünger,
die von Christus berufen worden waren und kommt nur im
Johannes-Evangelium vor. Oft wird er mit dem Apostel
Bartholomäus gleichgesetzt.
53) Akten des Landesamtes für
Denkmalpflege Schleswig-Holstein, Kiel. Reisevermerk
Sauermann vom 11.7.1927.
16
17
Anscheinend ist
man aber der Aufforderung des Landeskonservators nicht
nachgekommen, das Gemälde wurde erst im Zuge der
Kirchensanierung jüngster Zeit aus der Kirche entfernt.
54)
Es gab noch ein weiteres Kunstwerk von Mathilde Block in
ihrer Heimatkirche: Im linken Teil der Apsis, deren
Fenster verändert wurden, ist auf einem Foto von 1927
ein Glasgemälde zu sehen, das den segnenden
Christus auf einer Schlange stehend zeigt und das
Mathilde Block „gemalt“ haben soll (vgl. Abb. 21 hinten
links).
55) Es
wurde bei der Renovierung 1963 entfernt und sollte nach
dem Willen des Landesamtes für Denkmalpflege in eines
der beiden Westfenster eingebaut werden.
56) Dies
ist jedoch nicht geschehen und die Spur des mindestens
zwei Meter hohen Glasfensters verliert sich.
Für die Kirche in
Büchen
(Büchen-Dorf) soll die Künstlerin ein barockes Ölgemälde mit dem Porträt
von Pastor
Konrad Remmers
(1695-1722), das
in sehr schlechtem Zustand gewesen sein soll, durch eine
„gute Kopie“ ersetzt haben.
Porträtmalerei
Schon die „Neue Hamburger Zeitung“ wusste zu berichten,
dass sich Mathilde Blocks Malstil in ihren beiden
Hauptgebieten unterschied: der Porträtmalerei und dem
religiösen Genre. Während die Porträts oft leicht gemalt
seien, zeichneten sich die religiösen Motive durch eine
Schwere und Farbigkeit aus, die den Vorbildern der
Präraffaeliten nachempfunden seien. Der Artikel fährt
fort: „Wohl hat sie sich als Porträtmalerin einen
Namen gemacht, als solche ist sie ebenfalls in der
Möllner Kirche durch das Bildnis des Pastors Morath
verewigt. Der Ausspruch: ‚Porträtmaler,
Portemonnaiemaler’ ist auf sie mit Recht anzuwenden,
denn längst hat sie sich durch ihre Porträtierkunst ein
Vermögen erworben.“
57)

Abb. 22: Porträt des des Seminar-Lehrers Johann
Christian
Mirow, 1896, im Kreismuseum in Ratzeburg.
Neben den schon erwähnten Bildnissen der Geistlichen
Morath und Rußwurm, die sich noch in den jeweiligen
Kirchen befinden, verwahrt das Kreismuseum Herzogtum
Lauenburg in Ratzeburg drei weitere Porträts von der
Hand der Künstlerin: Zwei davon sind gleichen Formats,
beide aus dem Jahr 1896 und wohl vom selben
Auftraggeber, wahrscheinlich dem Kgl. Lehrer-Seminar in
Ratzeburg,
58)
mit dem die beiden Dargestellten eng verbunden waren. Eines stellt
Johann Christian Mirow dar (Abb. 22), der am
Lehrer-Seminar, das Volksschullehrer ausbildete, von
1874-95 Seminar-Oberlehrer gewesen war. Das Porträt
wurde also im Jahr nach
seiner Pensionierung in Auftrag gegeben. Mirow war Autor
des 1898 in Ratzeburg gedruckten Buches „Beiträge zur
Geschichte des evangelisch-lutherischen Volksschulwesens
Lauenburgs“, Gründer und Präsident des „Lehrervereins“
und ragte unter den Lehrkräften deutlich hervor. Als
Mirow sein 25jähriges Dienstjubiläum feierte, hatte
Superintendent Brömel die Regierung um eine Ehrung des
verdienten Jubilars gebeten: „Mirow ist eigentlich
der Mittelpunkt der Lehrerwelt des ganzen Herzogtums ...“
59)

Abb. 23: Porträt des Superintendenten Dr. Albert
Brömel, 1896, im Kreismuseum in Ratzeburg.
Jener Superintendent und Konsistorialrat Dr. Albert
Robert Brömel (1854-1885) ist auf dem zweiten
Bildnis dargestellt (Abb. 23). Auch er hatte Ämter in
Verbindung mit dem Lehrer-Seminar inne. Das Gemälde soll
- wie wohl auch das von Mirow - in der Aula des
Seminargebäudes gehangen haben. Mathilde Block malte
wohl beide Bilder nach Fotografien.
____________________
54)
2011 befand sich
das Gemälde im Besitz eines Malermeisters aus
Breitenfelde, dem es zur Restaurierung übergeben worden
war.
55)
Foto: Landesamt
für Denkmalpflege LDSH Pk III 600.
56)
Aktenvermerk von
Dr.Teuchert, Landesamt für Denkmalpflege, Kiel,
13.9.1963: „Die beiden östlichen Fenster werden, da sie
blenden und spätere Zutaten sind, wieder vermauert. Das
eine bunte Glasfenster kommt an die Westseite.“
57)
Grube, Helene: Das
Altarbild in der Möllner Kirche, ein Meisterwerk von
Mathilde Block. In: Neue Hamburger Zeitung, Nr. 584
(Abend-Ausgabe, wöchentliche Beilage: „Das Reich der
Frau“) vom 12. 12. 1908.
58)
Ratzeburg,
Seminarweg 1. Das Gebäude diente später weiterhin als
Schulgebäude zunächst für die Barlach-Realschule und
später die Gemeinschaftsschule.
59)
Vgl.
Lauenburgische Heimat. Sonderheft 1957: Wilhelm
Prillwitz: Beiträge zur Geschichte der Ratzeburger
Stadtschule, S. 51f. - Dort ist auch das Gemälde von
Mathilde Block als Abb. 19 abgebildet.
17
18
Die bisher
vorgestellten Porträts wirken alle durch die zum
Ausdruck gebrachte Autorität der Dargestellten. Hierzu
trägt auch der stets einfarbige, meist dunkelbraune
Hintergrund bei. Das jeweilige Format überschreitet
dabei kaum 60 x 70 cm.

Abb. 24: Bildnis des Landschafts-Rathes Oscar
Friedrich von Walcke-Schuldt auf Goldensee,
1887, im Kreismuseum in Ratzeburg.
Ebenfalls eine Autorität, jedoch in ganz anderer
Darstellungsweise, tritt uns in dem knapp zwei Meter
hohen, fast lebensgroßen Bildnis des Oscar von
Walcke-Schuldt (1828-1908) entgegen.
60)
Das Gemälde (Abb.
24) entstand bereits 1887 und ist der größte
Porträtauftrag, den wir bislang von Mathilde Block
kennen.

Abb. 25: Signatur Mathilde Blocks
vom
Bildnis des Oscar von Walcke-Schuldt.
Selbstbewusst signiert sie hier mit vollem Vor- und
Nachnamen (Abb. 25). Auch durch die hervorragende
Qualität der Malerei nimmt das Gemälde eine
Sonderstellung ein. Dargestellt ist der vorletzte
Gutsbesitzer auf Goldensee bei Ratzeburg. Er steht
selbstbewusst, in ganzer Figur da, bekleidet mit der
roten Uniform eines Angehörigen der Ritter- und
Landschaft
61),
inmitten eines Zimmers - wohl im Herrenhaus
62) von
Goldensee -, umgeben von zahlreichen Büchern und
Dekorationsstücken. Auf dem Schreibtisch liegen die
weißen Handschuhe und der zur Uniform gehörige schwarze
Zweispitz. Der exotische Gegenstand unter dem
Tisch könnte von Oscars Schwager stammen, der als
Schiffsarzt Amerika und Ostindien besucht hatte. Das
barocke Gemälde auf dem Schreibtisch, das früher in
einem Zimmer des Herrenhauses hing, stellt Johann
Wilhelm (Jean Guilleaume) Schuldt dar, der die Güter
Goldensee und Niendorf am Schaalsee (!) 1772 erworben
hatte. Nach seinen Bestimmungen waren alle nachfolgenden
Besitzer der Güter zur stetigen Erinnerung an ihn
verpflichtet, den Namen Schuldt dem ihrigen hinzufügen.
Oscar von Walcke-Schuldt, der den Adelstitel für sich
und seine Familie erwarb, war nicht nur studierter
Jurist und Mitglied des Lauenburgischen Kreistages,
sondern auch „Landschafts-Rath“, d.h. er bildete
zusammen mit einem zweiten Landrat und dem
Erblandmarschall das „Landschaftskollegium“, das
gemeinsam Beschlüsse für die gesamte Ritter- und
Landschaft fassen konnte. Die „Landschaft“ war die
Ständevertretung der Gutsbesitzer und Städte im
Herzogtum
Lauenburg. Er war auch Freizeitpoet und veröffentlichte
einen bei Freystatzky in Ratzeburg gedruckten Band
„Gelegenheits-Gedichte“, hauptsächlich an seine Frau
Marie Henriette und die als 10jährige verstorbene
Tochter Wanda gerichtet, sowie an seine Schwester, die
auch Mathilde hieß.
Von den sicherlich zahlreichen Porträts, die Mathilde
Block für private Auftraggeberinnen und Auftraggeber
gemalt hat, sind uns heute nur noch wenige weitere
bekannt:
Im Depot des Staatlichen Museums Schwerin befindet sich
das Porträt einer Dame mittleren Alters im Profil
mit einer Haube, gemalt 1884.

Abb. 26: Porträt der Eleonore von
Seydlitz, 1899, Privatbesitz.
Ein zart und
luftig gezeichnetes, helles Pastell zeigt Eleonore
Anna Helene von Seidlitz und Ludwigsdorf in einem
hochgeschlossenen, weißen Tüllkleid mit goldener Brosche
anlässlich ihrer Vermählung am 18. 10. 1899 mit Bodo
Freiherr von Bodenhausen-Radis (Abb. 26). Aus dem
Adelsnachlass gelangte das Werk 2007 in den Kunsthandel.
Es ist hier sehr deutlich nachzuvollziehen, wie Mathilde
Block sich in ihrem künstlerischen Ausdruck dem
jeweiligen Sujet anpasste.

Abb. 27: Bildnis einer Frau in
folkloristischer
Tracht, 1897, Privatbesitz.
Das gilt auch für das 1897 gemalte Bildnis einer
unbekannten jungen Frau in folkloristischer Tracht,
das bei der „Großen Berliner Kunstausstellung“ im
gleichen Jahr ausgestellt worden war (Abb. 27).
Porträts der Pinneberger Bürgermeister

Abb. 28: Mathilde Block (links) mit ihrer
Schwester Therese (rechts) und Freundinnen.
Die Schwester,
Therese Block, war inzwischen (wohl 1893) mit ihrer
Mutter und ihrem Ehemann Herman Block nach Pinneberg, in
den Fahltskamp Nr. 75, gezogen.
63)
Mathilde besuchte ihre Familie häufig (Abb. 28).
1921 erteilte die Stadt Pinneberg der Künstlerin den
Auftrag, für den Sitzungssaal des Rathauses zwei
Porträts (Abb. 30 und 31) der damals bereits
verstorbenen Bürgermeister Claus Hinrich Gätjens (1850
____________________
60)
Leihgabe der Familie von
Walcke-Schuldt im Kreismuseum Herzogtum Lauenburg in
Ratzeburg.
61)
Die dargestellte Uniform aus dem
Familienbesitz wurde vom Kreismuseum Herzogtum Lauenburg
erworben und ist ebenfalls in Ratzeburg ausgestellt.
62)
Das Herrenhaus von Goldensee ist
2009 vollständig abgebrannt
63)
Für Informationen und Fotos zu
diesem Kapitel sei Herrn M. Ramcke vom Stadtarchiv
Pinneberg besonders gedankt.
18
19
-1932) und seines
Nachfolgers Christoph Kosack (1845-1917) anzufertigen.
64) Die
Künstlerin muss durch ihre Schwester in Pinneberg
bereits bekannt gewesen sein, hatte auch die beiden
Bürgermeister noch persönlich gekannt, anders hätte man
sich wohl kaum entschlossen, den Auftrag an eine
71jährige Frau zu vergeben, die auch noch weit entfernt
in Berlin wohnte.
Bereits aus dem Jahr 1906 stammt ein Aquarell von
Mathilde Block, das Gätjens Pfeife rauchend im Lehnstuhl
darstellte (Abb. 29).
65)

Abb. 29: Der Pinneberger Bürgermeister
Gätjens, Aquarell, 1906.

Abb. 30: Porträt des Pinneberger
Bürgermeisters
Claus Hinrich Gätjens, Pinneberg, Rathaussaal.

Abb. 31: Porträt des Pinneberger
Bürgermeisters
Christoph Kosak (1921), Pinneberg, Rathaussaal.

Abb. 32: Porträt des Pinneberger
Bürgermeisters
Franz Heinsohn (1924), Pinneberg, Rathaussaal.
Es ist eine umfangreiche Korrespondenz mit
Stadtbaumeister Theodor Hansen erhalten, die Einblick in
die Abwicklung eines solchen Bildnisauftrages gewährt.
Interessant ist dabei die souveräne Art und Weise, mit
der die Malerin mit solchen Aufträgen umgegangen ist.
Die Briefe der Mathilde Block zeigen eine kraftvolle,
für ihr Alter noch sehr sichere Handschrift (Abb. 33).

Abb. 33: Handschriftlicher Brief von
Mathilde
Block bezüglich des Auftrages zu den
Bürgermeister-Porträts von Pinneberg.
Am 18.2.1921
stellte Hansen dem „geehrten, gnädigen Fräulein“ den „im
vorigen Sommer angefragten“ Auftrag in Aussicht und ging
auf einen damals von ihr gemachten Preisvorschlag von je
Bild 600,- Mark ein, die inzwischen durch Spenden
zusammengekommen wären, fragte nach Bildmaßen und
geschätzter Arbeitsdauer. Die Malerin schlug Maße von 68
x 56 cm vor und glaubte, die Arbeit in zwei Monaten
beenden zu können. „Der Preis, den ich Ihnen ...
nennen ließ, ist nicht hoch, da Farbe und Leinwand
inzwischen noch teurer geworden sind, aber die Arbeit
wird mir Freude machen, da ich beide Herren recht gut
gekannt habe.“ (20.2.1921). Vor der festen
Auftragszusage sprach Hansen zwei Tage später einen
heiklen Punkt an: „ Was
die Ausführung anbelangt, so darf ich wohl annehmen, daß
diese sich der Natürlichkeit anpaßt und nicht einer, auf
einen ...ismus
[sic!]
endenden neueren
Kunstrichtung angehört, da ich für den vorliegenden
Fall, solches nicht für vorteilhaft halte.“
(22.2.1921). Das Antwortschreiben vom 26.2.1921
ließ leise Ironie über den biederen Stadtbaumeister, der
Impressionismus oder Expressionismus nicht im
Pinneberger Rathaus sehen möchte, mitschwingen:
„Fürchten
Sie nichts von den ...ismen
[sic!],
denen ich vielleicht
huldigen könnte, beim Ausführen dieser beiden Bildnisse,
höchstens könnte etwas Idealismus sich einschleichen,
der ja weniger gefährlich ist!“
Sie schlug vor, zwei Holzplatten mit leichter
Untermalung für die Bilder zu verwenden, die sie einst
„von einer malenden Dame“ erhalten habe. Ein Angebot von
Hansen, ihr Fotografien zu besorgen, nahm sie nicht wahr
- Schwester Therese hätte sie schon diesbezüglich
versorgt und auch von der Tochter Gätjens hätte sie sich
bereits Fotos erbeten.
Am 2. 3. 1921 schrieb Hansen, dass man Holztafeln nicht
wünsche und auf Leinwand bestehe, schon wegen der
„später folgenden Erweiterung der Sammlung“, die er in
Aussicht stellte. Mathilde Block ging am 7. 3. 1921 darauf
ein, sie habe bereits „2 Blendrahmen mit Leinwand“
bestellt und das Werk solle „ganz zur Zufriedenheit der
Auftraggeber ausfallen“.
Am 22.5.1921 teile sie Hansen die gestrige
Fertigstellung der Bilder mit. Sie schlug vor, sie noch
eine Woche trocknen zu lassen und fragte, ob sie per
Post oder Fracht versendet werden sollen. Auch im
Technisch-Handwerklichen zeigte sie sich trotz ihres
hohen Alters sehr beschlagen: „Dann möchte ich
bemerken, daß die Kiste erst geöffnet werden muß, ehe
die Schrauben mit dem die Blendrahmen am Deckel und
Boden befestigt sind, herausgeschraubt werden.“
Falls die Auftraggeber wegen der Ähnlichkeit noch kleine
Änderungen wünschten, so könne sie das bald erledigen,
da sie in Kürze ihre Schwester in Pinneberg besuchen
würde. Inzwischen halte sie sich in Groß Plasten in
Mecklenburg-Schwerin auf. Sie war dort im
repräsentativen Herrenhaus von Dr. jur. Friedrich von
Michael zu Gast, wo sie höchstwahrscheinlich einen
Auftrag für ein Porträt angenommen hatte.
66)
Am 15.7.1921
wurden die beiden Bilder im Sitzungssaal aufgehängt.
Die Abwicklung dieses Auftrages zeigt, dass Mathilde
Block für Porträtaufträge Berlin nicht unbedingt
verlassen musste, die Zusendung von Fotografien, die
Post zur Abstimmung mit den Auftraggebern und das
Versenden der fertigen Bilder werden meist genügt haben.
Die Pinneberger waren wohl mit dem Ergebnis zufrieden,
denn drei Jahre später erging ein erneuter Auftrag an
die nunmehr 74jährige Künstlerin: der kürzlich aus dem
Amt geschiedene Bürgermeister Franz Heinsohn soll in die
Galerie aufgenommen werden (Abb. 32). Wieder wird eine
umfangreiche
_____________________
64) Akten
2242 „Bürgermeisterbilder für den Sitzungssaal“,
1921-1925, Stadtarchiv Pinneberg.
65)
Archivfoto 654 im Stadtarchiv Pinneberg.
66) In dem
Gebäude ist heute ein Schloss-Hotel untergebracht, von
Gemälden findet sich keine Spur mehr.
19
20
Korrespondenz nach
Berlin geführt. Am 26.2.1924 teilte Hansen mit, dass er
das Geld für die Materialien noch nicht aufgebracht
habe, hierzu sei noch eine Sammelaktion von Spenden
nötig. Der Preis wurde diesmal auf 400,- Mark
festgesetzt. Zum Vergleich: Das monatliche
Durchschnittseinkommen in Deutschland lag zu dieser Zeit
bei 180,- Mark netto. Im Mai war das Bildnis fertig
gestellt, Mathilde Block vermerkte, dass das ihr
übersandte, auch bereits ältere Foto das „Gesicht zu
kurz und voll“ zeige und sie für eine Ähnlichkeit nicht
garantieren könne, bot jedoch an, im Sommer den
Bürgermeister noch einmal persönlich „zu seinem Bilde
sitzen“ zu lassen, falls dies gewünscht wird. Beim
Trocknen stellte sich heraus, dass die Farbe
„eingeschlagen“, d.h. stumpf geworden war und die
Malerin bot an, das Gemälde im Sommer mit einem
Retouchierfirnis zu überziehen, damit es glänzender
werde. Das Urteil über die Ähnlichkeit fiel gut aus, die
Pinneberger hatten aber Probleme, das restliche Geld zur
Bezahlung aufzubringen, so dass zunächst nur ein
weiterer Abschlag gezahlt wurde. Durch 50 Spender kamen
mit Beträgen zwischen 1,- und 30,- schließlich 371,40
Mark zusammen, und man überwies das Geld in mehreren
Raten.
Heimkehr nach Niendorf
Mathilde Block hatte sich auch zu längeren Besuchen bei
Mutter und Schwester in Pinneberg aufgehalten. Zwei
Besuche dauerten mehr als drei Monate, der letzte ein
halbes Jahr. So hielt sie sich in der Zeit vom 24.6. bis
zum 31.9.1918, vom 11.6. bis 11.9.1919 und vom
11.11.1931 bis zum 21.6.1932 dort auf, wobei sie sich
auch polizeilich an- und abmeldete. Offensichtlich hat
sie die Sommerferien in Pinneberg verbracht, sich
zuletzt aber ganz der Fürsorge der drei Jahre älteren
Schwester anvertraut. Das Pinneberger Tageblatt wusste
1933 zu berichten: „Noch bis 4 Wochen vor ihrem
Tod malte sie fleißig. Ja, aus den letzten Jahren sind
Aquarelle vorhanden, denen man es nicht ansehen kann,
daß eine Greisin den Pinsel führte.“'

Abb. 34: Grab von Mathilde Block, ihrer
Schwester und ihres Schwagers auf dem
Friedhof von Niendorf a. d. Stecknitz.
Mathilde Block starb am 21.6.1932 in Pinneberg. Sie
wurde auf ihren eigenen Wunsch hin nach Niendorf
überführt und in ihrer alten Heimat, auf dem Friedhof
neben der Kirche, in der ihr Vater als Pastor wirkte,
beigesetzt. Sie teilt sich das Grab mit dem bereits 27
Jahre zuvor verstorbenen Schwager Herman und der acht
Jahre nach ihr verstorbenen
Schwester. Der Grabstein ist heute noch zu sehen (Abb.
34), das Grab wird von der Kirchenverwaltung gepflegt.
Die Schwester organisierte ein Jahr nach dem Tod
Mathildes in Pinneberg eine kleine Ausstellung mit
Aquarellen, die im Pinneberger Tageblatt 1933 gewürdigt
wurde. Neben Porträts der Mutter, der Tante, des Bruders
und anderer Verwandten waren Kostümstudien,
Blumenstillleben und Katzenporträts gezeigt worden.
Wahrscheinlich war auch ein Aquarell von 1929 darunter,
das Häuser im Fahltskamp (Nr. 49-51) zeigte und von dem
im Stadtarchiv Pinneberg noch eine
Schwarz-Weiß-Abbildung erhalten geblieben ist.
Nach dem Tod von Therese Block am 23.3.1940 wurde das
Pinneberger Haus von einer „Erbengemeinschaft Block“
verkauft. Zuletzt wohnte noch eine „ältere Dame aus der
weiteren Verwandtschaft Block“ darin, die bei Abriss des
Gebäudes umgesiedelt wurde. Akten des Nachlassgerichtes
in Pinneberg weisen aus, dass „der Ehemann der
Erblasserin“ zwei Söhne - Louis und John Carver Block -
gehabt hatte, beide damals ebenfalls schon verstorben.
Offenbar waren die beiden nach Amerika übersiedelt, denn
die drei Söhne des ersteren und die drei Söhne und zwei
Töchter des letzteren befanden sich 1940 in Sioux City,
Davenport und Fairfield im US-Staat Iowa sowie in
Evenston in Illinois. Ob über den Erlös aus dem Verkauf
des Hauses hinaus irgendetwas vom Erbe der Therese Block
zur Zeit des 2.Weltkrieges nach Amerika gelangt ist,
bleibt mehr alsfraglich. Der Testamentsvollstrecker Max
Thode war skeptisch, „ob eine Postverbindung noch
möglich ist.“
67) Ein
weiteres Schreiben Thodes spricht von einer geplanten
„Versteigerung der nachbleibenden
____________________
67)
Schreiben von Testamentsvollstrecker Max Thode an das
Amtsgericht Pinneberg, IV 41/40 - 20. Mai 1940.
20
21
Mobilien“.
68) Damit
verlieren sich leider die Spuren des Nachlasses, der
„zahllose“ Skizzen und Aquarelle umfasst haben soll.
Wir sehen heute erst einen kleinen Teil des Werkes der
Künstlerin. Zahlreiche Porträts werden sich noch im
jeweiligen Privatbesitz befinden, aber auch für weitere
Kirchen dürften religiöse Bilder entstanden sein, die
heute aufgrund der geringen Wertschätzung, die man
mittlerweilen der Malerei des 19. Jahrhunderts oft
entgegenbringt, auf Dachböden verbannt worden sind. Man
weiß noch immer zu wenig von Mathilde Block, aber nun
doch genug, um eine qualitätvolle Malerin und eine in
ihrer Zeit ungewöhnliche Frau zu sehen.
____________________
68)
Schreiben von
Testamentsvollstrecker Max Thode an das Amtsgericht
Pinneberg, Geschäftsnummer 4. IV. 41/40, 14. Mai 1940.
21
Leben und wichtige Werke im chronologischen
Überblick:
1850
|
geboren in Niendorf an der Stecknitz |
1854 |
der Vater, Pastor in Niendorf, stirbt |
1862 |
Porträtzeichnung: 5 Köpfe Niendorfer Bauern |
1864 |
1. Classe der höheren Töchterschule in
Ratzeburg |
1866 |
Stelle als Erzieherin bei einer
Pächterfamilie
|
1868
|
Erzieherin bei Drost von Fabriel auf Burg
Stargard (Mecklenburg) |
1873
|
wieder bei der Mutter in Niendorf |
1875-77 |
Ausbildung in der Zeichenklasse im
Lette-Verein Berlin und parallel dazu an der
Zeichenschule des „Vereins der Künstlerinnen
und Kunstfreundinnen zu Berlin“
|
1876
|
Gedenkblatt für Wilhelm II. |
1877 |
Examen zur Zeichenlehrerin an der Kgl. Akademie der bildenden Künste in
Berlin, anschließend Studium bei
verschiedenen Malern in Berlin und München.
Ateliers in der Bülowstraße 104 in Berlin,
später in der Hagelbergerstraße 10 in
Berlin. |
1885
|
Kruzifixus, Ratzeburg, St. Georg |
1886
|
Porträt des Pastors Adolf Morath,
Mölln, St. Nicolai |
1887
|
Porträt des Oscar Friedrich von
Walcke-Schuldt |
1888
|
Altarbild in Mölln, St. Nicolai |
1889
|
Studienreise nach Italien |
1892-1927
|
Mitglied im „Verein der Künstlerinnen und
Kunstfreundinnen zu Berlin“
|
1892
|
Porträt des Domprobsten Johannes
Rußwurm, Ratzeburg, Dom |
1894
|
Altarbild in Sterley, St. Johannes d.
T. |
1896 |
Madonna, Privatbesitz |
1896
|
Porträt des Seminar-Lehrers Johann
Christian Mirow, Ratzeburg, Kreismuseum |
1896
|
Porträt des Superintendenten Albert
Brömel, Ratzeburg, Kreismuseum |
1898
|
Altarbild in Lassahn, St. Abundus |
1899
|
Porträt der Eleonore von Seydlitz |
1901 |
Predella in Mölln, St. Nicolai |
1905
|
im Komitee des „Vereins der Künstlerinnen
und Kunstfreundinnen zu Berlin“ |
1906
|
Abendmahl, Niendorf a. d. Stecknitz,
St. Anna |
1918 |
Aufenthalt in Pinneberg (3 Monate) |
1919
|
Aufenthalt in Pinneberg (3 Monate) |
1921 |
Porträt des Bürgermeisters Claus
Hinrich Gätjens
|
1921
|
Porträt des Bürgermeisters Christoph
Kosack |
1924
|
Porträt des Bürgermeisters Franz H.
Heinsohn |
1929
|
Aquarell vom Fahltskamp, Pinneberg |
1932
|
Aufenthalt in Pinneberg (6 Monate) |
1932
|
stirbt in Pinneberg, wird in Niendorf a. d.
Stecknitz beigesetzt. |
22
23
Werkverzeichnis:
1862 Porträtzeichnung: 5 Köpfe Niendorfer Bauern
(Bleistift)
1876 Gedenkblatt für Wilhelm II.
1884 Damenporträt, Schwerin, Staatl. Museum, Inv.
Nr. G
2667, erworben 1963 von Dr. Pieper, Schwerin (Öl auf
Leinwand, 65,5 x 53 cm, sign. u. dat. „MBlock 1884“)
1885 Kruzifixus in Ratzeburg, St. Georg (Öl auf
Leinwand, 147 x 200 cm, sign. u. dat. „MBlock 1885“)
1886 Porträt des Pastors Adolf Morath in Mölln,
St.
Nicolai (Öl auf Leinwand, 50 x 62 cm, sign. u. dat.
„MBlock 1886“)
1887 Porträt des Land-Rathes Oscar Friedrich von
Walcke
-Schuldt auf Goldensee, im Kreismuseum in Ratzeburg (Öl
auf Leinwand, 133 x 193 cm, sign. u. dat. „Mathilde
Block
1887“)
1888 Altarbild (Kreuzigungsgruppe) in Mölln, St.
Nicolai (Öl auf Leinwand, 166 x 314 cm, sign. u. dat.
„Mathilde Block 1888“)
1892 Porträt des Domprobsten Johannes Rußwurm in
Ratzeburg, Dom (Öl auf Leinwand, 74 x 61 cm, sign. u.
dat. „MBlock-Niendorff 1892“)
1894 Altarbild (dreiteilig: Kruzifixus, Paulus,
Johannes
d. T.) in Sterley, St. Johannes d. T. (Öl auf Leinwand,
63 x 193 cm, je 35 x 110 cm, sign. u. dat. „MBlock
1894“)
1896 Maria, Privatbesitz (Öl auf Leinwand, sign.
u. dat.
„MBlock 1896“)
1896 Porträt des Johann Christian Mirow im
Kreismuseum
in Ratzeburg (Öl auf Leinwand, 71 x 56 cm, sign. u. dat.
„MBlock 1896“)
1896 Porträt des Superintendenten Dr. Albert
Brömel im
Kreismuseum in Ratzeburg (Öl auf Leinwand, 71 x 56 cm,
sign. u. dat. „MBlock 1896“)
1897 Bildnis einer Frau in folkloristischer
Tracht,
Privatbesitz (Öl auf Leinwand, 57 x 38,5 cm, sign. u.
dat. „MBlock-Niendorff 1897“)
1898 Altarbild (dreiteilig: auferstandener
Christus,
Frauen am Grab, Emmaus-Jünger) in Lassahn, St. Abundus
(Öl auf Leinwand, 56 x 144 cm und 64 x 159 cm) („MBlock
Niendorff 1898“)
1898 Skat in der Bude (Aquarell)
1899 Porträt der Eleonore von Seydlitz,
Privatbesitz (Öl
auf Leinwand, 39 x 31 cm, sign. u. dat. „M.Block-
Niendorff 1899“)
1890er Jahre 4 Tafeln mit Heiligenfiguren:
Petrus,
Paulus, Johannes d. Ev., Matthäus in Mustin, St. Maria
Magdalena (Öl auf Holz, je 48 x 25 cm)
1901 Predella (Christus mit Jüngern und dem
ungläubigen
Thomas) in Mölln, St. Nicolai (Öl auf Leinwand, 42,5 x
127 cm, sign. u. dat. „MBlock 1901“)
1901 „Vertieft“, unbekannter Verbleib (Aquarell)
vor 1906 Segnender Christus für Niendorf a. d.
Stecknitz, St. Anna, unbekannter Verbleib (Glasfenster,
ca. 50 x 200 cm)
1906 Altarbild (Abendmahl) für Niendorf a.d.
Stecknitz,
St. Anna (Öl auf Leinwand, 69 x 173 cm, sign. u. dat.
„MBlock 1906“)
1906 Claus Hinrich Gätjens Pfeife rauchend im
Lehnstuhl,
Privatbesitz Bremen (Aquarell, sign. u. dat. „MBlock
1906“)
1921 Porträt des Claus Hinrich Gätjens
(Bürgermeister
von Pinneberg) in Pinneberg, Ratssaal (Öl auf Leinwand,
68 x 80 cm, sign. u. dat. „MBlock 1921“)
1921 Porträt des Christoph Kosack (Bürgermeister
von
Pinneberg) in Pinneberg, Ratssaal (Öl auf Leinwand, 68 x
80 cm, sign. u. dat. „MBlock 1921“)
1924 Porträt des Franz Heinsohn (Bürgermeister
von
Pinneberg) in Pinneberg, Ratssaal (Öl auf Leinwand, 68 x
80 cm, sign. u. dat. „MBlock 1924“)
1929 Ansicht der Straße Fahltskamp, Nr. 49-51,
Pinneberg, unbekannter Verbleib (Aquarell)
1929 12 Federzeichnungen mit religiösen Motiven
als
Kopfleisten im Gesangbuch für evangelische
Kirchengottesdienste „Kantate!“, hrsg. von Rudolf Weber,
Frankfurt/Oder 1929.
? Den Reichsboten lesende, ältere Frau am
Fenster,
unbekannter Verbleib (Öl auf Leinwand, 48 x 33 cm)
23
24
Nachtrag
Folgende Bilder konnten nach der Veröffentlichung des
Artikels noch verifiziert werden:

Bildnis eines jungen Mädchens.
Pastell, sign. u. dat. 1879.
Besitz des Kreismuseums Herzogtum
Lauenburg in Ratzeburg.

Der Möllner Postbote Johannes Parbs.
Ölgemälde, sign. u. dat. 1883, Privatbesitz
(auf dem Briefumschlag ist die Adresse
von Mathilde Block zu lesen).
Fotonachweis: alle Fotos Kreismuseum Herzogtum
Lauenburg in Ratzeburg, außer: 1, 2, 3 aus: Niendorf an
der Stecknitz, 1194 - 1994. Ein Dorfbuch. S. 330, 121,
331. - 6: Illustrirte Modewelt, 1902. - 12: Landesamt
für Denkmalpflege LDSH PK III 831. - 17: Albert Hannig.
- 20: Landesamt für Denkmalpflege LDSH PK III 600.- 25:
Kunsthandel, Düsseldorfer Auktionshaus 2006/2, Nr. 664.
- 27: Archiv des Vereins der Berliner Künstlerinnen e.V.
- 29-32: Stadtarchiv Pinneberg.
|